Bei der gewissenhaften Planung einer Fußballreise in unentdeckte Länder muss man sich als detailverliebter Perfektionist vorab mit ganz vielen Fragen auseinandersetzen. Wie komme ich vom Airport schnell, günstig und effizient zur Unterkunft? Wie weit liegen die Spielorte auseinander? Schaffe ich in einer Stunde den Weg von A nach B? Benötige ich einen Mietwagen oder kann ich unkompliziert den Zug nutzen? Wie hoch ist das Verkehrsaufkommen? Was muss ich mir vor Ort unbedingt anschauen? Was muss man in diesem Land in jedem Fall gegessen haben?

All diese Fragen sind am Ende des Tages mit ein wenig Recherche und Reiseerfahrung gut und zügig zu beantworten, rücken aber komplett in den Hintergrund, wenn man diese eine „Frage der Fragen“ vorab nicht beantworten kann:

Wer spielt wann und wo gegen wen?

Die Beantwortung dieser elementaren „Masterfrage“ bleibt auch nach der Corona-Pandemie die mit Abstand größte Herausforderung bei der Planung einer Fußballreise. Schließlich macht eine Hotelreservierung nur Sinn, wenn ich weiß, wo ich hin muss.

Gerade die etwas kleineren Fußball-Ligen und -Verbände agieren bei der zeitgenauen Terminierung eines Fußballspieles vorsichtig gesagt sehr zurückhaltend. Während englische Premier League und deutsche Bundesliga ihre Spieltermine mehrere Wochen vorher veröffentlichen und so jedem Fan mit viel Planungsfreiheit eine günstige Anreise ermöglichen, stoße ich immer wieder auf Fußballverbände, welchen eine transparente und frühzeitige Terminplanung völlig unwichtig erscheint. Die fehlende Weitsicht dieser Verbände bei der punktgenauen Festlegung der Anstoßzeiten mag sicherlich auch ihre Gründe haben, da der Fußball in vielen Ländern Europas nicht diesen hohen Stellenwert besitzt, wie wir ihn aus Spanien, England oder Deutschland kennen. Dementsprechend kann man bei der kurzfristigen Terminierung der Spiele aufgrund der geringen zwei- bis dreistelligen Zuschauerzahlen eher auf die Bedürfnisse der Spieler und Vereine als die der Fans und Besucher eingehen!

Am Beispiel des jüngsten UEFA-Mitgliedes, dem Fußballverband der Republik Kosovo, war die Organisation der Reise mal wieder mit einem hellseherischen Blick in die Glaskugel vergleichbar. Die kosovarische „Albi Mall Superliga“, gesponsert vom größten Shoppingzentrum des kleinen Balkan-Landes, besitzt insgesamt zehn teilnehmende Vereine. Damit man im Spielbetrieb überhaupt auf eine volle Saison mit insgesamt 36 Spieltagen kommt, spielen die Mannschaften insgesamt viermal gegeneinander.

Mit diesem Mindestmaß an Information startete ich wenige Wochen vor meiner Reise in den Kosovo mit der Reiseplanung. Hierbei musste ich feststellen, dass die „Albi Mall Superliga“ die vielleicht geheimnisvollste Liga Europas ist. Denn hier waren nicht nur Anstoßzeit und -ort völlig unbekannt, sondern auch die zu absolvierenden Spielpaarungen bis zur Winterpause. Dementsprechend musste ich einmal mehr das gesamte Wochenende verplanen, um wirklich sicher zu gehen, auch ein Spiel der ersten kosovarischen Liga zu sehen.

Um das schwarze Loch im kosovarischen Fußballkosmos vorab wenigstens ein bisschen aufzuhellen, plante ich mit einer Partie der UEFA Europa Conference League ein sogenanntes „Alternativspiel“ ein, um im Notfall nicht völlig umsonst in den Kosovo gereist zu sein. Denn die europäischen Pokalwettbewerbe, welche bereits seit Mitte des Jahres abschließend terminiert sind und aufgrund des engen europäischen Fußball-Kalenders eine hohe Priorität genießen, finden unter Schirmherrschaft der europäischen Fußball-Union UEFA selbst bei widrigsten Bedingungen statt.

Wenn aus der Theorie allerdings Praxis wird, kommt alles mal wieder ganz anders. Fünf Tage vor dem europäischen Vergleich zwischen dem kosovarischen Meister FC Ballkani und FC Viktoria Pilsen aus der Tschechischen Republik stellte man fest, dass der Rasen im Fadil-Vokrri-Stadion von Pristina aufgrund der Wetterverhältnisse und ständigen Belastung durch die kosovarische Nationalmannschaft, den FC Ballkani in der Conference League und die eigentliche Heimmannschaft FC Pristina überhaupt nicht mehr bespielbar ist! Da das Fadil-Vokrri-Stadion allerdings das einzige UEFA-taugliche Stadion des gesamten Landes ist, musste man die Partie kurzerhand in ein anderes Land verlegen. Hier fiel die Entscheidung auf Bruderstaat Albanien und seine 250 Kilometer entfernte Hauptstadt Tirana!

Kein Europapokalspiel im Fadil-Vokrri-Stadion von Pristina!

Nur gut, dass der kosovarische Fußballverband vier Tage vor dem aktuellen Spieltag endlich die Spielpaarungen von erster und zweiter Liga bekannt gab und mir wenigstens ein unerwartetes Alternativprogramm schenkte! Statt glamourösem Europapokal am Donnerstagabend gab es bereits zur Mittagszeit Hausmannskost der zweiten kosovarischen Liga!

Der im Westen Pristinas ansässige Club KF 2 Korriku hatte seine beste Zeit Anfang der 2000er-Jahre, als man sich im kosovarischen Fußball-Oberhaus messen durfte. In der Gegenwart ist der graue Zweitligist in erster Linie durch seine Fußballschule bekannt, welche er mit Hilfe des türkischen Großclubs Besiktas JK betreibt und Spieler wie den albanischen Nationaltorhüter Etrit Berisha (FC Empoli) hervorbrachte.

Am 14. Spieltag der von einer Supermarktkette gesponserten „Viva Fresh Liga e Pare“ traf die Mannschaft von Cheftrainer Besim Ademi im heimischen „Fushe Sportive 2 Korriku“ auf die Spitzenmannschaft des KF Vjosa.

Das Stadion des Clubs befindet sich direkt neben einer hermetisch abgesicherten KFOR-Kaserne und offenbarte genau das, was der albanische Begriff „Fushe“ auf Deutsch bedeutet. Das „Feld“ war letztlich ein neuwertiger Kunstrasen-Sportplatz und geht nur deshalb als Stadion durch, da zusätzlich eine kleine Tribüne angelegt wurde, welche guten Gewissens in die Rubrik „nie fertig gestellte Bausünde im Rohbau“ einsortiert werden muss.

Dementsprechend hatte es der eisige Wind sehr leicht, während der 90 Minuten für die ein oder andere laufende Nase zu sorgen. Vor handgezählten 53 Zuschauern siegte der Gast aus der knapp 30 Kilometer entfernten Ortschaft Shtime verdient mit 2:0 (1:0) und krönte sich in der zweigeteilten 2. Liga zum Herbstmeister der Gruppe B. Dies wurde standesgemäß mit den 12 mitgereisten Schlachtenbummlern und dem obligatorischen Teamfoto vor dem Auswärtsblock gefeiert.

Am Ende blieb lediglich die Frage offen, ob dieses Spiel mehr Zuschauer angelockt hätte, wenn es nicht zu einer äußerst ungewöhnlichen Anstoßzeit (Donnerstags um 13.00 Uhr) stattgefunden hätte. Eine Frage, die ich nicht beantworten kann!

Nach einer ausgiebigen Sightseeing-Tour durch Pristina und Prizren stand Samstags ein Spiel der Albi Mall Superliga auf dem Programm. Mehr dazu im nächsten Blog aus dem Kosovo!

Und nicht vergessen…in meinen Social-Media-Accounts bei Instagram und Facebook findet Ihr wie gewohnt bewegte Story-Bilder und weitere Fotos vom Spiel bei KF 2 Korriku. Schaut doch einfach mal rein!

STAY TUNED…bleibt auf Empfang!