Der vor vier Jahren im stolzen Alter von 87 Jahren verstorbene US-Amerikaner Herbert D. Kelleher war ein milliardenschwerer Geschäftsmann, der eine bereits bestehende Geschäftsidee revolutionierte und letztlich dafür verantwortlich ist, dass Menschen in der Gegenwart mit einem Flugzeug auf dem kleinen Flughafen Weeze am Niederrhein landen und tatsächlich davon ausgehen, in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf zu sein.

Nach Gründung der eigenen Fluggesellschaft „Southwest Airlines“ und dem Start des Flugbetriebes im Jahr 1971 optimierte der als etwas kauzig geltende Kelleher das Prinzip der sogenannten „Billigfluggesellschaften“. Die verzichten im Vergleich zu den klassischen Netzwerk- und „Linien“-Fluggesellschaften auf Komfortmerkmale wie kostenlose bzw. im Grundpreis inkludierte Serviceleistungen.

Mit dem Wegfall der „kostenfreien“ Verpflegung, Gepäckbeförderung und Sitzplatzreservierungen reduzierte sich natürlich auch der Flugpreis, der in vielen Fällen plötzlich sogar so günstig war, dass alternative Verkehrsmittel wie Bus oder Bahn überhaupt keinen Sinn mehr machten. Ein weiterer wichtiger Mosaikstein zur Kostenreduzierung stellt für die (Billig-)Airlines die Wahl des anzufliegenden Airports dar. Während große Drehkreuz-Flughäfen wie München, London-Heathrow oder Frankfurt hohe Start- und Landegebühren aufrufen, locken kleine Airports außerhalb der Metropolen die Billigflieger mit günstigen Preisen und schneller Abfertigung an.

Da natürlich kein Mensch auf dieser Welt eigentlich nach Hahn, Prestwick oder Memmingen möchte, war speziell Europas grösster Billigflieger Ryanair sehr kreativ und benannte die Airports im Nirgendwo einfach nach einer bekannten Stadt, die vom jeweiligen Flughafen mit Hilfe einer ein- bis zweistündigen Autofahrt erreichbar ist. So wurde aus Hahn im Hunsrück der Flughafen Frankfurt-Hahn (Entfernung 126 km), aus Prestwick wurde Glasgow-Prestwick (55 km) und aus Memmingen ganz einfach der Flughafen München-West (115 km Entfernung).

Deshalb dürfte die Freude bei den Chefs der vielen europäischen „Low-Cost-Airlines“ groß gewesen sein, als 2008 im bis dato touristisch wenig erschlossenen Georgien ein weiterer Flughafen eröffnete, der sogar speziell auf die Wünsche und Anforderungen von Ryanair und Co. ausgelegt wurde. Der Flughafen in der kleinen Ortschaft Kopitnari befindet sich gut 15 Kilometer ausserhalb der 135.000-Einwohner-Stadt Kutaisi und firmiert selbstverständlich auch unter dem Namen von Georgiens drittgrösster Stadt! Wichtigster (Billig-)Airline-Kunde in Kutaisi ist momentan der ungarische Osteuropa-Experte „Wizz Air“, welcher die Stadt mit insgesamt 32 zumeist europäischen Zielen verbindet.

Da der größte georgische Flughafen in der Hauptstadt Tiflis weiterhin eher das Business- und Linienflug-Segment bedient, gilt Kutaisi mit vielen Direkt-Routen (u.a. Barcelona, Paris oder auch Abu Dhabi) mittlerweile als touristisches Eingangstor des kaukasischen Landes!

Im Vergleich zum Urlaubsort Batumi war die Hauptstadt der Region Imeretien sicher ruhiger und vielleicht auch etwas ursprünglicher. Hauptsehenswürdigkeit ist die über der Stadt thronende Bagrati-Kathedrale mit dem dazugehörigen Kloster Gelati, welches von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde! Aber auch der grosse Agrar-Markt sowie der zentrale Kolchis-Brunnen wussten zu überzeugen! Leider war die etwas außerhalb der Stadt befindliche Klosteranlage in Gelati während meines Aufenthaltes vollständig eingerüstet, da momentan aufwändige Renovierungsarbeiten durchgeführt werden!

Generell merkt man Kutaisi an, dass sich die Stadt neu erfindet! Neben einer interessanten Gastroszene gilt dies vor allem für die vielen restaurierten Gebäude in der Altstadt!

Auch das weite Rund des örtlichen Fußballstadions wurde anlässlich der kurz zurückliegenden UEFA U21-Europameisterschaft einer Runderneuerung unterzogen. Das mit Ausnahme der Haupttribüne unüberdachte Stadion fasst 14.700 Zuschauer und trägt momentan den Namen des in Kutaisi geborenen Ramas Schengelia (1957 bis 2012). Der treffsichere Stürmer ist ohne Zweifel einer der besten georgischen Fußballer aller Zeiten. Schengelia gewann mit Dinamo Tiflis neben der sowjetischen (Gesamt-)Meisterschaft den Europapokal der Pokalsieger (1980/1981) und krönte sich zweimal mit dem Titel des sowjetischen Fußballer des Jahres!

Der heimische Platzhirsch FC Torpedo Kutaisi gilt als zweiterfolgreichster georgischer Fußballclub. Dies ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, dass man seit Unabhängigkeit des eurasischen Landes viermal die Meisterschaft gewinnen konnte, sondern neben Rekordmeister Dinamo Tiflis auch der einzige georgische Club war, der zu Sowjetzeiten mehr als zwei Spielzeiten im Oberhaus des Riesenreiches verbrachte. Da man hinter dem „Eisernen Vorhang“ allerdings immer wieder auf- und abstieg, wanderten viele talentierte Spieler wie der bereits angesprochene Schengelia früher oder später zum ewigen Rivalen nach Tiflis ab.

Vor dem 27. Spieltag der Saison 2023 besaß die Mannschaft des schottischen Cheftrainers Steve Kean nur noch theoretische Chancen auf die insgesamt sechste georgische Meisterschaft. Da sich zu diesem Zeitpunkt nur noch die beiden Europapokal-Qualifikations-Plätze der Crystalbet Erovnuli Liga in Schlagdistanz befanden, musste das Spiel gegen den mit satten 17 Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze stehenden FC Dinamo Batumi unbedingt gewonnen werden.

Vor gut 5.000 Zuschauern entwickelte sich ein attraktives und intensives Spiel. Der FC Torpedo hielt mit dem allgegenwärtigen Tabellenführer gut mit und hätte zur Halbzeit sogar führen können. Allerdings zeigte sich der ehemalige Torpedo-Akteur Roin Kvaskhvadze im Tor des FC Dinamo Batumi an diesem Tag unüberwindbar und vereitelte mit tollen Paraden die zwei hundertprozentigen Chancen der Gastgeber. In der zweiten Halbzeit zeigte der Tabellenführer aus Batumi, warum er dort steht wo er steht. Innerhalb von 25 Minuten schossen die Gäste, die nun weitaus abgeklärter und giftiger auftraten, einen letztlich völlig ungefährdeten und auch verdienten 3:0 (0:0)-Auswärtssieg heraus (Zaria 55., Flamarion 59., Gudushauri 81.).

Zum Abschluss bleibt die Frage zu klären, wem der Fußballclub aus Kutaisi seinen explosiv und brachial klingenden Vereinsnamen eigentlich zu verdanken hat? Am naheliegendsten wäre mit Sicherheit die Variante des vom U-Boot abgefeuerten Unterwassergeschoßes, welches bei Kontakt mit dem Ziel explodiert und so die torpedierende Aggressivität eines Fußballclubs perfekt dokumentiert. Aber auch die Assoziation mit einem Zitterrochen, kurz Torpedo-Fisch genannt, hätte für einen Fußballverein gut gepasst, da der Zitterrochen seine Opfer mit einem elektrischen Schlag recht kurz und knackig besiegt.

Dabei ist es am Ende sehr viel uninspirierter. In der Zeit des „Kalten Krieges“ gab es neben den völlig gegensätzlichen Systemen des Kapitalismus und des Kommunismus auch im Sport eine andere Herangehensweise bei der Gründung eines Sportvereines. Während Sportclubs in Westeuropa zumeist von Privatpersonen, der Allgemeinheit oder auch finanzkräftigen Mitmenschen ins Leben gerufen wurden, steckte im sowjetisch geprägten Osten Europas fast immer eine Institution, Behörde oder auch Firma hinter den Clubs. Als Musterbeispiele gelten hier sämtliche Vereine mit dem Zusatz „Dinamo/Dynamo“ (Verein der Sicherheitsbehörden), ZSKA (Armeesportclub) oder auch Lokomotive (Verein der Eisenbahngesellschaft).

Im Fall des 1946 von den örtlichen Fahrzeug- und Lkw-Werken gegründeten Fußballvereines aus Kutaisi steht das Wort „Torpedo“ für das pfeilschnelle Spiel einer Fußballmannschaft. Dies ergibt sich vermutlich aus der kurz vor dem 2. Weltkrieg eingestellten stromlinienförmigen Automobilbauart des „Torpedos“, welche gerade in der offenen Version sehr sportlich und dynamisch wirkte.

In meinen Social-Media-Accounts bei Instagram und Facebook findet Ihr wie gewohnt bewegte Story-Bilder und Fotos aus Kutaisi. Schaut doch einfach mal rein!

STAY TUNED…BLEIB AUF EMPFANG!