Mit der Gründung meiner Webseite schnellte auch die Anzahl meiner Flugstunden rapide in die Höhe. Dies liegt in der Natur der Sache, wenn man relativ wenig Zeit besitzt und trotzdem Fußballspiele „all over the world“ besuchen möchte. Hierfür ist eine Anreise mit dem Flugzeug in den meisten Fällen alternativlos.

Für den letzten Spieltag der Gruppenphase in der UEFA Europa-League 2017/2018 wollte ich einmal „lokal“ bleiben. Heißt im Prinzip nichts anderes, als einen unserer drei deutschen Vertreter im Wettbewerb unter die Lupe zu nehmen. Zur Auswahl standen die Bundesliga-Mannschaften aus Hoffenheim, Köln und der deutschen Hauptstadt Berlin. Obwohl eine Anreise ins 80 km entfernte Köln vermutlich am kostengünstigsten gewesen wäre, entschied ich mich für die berühmte Berliner Luft! Na gut, bei einer Entfernung von gut 500 km vielleicht nicht ganz lokal, aber eine gute Gelegenheit, nach langer Zeit mal wieder unsere Hauptstadt zu besuchen!

Für die Anreise wählte ich diesmal den Intercity-Express (ICE) der Deutschen Bahn AG, welcher das Ruhrgebiet mit dem Berliner Hauptbahnhof in 3 1/2 Stunden verbindet. Im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln wie dem Auto oder dem sonst bevorzugten Flugzeug die vermeintlich schnellste, einfachste und komfortabelste Möglichkeit für eine Reise nach Berlin. Sicher ist das Flugzeug bei einer Flugzeit von knapp unter einer Stunde auf den ersten Blick schneller, aber niemand gibt dir die Zeit für eine Anreise zum Flughafen Düsseldorf mit der Wartezeit im Terminal wieder. Von einer Pkw-Reise auf der chronisch überfüllten Autobahn A2 möchte ich gar nicht reden!

Nach einer wirklich angenehmen Zugfahrt erreichte ich am frühen Nachmittag ohne die eigentlich erwartete Verspätung mein Ziel. Der Berliner Hauptbahnhof ist vielleicht die erste große Sehenswürdigkeit, die man als Tourist gesehen haben sollte. Ein unfassbar moderner, gepflegter und wuchtiger Verkehrsknotenpunkt, der keinen lokalen oder fernen (Reise-)wunsch offen lässt. Man könnte sich glatt wünschen, dass die anderen bundesdeutschen Hauptbahnhöfe in Bezug auf Sauberkeit und Service auch nur ein kleines Stück des Berliner Kuchens abbekommen würden.

Vom Bahnhof ging es direkt zu meinem Hotel nahe des weltbekannten Kurfürstendamms. Ich hatte, wie bereits in der Überschrift angekündigt, nur 24 Stunden für mein Programm in Berlin. Deshalb ging es nach dem Check-In auch direkt zu den umliegenden Sehenswürdigkeiten im „alten“ (West-) Berlin!

Der Kurfürstendamm, umgangssprachlich Ku’damm genannt, war vor der deutschen Wiedervereinigung der Hotspot West-Berlins. Obwohl sich die Hauptstadt nach der Wiedervereinigung in rasender Geschwindigkeit weiterentwickelt hat und mittlerweile über eine Vielzahl von Shopping-Möglichkeiten verfügt (diverse „Malls“ und der angesagte Bezirk Berlin-Mitte), bleibt der Ku’damm eine mondäne Einkaufsmeile mit ganz viel Charme. Gerade als Kind der 70er nimmt man diesen Bereich als das Berlin wahr, welches man zu Zeiten der Teilung als Jugendlicher erstmals kennengelernt hat und mit welchem man vermutlich die meisten Erinnerungen verbindet. Deshalb wirkt dieser Bereich rund um den Breitscheidplatz mit der Gedächtniskirche, dem Bahnhof Zoo und dem Konsumtempel KaDeWe (Kaufhaus des Westens) wie das Zentrum der Stadt, obwohl dies nachweislich mittlerweile in Richtung Osten „abgewandert“ ist.

Nach einer kleinen Stärkung mit der äußerst schmackhaften Berliner Currywurst ging es in Richtung Olympiastadion. Am 6. und letzten Spieltag der Gruppenphase in der UEFA Europa-League 2017/2018 kam es zum Aufeinandertreffen zwischen dem Hauptstadtclub Hertha BSC und dem schwedischen Underdog Östersunds FK. Zumindest war das mein Stand, als ich Mitte September meine Reiseplanungen durchführte. Denn die (Tabellen-)Realität sah vor dem letzten Spieltag tatsächlich ganz anders aus.

In den vorherigen fünf Spielen der Gruppe J überraschte die Mannschaft aus der 50.000-Einwohner-Kleinstadt in Mittelschweden, indem sie gegen ihre Gruppengegner Athletic Bilbao, Sorja Luhansk und Hertha BSC insgesamt 10 Punkte holte und vor dem letzten Spieltag bereits für die Zwischenrunde qualifiziert war. Ganz im Gegensatz zum deutschen Bundesligisten, der sich ganz und gar nicht mit Ruhm bekleckerte und vor dem Spiel gegen die Schweden bereits aus der Europa-League ausgeschieden war.

Trotz der fehlenden Vorzeichen für einen stimmungsvollen und rauschenden Europapokalabend entwickelte ich eine große Vorfreude auf das Spiel. Das lag in erster Linie an dem zu besuchenden Stadion. Das Berliner Olympiastadion, erbaut für die olympischen Spiele im Jahr 1936, ist so etwas wie das deutsche Wembley-Stadion. Das Stadion im Berliner Stadtteil Westend, war nicht nur Schauplatz des FIFA WM-Finalspiels von 2006, sondern richtet seit 1985 alljährlich das Endspiel im DFB-Vereinspokal aus. Für mich persönlich eine emotionale Rückkehr, mein erstes Spiel im Berliner Olympiastadion war tatsächlich das DFB-Pokalfinale von 1988, als mein VfL Bochum 1848 durch ein spätes Tor von Lajos Detari (81.) der Frankfurter Eintracht unterlag. Ich war gerade 14 Jahre alt und heulte den ganzen Abend.

Nach meiner Ankunft an der U-Bahnhaltestelle des Olympiastadions hieß das Motto zunächst „Stell Dir vor, es ist Europapokal und keiner geht hin“! Eine gespenstische Leere rund um das Stadion vermittelte zumindest bis zum Eintreffen am Stadionvorplatz den Eindruck, dass die alte Dame aus Berlin lediglich trainieren würde! Hier wurde es zuschauertechnisch zwar nicht wirklich besser, dennoch vermittelte die große Anzahl von Ordnern den Eindruck, dass „etwas stattfinden würde“. 

Dass es zu Beginn des Spiels dann doch wenigstens 15.686 Zuschauer im weiten Rund des riesigen Olympiastadions wurden, lag auch an den reiselustigen Schweden, die sich mit ca. 1200 Schlachtenbummlern auf die 1700 km lange Reise nach Berlin machten! Zudem eine skurrile Vorstellung, dass an diesem Abend die Bevölkerung des gesamten schwedischen Ortes in das Stadion gepasst hätte!

Auch im Spiel zeigte die schwedische Mannschaft, dass sie zu Recht die Tabelle der Gruppe J anführte. Eine unerwartet abgeklärte und souveräne Leistung der Mannschaft des englischen Trainers Graham Potter, die mit Ausnahme von ein paar schwachen Minuten in der ersten Halbzeit, sehr abgeklärt und beweglich wirkte!

Deshalb ging man trotz optischer Hertha-Überlegenheit auch nicht ganz unverdient durch Innenverteidiger Papagiannopoulos in Führung (58.). Da Hertha-Kapitän Pekarik nur drei Minuten später nach schönem Zuspiel von Mittelstädt ausgleichen konnte, waren wir in Sachen „Tore“ frühzeitig durch!

Trotzdem hatte das Spiel noch einen Höhepunkt für die Zuschauer parat. Nach Foulspiel an Stürmer Sema entschied der portugiesische Schiedsrichter Tiago Bruno Lopes Martins auf Elfmeter (86.)! Das anschließende Duell zwischen Östersunds-Kapitän Nouri und Jonathan Klinsmann gewann der Torhüter souverän! Klinsmann?? Ja, auch ich habe mal wieder gemerkt, wie alt man wird! Im Tor stand erstmals der 20jährige Sohn von Jürgen Klinsmann, der seine Sache richtig gut machte…das nennt man wohl perfektes Debüt!

So blieb es im Spiel um die goldene Ananas am Ende bei einem gerechten 1:1-Unentschieden und der Erkenntnis, dass die von Frank Zander gesungene Hertha-Hymne „Nur nach Hause (gehn wir nicht)“  eher an einem schönen Sommerabend mit Erfolgserlebnis so richtig brennt!

In Bezug auf das Spiel möchte ich abschließend noch ein Wort zur interessanten Multikulti-Truppe aus Östersund verlieren! Eine Truppe mit mehr oder weniger unbekanntem englischen Trainer, zwei englischen Spielern aus unterklassigen britischen Ligen und ein Kader mit Spielern aus 12 unterschiedlichen Nationen, die mittlerweile aber auch alle die schwedische Nationalität besitzen. So rockt man als Underdog die UEFA Europa-League!!

Nach einer kurzen Nacht ging es am nächsten Tag mit meinem Sightseeing-Programm weiter. Dank eines Tagestickets für S-und U-Bahn war ich fürchterlich mobil und somit in der Lage, die ganze Stadt zu erkunden. Das Ticket hätte ich unter Umständen gar nicht wirklich gebraucht, da viele Sehenswürdigkeiten in Laufdistanz liegen und ich an diesem Tag auch Lust hatte, mich ein wenig zu bewegen.

So ging es nach dem Check-Out im Hotel zunächst einmal mit der U-Bahn-Linie U55 vom Berliner Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor. Die sogenannte „Kanzler“-U-Bahn ist zur Zeit noch eine der vielleicht skurrilsten und auch kürzesten U-Bahn-Linien der Welt. Auf einer Strecke von insgesamt 1,8 km (Fahrzeit 2 1/2 Minuten) verkehrt ein alter Kurzwagen der Berliner Verkehrs-Betriebe im 10-Minuten-Takt. Dort gibt es mit den Haltestellen Hauptbahnhof, Bundestag und Brandenburger Tor insgesamt nur drei Stationen, die auch nach knapp 9 Jahren Betrieb immer noch unbenutzt und neuwertig aussehen. Dies liegt möglicherweise an der geringen Auslastung der U-Bahn, die Bahnhöfe wirken teilweise wie ausgestorben. Vielleicht ändert sich dieser Zustand, wenn die Linie in der Zukunft in Richtung Alexanderplatz verlängert wird.

Nach meiner Ankunft am Brandenburger Tor war dann „Business as usual“ angesagt. In den wenigen Stunden wollte ich die Standards für einen Berlin-Besuch erfüllen. Hier führte mich mein Spaziergang vom Holocaust-Denkmal über den Reichstag, das Bundeskanzleramt, der Siegessäule mit ihren 285 schweißtreibenden Stufen bis zum Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, das Schloss Bellevue im Berliner Tiergarten.

Irgendwie viel Programm für einen Tag, aber immer noch nicht genug! Vom Tiergarten ging es mit der S-Bahn direkt in den Ostteil der Stadt mit dem Besuch des Alexanderplatzes und der beeindruckenden East-Side-Gallery (ein Stück der alten Berliner Mauer). Am Ende des Tages zeigte meine Fitness-App auf dem Handy eine zurückgelegte Wegstrecke von 17 km an, gar nicht schlecht, dachte ich mir.

Kurz vor meiner Abfahrt blieb noch ein wenig Zeit für einen Kaffee in Berlin-Mitte und den Besuch des „Checkpoint Charlie“. Hier bleiben mir zwei Dinge in Erinnerung. Beim Kauf eines Magneten für den Kühlschrank sprach mich der Mitarbeiter des Ladens in Englisch an. Ich erwiderte, dass er ruhig Deutsch mit mir reden könne. Er schaute hoch, lachte und schrie „Leute, hier ist tatsächlich mal ein Deutscher!“. Ich denke, diese Situation beschreibt ganz gut, wie „angesagt“ Berlin mittlerweile bei Touristen aus dem Ausland ist. Den zweiten erinnerungswürdigen Punkt am Checkpoint Charlie stellten die guten alten rumänischen Hütchenspieler dar. Es gibt sie also endlich wieder, nach Jahren der Abwesenheit irgendwie eine Renaissance. Ob die Leute tatsächlich noch drauf reinfallen, kann ich leider nicht sagen!

Nach Eintreffen am Hauptbahnhof durfte ich die schillernde Welt der Deutschen Bahn erleben. Ich platzte nämlich in die große Eröffnungsfeier anlässlich der ICE-Streckenöffnung Berlin-München herein. Ein absolutes Erlebnis inklusive Treff des Formel 1-Weltmeisters und DB-Werbefigur Nico Rosberg. Als mein ICE in Richtung Ruhrgebiet dann auch noch pünktlich einfuhr, ging mir das gute alte Franz-Beckenbauer-Motto „Ja, is denn heut scho Weihnacht?“ durch den Kopf. Bis zum Bahnhof Hannover-Nord sollte die gute Stimmung in der Folge anhalten. Dort musste der ICE aufgrund einer Weichenstörung langweilige 50 Minuten halten. Hätte mich auch gewundert…..

Das war Berlin in 24 Stunden! Danke fürs Lesen, bleibt auf Empfang!