Die absolute Hauptattraktion des dänischen Jütlandes kann man relativ schnell identifizieren, wenn man mit dem Flugzeug anreist. Nach Ankunft auf dem internationalen Flughafen der 28.000-Einwohner-Gemeinde Billund fragt man sich tatsächlich, warum in der „Mitte von Nirgendwo“ ein Flughafen steht, der mit einem Passagieraufkommen von jährlich fast 4 Millionen Fluggästen als zweitgrößter Airport Dänemarks gilt und damit das ultimative Zugangsportal ins Jütland darstellt.

Möglicherweise würde der Airport mit dem Kürzel „BLL“ in der Gegenwart ein völlig unscheinbares Dasein als Regionalflughafen für Privat- und Segelflieger fristen, wenn der ortsansässige Tischlermeister Ole Kirk Christiansen im Jahr 1932 nicht eine bahnbrechende Idee gehabt hätte.

Mit der Herstellung von Holzspielzeug begann für seine eigens gegründete Firma „LEGO“, zu Deutsch „spiel gut“, ein weltweiter Siegeszug. Mittlerweile gehört der Lego-Konzern mit einem jährlichen Umsatz von fast sechs Milliarden Euro zu den drei größten Spielwarenherstellern der Welt. Trotz der Entwicklung zu einem internationalen Unternehmen mit fast 1000 eigenen Geschäften weltweit ist sich die Firma Lego ihrer Herkunft bewusst und betreibt in der dänischen Heimatstadt Billund mit dem Freizeitpark „Legoland“ und dem sogenannten „House of Lego“ zwei Einrichtungen, die jährlich von gut 2 Millionen kleinen und vor allem großen Lego-Fans besucht werden.

Auch die Arbeitsweise des sportlich erfolgreichsten Fußballclubs des Jütlandes, dem FC Midtjylland, kann man hervorragend mit den allseits beliebten Legosteinen beschreiben. Man stelle sich eine riesengroße Kiste mit tausenden bunten Legosteinen vor, aus der wir allerdings nur einen speziellen blauen Legostein mit zwei Noppen benötigen. Während wir die Kiste mit der Hand möglicherweise stundenlang durchwühlen müssen und bei ausbleibendem Erfolg entnervt aufgeben, wird die sogenannte „Nadel im Heuhaufen“ durch den FCM mit Hilfe einer speziellen Computersoftware schnell und effizient lokalisiert.

Um diesen Vergleich in die Realität zurückzuführen, tauschen wir die die bunten Legosteine lediglich gegen professionelle Fußballspieler. Da in der heutigen Zeit so ziemlich jeder Club auf der Suche nach dem ablösefreien Superprofi mit 20-Tore-Garantie und wahnwitziger Steigerung des Wiederverkaufswertes ist, bedient sich der FC Midtjylland einer Methode, die in Fachkreisen als „Moneyball“ bekannt ist und in diesem Blog schon mehrfach behandelt wurde.

Hierbei handelt es sich um die sagenumwobene Software des Londoner Unternehmens „SmartOdds“, mit welcher der gewünschte Spielertyp -laienhaft ausgedrückt- im Rahmen einer eingehenden Datenanalyse und dem Vergleich aller Statistikdaten ausgewählt wird. Deshalb kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Transfers, die man als Außenstehender nicht ganz nachvollziehen konnte. Als Musterbeispiele gelten hier die Wechsel der deutschen Zweitligakicker Tim Sparv, Luca Pfeiffer oder Dominick Drexler, die alle durchaus überraschend in die dänische Belletage wechselten. Die mutigen Transfers generierten dem Club in erster Linie eine Steigerung der Transfererlöse beim Weiterverkauf der Spieler, bestätigten allerdings auch, dass die komplexe Software nicht bei allen richtig lag.

Wie aber kommt ein vergleichsweise kleiner Verein wie der FC Midtjylland an solch einen heiligen Gral der Computersoftware? Dies lag an Besitzer Matthew Benham, der als studierter Physiker mit mathematisch errechneten Sportwetten zum Multimillionär avancierte und das zuvor genutzte Datenmodell auf das analytische Spielerscouting ausweitete. Als Besitzer des englischen Premier League-Clubs Brentford FC, der das „Moneyball“-System ebenfalls seit Jahren erfolgreich umsetzt, integrierte der Oxford-Absolvent den FC Midtjylland im Jahr 2014 in sein geschäftliches Portfolio.

Mit den Ideen und dem Geld Benhams wurde aus dem FC Midtjylland ein Verein, der die Vorherrschaft der Kopenhagener Clubs endgültig beendete. Seit 2014 konnte der Club aus der Mitte Jütlands insgesamt vier dänische Meisterschaften (zuletzt 2023/2024) und zwei Pokalsiege feiern. Dazu gesellen sich regelmäßige Auftritte in den Gruppenphasen der UEFA Europa League sowie der europäischen Königsklasse, welche dem dänischen Liga-Fußball wichtige Punkte in der UEFA-Fünfjahreswertung schenken. Momentan befindet sich die dänische Superliga zwar nur auf einem durchschnittlichen 16. Rang, konnte aber im Vergleich zum Vorjahr einen Platz gut machen.

Auch in der laufenden Saison finden sich im Kader der „Wölfe“ neben arrivierten Profis wie dem ehemaligen Wolfsburger Kevin Mbabu viele interessante Spieler, die vermutlich aufgrund der Computer-Software in Dänemark landeten. Bestes Beispiel ist der erst 20-jährige Stürmer Franculino, den der Club ablösefrei aus der U23 des portugiesischen Spitzenclubs SL Benfica verpflichtete. Nach 10 Toren in 23 Spielen besitzt der frisch gebackene Nationalspieler Guinea-Bissaus aus dem Stand einen Marktwert von 10 Millionen Euro und wird dem FCM auch auf dem Vereinskonto noch viel Freude bereiten.

Wie lange das Moneyball-System in Dänemark noch funktioniert wird man sehen. Mittlerweile gab Besitzer Benham seine Anteile vollständig an den dänischen Milliardär Anders Povlsen ab, der als Inhaber der Modemarke „Bestseller“ (Jack & Jones, Only und Vero Moda) mit bedeutenden Anteilen bei Unternehmen wie Zalando und Klarna genug Geld haben dürfte, um sich einen erfolgreichen Fußballclub zu leisten.

Am 14. Spieltag der 3F Superliga 2024/2025 kam es zu einer Art Generationenduell. Hier traf der amtierende Meister und Tabellenführer FC Midtjylland auf den dänischen Arbeiter- und Hauptstadtclub Brøndby IF, der in den letzten zehn Jahren nur eine Meisterschaft nach Hause bringen konnte. Trotz der ausbaufähigen sportlichen Bilanz zieht Brondby immer noch die Massen ins Stadion. Zum Duell zwischen Spitzenreiter und dem Tabellensechsten war die MCH-Arena in Midtjyllands Heimatstadt, der 50.000-Einwohner-Gemeinde Herning, mit 11.358 Zuschauern komplett ausverkauft.

Ein Blick auf die Pressetribüne offenbarte, dass man gegenüber dem herkömmlichen „analogen“ Spielerscouting auch in Herning immer noch aufgeschlossen ist. Davon zeugten die gut sichtbar aufgestellten Platzkarten von Vereinen wie dem 1. FC Union Berlin, West Ham United oder Bologna, die offensichtlich jemand im Auge hatten. Falls sich die angereisten Scouts an diesem Tag in erster Linie für Spieler des heimischen Meisters interessierten, dürften sie sich am Ende mit Sicherheit noch den einen oder anderen neuen Namen notiert haben.

In einem völlig irren Spiel unterlagen die über weite Strecken drückend überlegenen Gastgeber aus Midtjylland dem klug konternden Gast aus Kopenhagen fast schon sensationell mit 1:5 (1:1). Besonders auffällig waren hierbei der dreifache Torschütze Mathias Kvistgaarden (22) sowie der japanische Nationalspieler Yuito Suzuki (23), der an diesem Tag zwei Tore erzielen konnte. Bei beiden Spielern wäre es nicht besonders verwunderlich, wenn man sie in Kürze in einem der scoutenden Clubs in Aktion sehen würde.

Das war ein Wochenende in Dänemark…gerne mal wieder! Weitere Eindrücke und bewegte Story-Bilder aus Horsens, Haderslev und Herning findet Ihr selbstverständlich in meinen Social-Media-Accounts bei Instagram und Facebook! Würde mich freuen, wenn Ihr mal reinschaut!

STAY TUNED…BLEIBT AUF EMPFANG