Schon am Namen des norwegischen Fußball-Pokals kann man feststellen, dass der Wettbewerb im Vergleich zu anderen Nationen einen viel höheren Stellenwert einnimmt.

Das Wort „Norgesmesterskap“ heisst auf alemannisch „Norwegische Meisterschaft“ und impliziert, dass sich der Gewinner des Königspokals mit Fug und Recht als norwegischer Fußball-Landesmeister in das jeweilige Buch der Stadt eintragen darf.

Leider steht die europäische Fußballunion UEFA so gar nicht auf Wortspielereien und lässt wie erwartet den Gewinner des finanzstärkeren Liga-Oberhauses, der Eliteserien, an der Qualifikation zur UEFA Champions League teilnehmen. Für den offiziellen norwegischen Fußballmeister bleibt momentan nur die Qualifikation zur UEFA Europa Conference League. In der anlaufenden Saison 2022/2023 wäre das die Mannschaft von Molde FK, die sich im vergangenen Jahr im Endspiel mit 1:0 gegen Liga-Meister FK Bodø/Glimt durchsetzen konnte.

Der erstmalig im Jahr 1902 ausgetragene Pokalwettbewerb, welcher zumeist als „NM-Cupen“ bezeichnet wird, besitzt speziell in den ersten zwei Hauptrunden eine Besonderheit. Nachdem sich die 176 teilnehmenden unterklassigen Vereine aus den vierten, fünften und sechsten Ligen in zwei Qualifikationsrunden auf nur noch 44 Teilnehmer reduziert haben, kommen die 84 Clubs aus den ersten drei norwegischen Ligen in der 1. Hauptrunde dazu.

In der 1. und 2. Hauptrunde werden die Duelle allerdings nicht gelost, sondern durch den norwegischen Fußballverband nach regionalen Gesichtspunkten angesetzt, um hohe Reisekosten zu vermeiden. So bekommt fast jeder Amateurclub auf der eigenen Anlage zunächst einen Proficlub aus der näheren Umgebung vor die Flinte.

Mein erstes Pokalduell fand an einem äußerst regnerischen Abend in Stavangers Stadtteil Lassa statt, wo der heimische Viertligist FK Vidar in der 2. Hauptrunde auf Zweitligist Bryne FK traf.

Nach meiner Ankunft im „Lassa Idrettspark“, einer Art Bezirkssportanlage mit zwei Sportplätzen, gab es auf dem Kunstrasenplatz erstmal ein kostenloses F-Jugend-Nachwuchs-Turnier. Der anschließende Kauf einer Eintrittskarte für das auf dem Naturrasenplatz angesetzte Pokalspiel gestaltete sich etwas schwieriger. Obwohl der Eintrittspreis von 100 norwegischen Kronen, umgerechnet knapp 10 Euro, auf dem handgeschriebenen Schild klar wie Kloßbrühe war, verwirrte mich das Wort „Vipps“ mit einer sechsstelligen Nummer.

Die Verwirrung wurde noch größer, als der junge Mann an der Kasse meinen Geldschein mit dem Wort „VIPPS“ ablehnte. Nachdem ich zu verstehen gab, dass ich kein VIP bin und auch kein Interesse an einer VIP-Behandlung besitze, setzte erstmal das große Schweigen, garniert mit äußerst verwirrten Blicken, ein. Die Erklärung für das „Schweigen der Lämmer“ ist letztlich relativ einfach und hat mit Fortschritt zu tun. Die App „VIPPS“ ist das norwegische Zahlungsmittel schlechthin und vergleichbar mit dem PAYPAL-System. Für VIPPS benötigt man allerdings nur die „gegnerische“ Telefonnummer und transferiert das Geld völlig unkompliziert. Da mit dem System ein sehr geringer Verwaltungsaufwand daherkommt, nutzen viele kleinen Vereine diesen Dienstleister und verzichten auf die mögliche Zahlung mit EC- oder Kreditkarte. Für mich, dem zurückgebliebenen Deutschen gab es glücklicherweise eine Ausnahme. Ich durfte „Cash“ bezahlen.

Das anschließende Spiel war genau so, wie ein Pokalspiel sein muss. Bei strömendem Regen stand ich auf einer Tribüne aus Holz, der Geruch von frisch gemähtem Rasen zog durch die Nase und nur zwei Meter vor mir grätschten die Amateure des FK Vidar um ihr Leben.

Ich hatte jedenfalls schon den alten Kalauer „Der Pokal hat seine eigenen Gesetze“ im Hinterkopf, als der überlegene Underdog mit einem torlosen Remis und einer wirklich ansprechenden Leistung zum Pausentee lud. In der zweiten Halbzeit verschwand dieser Gedanke aber schnell im Archiv der Lückenfüller, da die Mannschaft von Bryne FK ihre ganze Routine ausspielte und dank effektiver Chancenverwertung mit 2:0 in Führung ging. Am Ende gewann der Favorit, bei dem ein gewisser Erling Haaland das Fußballspielen erlernte, recht unspektakulär mit 3:1 (0:0) und zog in die 3. Runde des Pokals ein.

VIPPS und ein Auswechselspieler beim FK Vidar

Bevor „David“ in einem weiteren lokal angehauchten Pokalspiel gegen „Goliath“ kämpfen sollte, beabsichtigte ich mir die Metropolregion Stavanger/Sandnes von oben anzuschauen. Nach der durchaus anstrengenden Premieren-Wanderung auf den „Preikestolen“ ging es bei diesem Fußmarsch weitaus entspannter zu.

Das Wandergebiet „Dalsnuten“ befindet sich östlich des Gandsfjords und belohnt den Gipfelstürmer auf 324 Metern Höhe mit einem Blick auf die beiden grössten Städte der Provinz Rogaland. Obwohl diese Strecke ausdrücklich als „leicht“ klassifiziert wurde und laut Beschreibung etwas für die ganze Familie ist, war ich während des Aufstiegs weit davon entfernt, meine Wanderschuhe gegen die „Chucks“ auszutauschen, mit denen eine asiatische Familie vor mir Bergsteiger spielte.

Am Abend rollte mein gemieteter Hybrid-Toyota, der bei Benzinpreisen von 2,70 Euro pro Liter glücklicherweise recht sparsam war, in das südliche Rogaland. Hierbei war die Konzentration auf den Straßenverkehr mal wieder nicht ganz einfach, da man in Norwegen ständig von der unfassbaren Natur geblendet wird. Auch auf der Reichsstraße 44 wechseln sich Meeresbrandung und die unwirklichen Vulkanstein-Formationen entlang der Küstenroute ab. Wenn man sich zudem geschichtsinteressiert zeigt, ist ein Stopp in dem kleinen Örtchen Sirevag unabdingbar. Dort befindet sich eine recht gut erhaltene Festungsanlage, welche durch die deutsche Wehrmacht während der Besatzungszeit in den Fels geschlagen wurde.

In der 12.000-Einwohner-Gemeinde Egersund traf der heimische Fußball-Stolz Egersunds IK in der 2. Hauptrunde des NM-Pokals 2022 auf den bereits bekannten Zweitligisten Sandnes Ulf, den ich nur drei Tage zuvor im Heimspiel gegen KFUM Oslo beobachten durfte. Da die Heimmannschaft den vierten Platz in Gruppe 1 der zweigeteilten dritten norwegischen Liga belegte, war der Klassenunterschied diesmal überschaubar und der angekündigte Kampf zwischen „David und Goliath“ damit weitaus offener.

Nach Ankunft in der kleinen aber feinen Innenstadt Egersunds war mir nicht sofort klar, dass das Stadion zwar nur 950 Meter entfernt war, diese recht kurze Distanz aber vollständig „bergauf“ zurückgelegt werden musste. Dementsprechend bildeten sich vor dem Eingang des „Idrettsparken“…dem Sportpark…schon wieder leichte Schweißflecken unter dem T-Shirt.

Vor 490 Zuschauern, davon gut 20 mitgereisten Fans aus Sandnes, kam der heimische Drittligist besser ins Spiel. Wie schon einen Tag zuvor beim Pokalspiel in Vidar erschien eine Überraschung sehr gut möglich. Die wurde nach der torlosen ersten Halbzeit sogar noch ein Stück wahrscheinlicher, als der Underdog völlig verdient durch Stian Michalsen in Führung ging (55.).

Bevor sich im Fanblock des Zweitligisten aber ernsthafte Sorgenfalten auf der Stirn breitmachen sollten, stand es wie aus dem Nichts 1:1-Unentschieden. Ingvald Halgunset traf etwas überraschend für eine bis dato recht uninspirierte Ulf-Mannschaft (59.).

Als ich mich langsam aber sicher auf eine spannende Verlängerung einstellen durfte, griff Schiedsrichter Tore Hansen ins Spiel ein und entschied nach einem Zweikampf im Strafraum auf Foulelfmeter für den Gast aus Sandnes. Obwohl ich das lautstarke Entsetzen der Heimfans verstehen konnte, war diese Entscheidung voll im Regelwerk. Espen Hammer Berger ließ sich die ultimative Chance jedenfalls nicht entgehen und sorgte für den schmeichelhaften Sieg des Zweitligisten (82.).

Nach Spielende begaben sich beide Teams zu ihren treuen Anhängern in die Fankurve. Beide Fanbereiche waren zwar mit einer Plane voneinander getrennt, lagen aber letztlich direkt nebeneinander. Ein wirklich seltenes Bild!

In der 3. Pokalrunde zog die Ulf-Mannschaft übrigens das Traumlos schlechthin. In der heimischen Osterhus-Arena traf man nur eine Woche später auf keinen Geringeren als den norwegischen Rekordmeister Rosenborg BK. Leider blieb auch hier eine Überraschung aus…der 26fache Landesmeister aus Trondheim gewann mit 2:0 und beendete die kurze Pokalreise des Zweitligisten.

In den sozialen Medien gibts wie immer bewegte Bilder in der Story sowie viele weitere Fotos von den Pokalspielen und den Ausflugszielen! Klickt Euch bei Instagram und Facebook mal rein!

STAY TUNED…BLEIBT AM BALL!

  • FK Vidar vs Bryne FK