Getreu dem Sportfreunde Stiller-Motto „54, 74, 90, 2006“ ist eine Fußball-Weltmeisterschaft für Nationalmannschaften gerade in Deutschland immer etwas besonderes. Dies liegt vermutlich daran, dass die deutsche Nationalmannschaft in der jüngeren Vergangenheit sehr erfolgreich war und ihren Fans somit vier wunderschöne und feierreiche Wochen im Sommer garantieren konnte. Bei einer Fußball-Weltmeisterschaft ist ganz Fußball-Deutschland elektrisiert, es gibt Fanmeilen und Public-Viewing-Veranstaltungen in nahezu jeder Stadt. Dazu kann man immer wieder beobachten, dass auch (Club-)Fußballuninteressierte plötzlich umfangreiches Detailwissen vorgaukeln und ernsthaft über die taktische Ausrichtung bzw. richtige Aufstellung der „Mannschaft“ gegen Costa Rica referieren möchten. Zusammenfassend kann man also festhalten, dass ein 4wöchiges WM-Turnier für echte Fußballfans durchaus als Tortur beschrieben werden kann, da das eigentliche Spiel dem Event-Charakter mittlerweile untergeordnet ist.
Gerade in der normalen Saison fragen sich viele eingefleischte Fans, wo sich diese „Teilzeit-Fans“ denn befinden, wenn der eigene Verein im Winter bei -3 Grad Celsius das 3. Heimspiel in Folge verloren hat? Ist es während einer WM nicht sehr nervig, wenn uns RTL-Mittagsfee Katja Burkard, angemalt in Schwarz-Rot-Gold, mit ihrem bezaubernden Sprachfehler und aufgesetzter Begeisterung etwas von „toller Fankultur“ erzählen möchte? Und ist es wirklich nötig, sich mit 10.000 anderen Mitmenschen auf einem öffentlichen Platz einpferchen zu lassen, um ein Fußballspiel angetrunken auf einer Großleinwand zu schauen? Fragen über Fragen, die letztendlich jeder für sich selbst beantworten muss. Ich hatte jedenfalls großes Interesse an einer alternativen Fußball-Weltmeisterschaft „ohne diesen Mist“!
Im Dezember 2017 ging es für mich zu einer Fußball-Weltmeisterschaft, über die in Fußball-Deutschland maximal in den bekannten und einschlägigen Fußball-Fachmagazinen berichtet wurde. Eine Weltmeisterschaft für Vereinsmannschaften, die FIFA Klub Weltmeisterschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten!
Bei dem Turnier handelt es sich um den Nachfolger des bis zum Jahr 2004 ausgetragenen Weltpokal-Endspiels, welches lediglich dem südamerikanischen und europäischen Gewinner des jeweiligen Landesmeister-Pokalwettbewerbes vorbehalten war.
Mit der erstmaligen Austragung der Klub Weltmeisterschaft im Jahr 2005 in Japan „öffnete“ die FIFA den Wettstreit um den Weltpokal für alle Kontinentalsieger der jeweiligen Landesmeister-Pokalwettbewerbe. Das Turnier findet traditionell im Dezember statt, da manche Wettbewerbe aufgrund der dortigen Kalenderjahr-Saison erst im Oktober und November beendet sind. Bislang konnte mit dem FC Bayern München nur eine deutsche Mannschaft das Turnier gewinnen. Im Jahr 2013 gab es einen 1:0-Endspielsieg gegen den afrikanischen Vertreter Raja Casablanca.
Das aktuelle Turnier im Dezember 2017 fand an zwei Spielorten in den Emiraten statt. Hierbei handelte es sich um die Hauptstadt Abu Dhabi sowie die Wüsten- und Oasenstadt Al Ain, nahe der Grenze zum Nachbarstaat Oman. An dem Turnier nahmen die sechs Kontinental-Gewinner der Landesmeister-Pokalwettbewerbe sowie der amtierende Meister des Gastgeberlandes teil. Hierbei handelte es sich um die Teams Real Madrid CF (spanischer Gewinner der UEFA Champions League 2016/2017, Europa), Gremio Porto Alegre (brasilianischer Gewinner der CONMEBOL Copa Libertadores 2017, Südamerika), CF Pachuca (mexikanischer Gewinner der CONCACAF Champions League 2016/2017, Nord- und Mittelamerika), Urawa Red Diamonds (japanischer Gewinner der AFC Champions League 2017, Asien), Wydad AC Casablanca (marokkanischer Gewinner der CAF Champions League 2017, Afrika), Auckland City FC (neuseeländischer Gewinner der OFC Champions League 2017, Ozeanien) und Al Jazira FC Abu Dhabi (einheimischer Meister der Arabian Golf League UAE 2016/2017).
Das Turnier wird im KO-Modus ausgetragen und beginnt zunächst mit einem „Qualifikationsspiel“ zum Viertelfinale. Hier traf der gastgebende Verein Al Jazira FC noch vor meiner Anreise auf den Club aus dem Mitgliedsverband mit dem niedrigsten FIFA-Koeffizienten. Dass es sich hierbei um den ozeanischen OFC-Vertreter Auckland City FC handelte, dürfte niemand sonderlich überraschen. In dem Spiel setzte sich der Gastgeber trotz einer drückenden Überlegenheit des OFC-Clubs mit 1:0 durch und erreichte etwas überraschend das Viertelfinale. Im Viertelfinale kam es dann zu den Duellen zwischen CF Pachuca und Wydad Casablanca sowie Al Jazira und den Urawa Red Diamonds. Beide Spiele endeten ebenfalls mit dem knappsten aller Ergebnisse (1:0). Während dieser Spielausgang im ersten Spiel zwischen den Mexikanern und dem Team aus Marokko so erwartet werden konnte, war das Ergebnis im zweiten Spiel eine weitere faustdicke Überraschung. Den Gastgebern aus Abu Dhabi gelang es erneut, das Spiel trotz einer drückenden Überlegenheit des Gegners zu gewinnen und in das Halbfinale vorzudringen! Bei dem Erfolg des einheimischen Außenseiters standen zwei Spieler im Scheinwerferlicht: Ali Khaseif und Romario Ricardo da Silva, kurz „Romarinho“, mehr dazu im weiteren Verlauf meiner Blogs aus den VAE.
Für mich ging es pünktlich zum Halbfinale in Richtung Vereinigte Arabische Emirate. Insgesamt standen vor Ort fünf Spiele auf dem Programm (Spiel um die Plätze 3 und 5, Halbfinalspiele, Finale). Natürlich sollte der Flug in die grösste Stadt der Emirate, Dubai, wieder mal kein Selbstläufer werden. Da der Lufthansa-Knotenpunkt Frankfurt aufgrund des einsetzenden Winterwetters von einer Vielzahl von Flugausfällen betroffen war, wurde mein Flug nach Dubai nun über Zürich durchgeführt. Hier lag natürlich auch Schnee, komischerweise kamen die Schweizer damit zurecht!
Nach der Ankunft in Dubai ging es mit einem Mietwagen direkt in die Wüste! Im Hazza Bin Zayed Stadion der Wüsten- und Oasenstadt Al Ain (ca. 150 km südöstlich von Dubai) standen meine ersten beiden Spiele des Turniers auf dem Programm. Die 630.000-Einwohner Stadt an der Grenze zum Nachbarstaat Oman war in erster Linie unerwartet „groß“. Das liegt daran, dass die Stadt Al Ain sehr großräumig angelegt und flächenmäßig mit der französischen Hauptstadt Paris zu vergleichen ist! Deshalb war es in Al Ain gar nicht mal so einfach, sich fehlerfrei zu orientieren, da der innere Kern der Stadt im Schachmuster angelegt ist und nur über Hauptstraßen verfügt, die mindestens sechsspurig ausstaffiert ist. Die mit Mittelinsel voneinander getrennten Fahrbahnen münden zumeist in mehrspurigen Kreisverkehren, welche ein Navigationsgerät unabdingbar machen.
Obwohl ich mich gefühlt am äußersten Ende der „Erdscheibe“ befand, verfügte der Ort über mehrere interessante Sehenswürdigkeiten! Im Stadtzentrum Al Ain´s, dem Geburtsort des allgegenwärtigen VAE-Staatsgründers Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan, befindet sich eine riesige Oase voller Palmenplantagen und einem 3000 Jahre alten Bewässerungssystem. Die Oase besitzt insgesamt acht Zugänge und lädt förmlich zu einem kühlen Spaziergang ein. Von hier sind das bekannte Al Ain National Museum mit seinem „Sultan Fort“ leicht erreichbar.
Am Rande der Stadt erhebt sich mit dem „Jebel Hafeet“ der mit 1240 Metern höchste Berg der Vereinigten Arabischen Emirate. Der Gipfel ist auf einer hervorragend ausgebauten Straße mit vielen Kurven und Aussichtspunkten bequem mit dem Auto zu erreichen und bietet einen fantastischen Ausblick über die Wüste und die Stadt Al Ain. Ein kleiner Insider-Tipp ist das Restaurant auf dem Gipfel, sieht irgendwie merkwürdig aus, bietet aber einen günstigen und leckeren arabischen „Grillteller“ an!
Bei der Hauptattraktion der Stadt Al Ain handelt es sich aber unangefochten um den Kamel- und Viehmarkt. Dieser Markt ist der letzte „Souk“ seiner Art in den Emiraten und versprüht definitiv den Charme von 1000 und einer Nacht! Mit Sicherheit nicht für jeden etwas, da man nach seiner Ankunft direkt von mehreren Händlern auf die typisch orientalische Art angesprochen wird. Zudem sollte man nicht geruchsempfindlich sein. Wem das alles nichts ausmacht, der ist auf dem Markt goldrichtig und sollte über die Anschaffung eines jungen Kamels nachdenken!
Am Abend ging es dann endlich zu den ersten zwei Spielen der FIFA Klub-WM im Hazza Bin Zayed-Stadion. Das Stadion wurde für den örtlichen Fußballverein Al Ain FC im Jahre 2014 erbaut und verfügt über eine Kapazität von 22.000 Zuschauern. Das hochmoderne Stadion, dass in Sachen Komfort wirklich keinen Wunsch offen lässt, sieht von außen äußerst imposant aus und wird bei Dunkelheit in den Nationalfarben der Emirate illuminiert. Wirkt in der sandigen Wüstenumgebung tatsächlich sehr unwirklich, halt wie eine Fata Morgana! Der einheimische Fußballverein Al Ain FC ist übrigens einer der beliebtesten und auch erfolgreichsten Fußballvereine des nahen Ostens! Das Team mit den violetten Trikots ist mit 12 Titeln nicht nur Rekordmeister der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern konnte im Jahr 2003 mit der AFC Champions League auch den wichtigsten Titel im asiatischen Fußball gewinnen. Der zur Zeit bekannteste Spieler des Clubs dürfte der schwedische WM-Teilnehmer und Ex-HSV-Spieler Marcus Berg sein!
Im ersten Spiel des Tages (Spiel um Platz 5) sorgten die Urawa Red Diamonds im Duell der Viertelfinal-Verlierer gegen den afrikanischen Champions-League-Sieger Wydad Athletic Club (WAC) für einen versöhnlichen Abschluss des Turniers. Da beide Teams mit offenem Visier spielten, stand es am Ende vor 4.281 Zuschauern 3:2 (2:1) für die Jungs aus der japanischen J-League! Überragender Spieler der japanischen „Reds“ war hierbei der brasilianische Innenverteidiger Mauricio mit zwei Treffern. Aber auch für mich gabs in der 4. Minute der Nachspielzeit noch eine Premiere, der viel diskutierte Videobeweis! Diesmal entschied sich der neuseeländische Schiedsrichter Matt Conger nach gefühlt endlosen Minuten für einen Strafstoß der Marokkaner aus Casablanca! Bin nicht wirklich sicher, ob ich das gut finden soll!
Im anschließenden ersten Halbfinalspiel zwischen dem brasilianischen Copa-Libertadores-Sieger Grêmio FB Porto Alegre und CF Pachuca war dann „Zunder“ drin! Dies lag in erster Linie an der überragenden Unterstützung für die Mannschaft aus Porto Alegre! Gut und gerne 2000 Fans machten sich aus dem 12.000 km entfernten Brasilien auf den Weg, um ihre Truppe zu unterstützen! In einem ansprechenden Spiel mit viel Einsatz und noch mehr Emotionen dauerte es allerdings bis zur 95. Minute, als der eingewechselte Everton für die Brasilianer vor insgesamt 6.428 Zuschauern den vielumjubelten Siegtreffer erzielte. Die Mexikaner kamen in der Verlängerung nicht mehr zurück und verloren noch Guzman, der völlig zu Recht vom deutschen Schiedsrichter Dr. Felix Brych des Feldes verwiesen wurde (110.). Gremio zog mit seinen beiden ehemaligen Bundesliga-Profis Pedro Geromel (1. FC Köln) und Lucas Barrios (BVB) ins Finale ein und traf dort auf den Sieger der Partie Al Jazira FC und den Königlichen von Real Madrid C.F.!
Für die Mexikaner mit der skurrilen Doppelbeflockung (es gab keine einstelligen Rückennummern, eine „2“ wurde mit „02“ beflockt) ging es mit dem „blutjungen“ 44jährigen und 1,73 m-kleinen Torhüter Oscar Perez im Spiel um Platz 3 weiter!
Aus der Wüstenstadt Al Ain setzte ich meine WM-Reise in die Hauptstadt der VAE, nach Abu Dhabi, fort! Dort rollt der Ball im 2. Teil meines Blogs weiter! Stay Tuned!