Ein Ausflug auf die gut 150 Kilometer von Reykjavik entfernte Inselgruppe der „Westmänner“ gestaltet sich in der bloßen Theorie äußerst einfach!

Die finanziell und strategisch günstigste Möglichkeit eines Transfers auf die südlich vorgelagerten Inseln findet man nach gut zwei Stunden Autofahrt in dem kleinen Ort Landeyjahöfn. Hier befindet sich das Hafenterminal der Fährgesellschaft „Herjólfur“, welche die isländische Hauptinsel mit der grössten Westmänner-Insel Heimaey innerhalb einer 40-minütigen Passage mehrmals täglich miteinander verbindet.

Wenn aus der Theorie allerdings Praxis wird, muss man in Island immer das durchaus unberechenbare Wetter im Auge behalten, das auch im Frühling und Sommer täglich einen ständig wechselnden Mix aus Sonnenschein, Sturm, Regen und Nebel bereithält. Bei hohem Wellengang und stürmischem Wetter stellt der Fährbetreiber seine Verbindung zwar nicht ein, reduziert das Angebot allerdings auf eine einzige Verbindung pro Tag und kann damit einen minutiös geplanten Aufenthalt nachhaltig verändern. Zudem steuert die Fähre dann mit Thorlakshöfn einen völlig anderen Zielhafen an, da der bereits angesprochene Hafen in Landeyjahöfn aufgrund seiner Lage erhebliche Probleme mit Sand- und Schlammablagerungen besitzt und insbesondere bei Sturm nicht für die ankommenden Fähren ausgebaggert werden kann.

Aufgrund dieser Thematik und der durchwachsenen Wetterprognose entschied ich mich kurzfristig für die kostenpflichtige Mitnahme meines Mietwagens auf Fähre und die Westmänner-Inseln. Schließlich wäre der logistische Aufwand zu hoch gewesen, wenn ich meinen Mietwagen als Fußpassagier in Landeyjahöfn abgestellt und diesen bei einer möglichen Rückkehr ins gut 110 Kilometer entfernte Thorlakshöfn nie wieder gesehen hätte!

Die elektrisch betriebene Auto-Fähre auf die Westmänner-Inseln

Die „Vestmannaeyjar“, so heißen die Inseln auf isländisch, bestehen zum überwiegenden Teil aus unbewohnten oder schwach besiedelten Felsen und Schären! Eine Ausnahme bildet hier die Hauptinsel Heimaey, die sich trotz ihrer stark überschaubaren Größe von nur 13,4 Quadratkilometern in Sachen Infrastruktur überhaupt nicht vom isländischen Festland unterscheidet und ihren 4414 Einwohnern eine vergleichsweise hohe Lebensqualität schenkt. Hier punktet die Vulkaninsel vor allem mit der unfassbaren Schönheit der Natur und einer vielfältigen Tierwelt mit Puffins, Pferden und Schafen.

Mit soviel frischer Atlantikluft in der Nase dürfte es nicht verwunderlich sein, dass die Einwohner der „Westmänner“ sehr sportliche Menschen sind. Mit dem Íþróttabandalag Vestmannaeyja, in Kurzform IBV, gibt es auf der Insel einen globalen Sportverein, der neben vielen Breitensport-Arten punktuell auch im Profi- bzw. Leistungssport tätig ist.

Dies bezieht sich in erster Linie auf die in Island sehr populären Ballsportarten Handball und Fußball. Bei Betrachtung der IBV-Medien fällt auf, dass in Island die gesellschaftliche Gleichberechtigung etwas stärker ausgeprägt zu sein scheint, als in unseren mitteleuropäischen Breitengraden. In den genannten Ballsportarten verfügt der Club über Frauen- und Männermannschaften, die in ihrer jeweiligen Sportart allesamt erstklassig spielen und in Sachen Social-Media und Zuschauerinteresse eine Gleichberechtigung erfahren, von der wir in Deutschland vermutlich noch weit entfernt sind.

Die vor 120 Jahren gegründete IBV-Männer-Fußballabteilung kann sich mit insgesamt fünf Pokalsiegen (zuletzt 2017) und drei isländischen Meisterschaften (zuletzt 1998) mehr als zaghaft auf die Schulter klopfen. Zu den nationalen Erfolgen gesellen sich 38 Europapokal-Auftritte, welche über einen Zeitraum von 54 Jahren aber fast immer mit einer Niederlage endeten. Nur die Iren von St Patrick’s Athletic dürften noch heute schweissgebadet aufwachen, wenn sie an die beiden Niederlagen gegen ÍBV in zwei aufeinanderfolgenden Spielzeiten (2011 und 2012) denken.

Die schillerndste Fußball-Persönlichkeit, die je das IBV-Trikot trug, gleichzeitig aber so gar nicht auf diese kleine Insel im Nordatlantik passte, war definitiv der ehemalige englische Nationaltorhüter David James. Nach Stationen bei Manchester City, Liverpool oder West Ham United wechselte er in der Saison 2013 mit 53 Länderspielen und unglaublichen 572 Premier League-Spielen im Gepäck zu IBV nach Island. Vielleicht wollte der als „Calamity-James“, also „Unglücks-James“ verschriene Torhüter im zarten Alter von 42 Jahren einfach nochmal in Ruhe Fussball spielen!

In der aktuellen Spielrunde hat die IBV-Mannschaft in der Liga so ihre Problemchen. Trotz ordentlicher Leistungen stand man nach neun Saisonspielen mit dürftigen sechs Punkten nur auf dem 12. und damit letzten Platz der Besta Deildin. Deshalb musste im Heimspiel gegen Aufsteiger HK Kopavogur ganz dringend ein Heimsieg her.

Bevor auf Heimaey der Ball rollen sollte, muss das IBV-Stadion „Hasteinsvöllur“ ausreichend gewürdigt werden. Das Stadion wurde aufgrund seiner landschaftlich wertvollen Lage von der englischen BBC im Jahr 2017 in die „Top Ten“ der weltweit schönsten Stadien gewählt. Ich denke, die Briten hatten bei dieser Einschätzung absolut recht. Obwohl das „Hasteinsvöllur“ am Ende des Tages nur ein gut gepflegter Naturrasenplatz mit zwei schnuckligen Tribünen ist, wird man von dieser fußballromantischen Kulisse erschlagen und hat fortwährend kleine Fußballherzen in den Augen. Deshalb macht es viel mehr Sinn, sich einfach die Fotos zum Stadion anzuschauen, bevor ich hier noch irgendwas beschreibe.

Bei Anpfiff der Partie war ich jedenfalls glücklich, dass ich genug Fotos von der Szenerie am Stadion machen konnte, da das Wetter auf Heimaey wieder einmal umschlug und die gesamte Insel völlig unvermittelt in Wolken und dichten Nebel hüllte. Was für das Spiel sicher kontraproduktiv war, bestätigte mich nachträglich für meine (Bauch-)Entscheidung in Sachen Anreise. Die wäre nämlich auch mit einem 25-minütigen Turboprop-Flug aus Reykjavik möglich gewesen, hätte bei diesen widrigen Wetter-Bedingungen aber mit Sicherheit dafür gesorgt, dass der Flugzeug-Kaffee beim Landeanflug den eher unbeliebten Batik-Look auf meinem T-Shirt verursacht hätte. Falls wir bei der „Suppe“ denn überhaupt gestartet bzw. auf den Westmänner-Inseln gelandet wären!

Mit den schwierigen Sicht-und Wetterverhältnissen kamen die IBV-Insulaner vor 402 Zuschauern weitaus besser zurecht. Durch Tore von Hjaltested (7.), Kjartansson (45.) und Fridriksson (50.) schoß man sich den Frust der letzten Wochen beeindruckend von der Seele und schickte komplett überforderte Gäste mit 3:0 (2:0) zurück in die Hauptstadtregion. Ein schöner Erfolg für den sympathischen Trainer Hermann Hreidarsson (48), der nicht nur 89 Länderspiele für Island absolvierte, sondern auch eine ordentliche Karriere in der englischen Premier League (u.a. Charlton Athletic, Portsmouth) hinlegte.

Auch beim bereits angesprochenen 0:0-Unentschieden der deutschen Nationalmannschaft auf Island und Rudi Völlers anschießendem drei Weizenbier-Wut-Interview stand der „Herminator“ auf dem Platz!

Das war mein kurzer Aufenthalt auf der Westmänner-Insel Heimaey, einem der kleinsten und entlegensten Erstliga-Spielorte Europas. Bevor es mit der Fähre zurück auf das isländische Festland ging, musste der auf der Insel befindliche Vulkan „Eldfell“ bezwungen werden. Der 200 Meter hohe Vulkan brach zuletzt im Jahr 1973 aus und sorgte für die größte Evakuierungs-Operation in der Geschichte Islands. Vom „Eldfell“ hat man den perfekten Panorama-Blick über die gesamte Insel und den zweiten Vulkan-Berg „Helgafell“, welcher mit 227 Metern sogar noch etwas höher ist.

Der letzte Blick über Heimaey zauberte mir jedenfalls ein Lied in die Ohren, das so ziemlich jedes deutschsprachige Kind kennt und meinen Aufenthalt auf der kleinen Insel perfekt beschreibt…“Eine Insel mit zwei Bergen und dem tiefen weiten Meer“ steht für die fiktive Insel Lummerland, auf welcher Jim Knopf mit Lukas, dem Lokomotivführer in der Lok „Emma“ seine Runden drehte. Das Kinderbuch von Michael Ende wurde durch die Verfilmung mit der Augsburger Puppenkiste weltbekannt.

Auch wenn es im Vergleich mit „Lummerland“ auf den Westmänner-Inseln „keine Tunnels und Geleise“ und schon gar keine Eisenbahn gibt, muss man bei einem Besuch von Vestmannaeyjar unweigerlich an die königliche Insel von Herrscher „Alfons dem Viertel-Vor-Zwölften“ denken! Deshalb wäre ein Test-Spiel des FC Augsburg auf den „Westmännern“ vermutlich mehr als nur ein Marketing-Gag. So würde das angesprochene Lied, das die Augsburger seit Jahren als Torhymne abspielen mal so richtig wirken!

Danke fürs Lesen des Blogs, der von den Westmänner-Inseln ausnahmsweise mal wieder ein wenig länger ausgefallen ist. Die passenden Fotos vom Fußball und der Natur sowie viele bewegte Story-Bilder findet Ihr wie gehabt in meinen sozialen Netzwerken bei Facebook und Instagram. Lasst mir gerne ein „Like“ da, natürlich auch nur dann, wenn es wirklich gefällt!

STAY TUNED…BLEIBT AM BALL!