Der allseits beliebte „Roadtrip“ steht laut Definition für Freiheit, Spontanität, Leichtigkeit und dem (Er)-Leben! Das Besondere sind nicht unbedingt die auf dem Weg befindlichen Sehenswürdigkeiten, sondern die alltäglichen Erlebnisse dazwischen.
Im Fall der nahezu legendären Reise zur Fußball-Europameisterschaft nach Polen passt diese Beschreibung wie die Faust aufs Auge! Die wilde Fahrt mit dem Arbeitstitel „Im Bulli nach Danzig“ startete vor ziemlich genau 10 Jahren im nordrhein-westfälischen Bochum, wurde für eine kurze Nacht im brandenburgischen Eberswalde unterbrochen und endete nur wenige Stunden vor Anpfiff des Viertelfinales in der polnischen Ostsee-Metropole.
Nach einer kurzen Stippvisite der Danziger Schiffswerft und einem schnellen Döner Kebab in der sehenswerten Innenstadt ging es schnurstracks zum gerade rechtzeitig fertiggestellten EM-Stadion von Gdansk. Dort siegte die deutsche Nationalmannschaft um Kapitän Philipp Lahm in äußerst stimmungsvollen neunzig Minuten mit 4:2 (1:0) gegen Griechenland und qualifizierte sich für die nächste Runde.
Schon damals war ich von dem hochmodernen sowie individuellen „Bernstein-Stadion“ vollends begeistert, vermutete aber schon während des Spiels, dass die Arena für künftige Spiele des heimischen Clubs Lechia Gdansk in der polnischen PKO Ekstraklasa mit einem Fassungsvermögen von 41.620 Plätzen etwas überdimensioniert sein könnte.
Vielleicht hätte ich mir diese Vermutung längst bestätigt, wenn nicht all meine Fotos von dieser Reise aufgrund eines defekten Handys vor Jahren verloren gegangen wären. Deshalb lebe ich in diesem Fall von den gelegentlichen Erzählungen und Erinnerungen über einen skurrilen Nachtportier, eine polnische Grenzkontrolle, insgesamt fast 800 Kilometern polnischer Landstraße, diversen „Bordsteinschwalben“, den dazugehörigen einsamen „Truckern“ und schlüpfrigen Situationen während der Pinkelpause!
Umso schöner, dass sich während meines Familienurlaubes eine durchaus unerwartete Gelegenheit zum nochmaligen Besuch des Bernstein-Stadions ergab. Dies lag an dem nordmazedonischen Club FK Akademija Pandev und dem imaginären „UEFA-Auslosungs- und Ansetzungs-Gott“.
Der schon angesprochene „Local Hero“ Lechia Gdańsk gehört mit Sicherheit nicht in die Riege der großen bzw. erfolgreichen polnischen Fusßballvereine wie Rekordmeister Legia Warschau oder Lech Poznań. Obwohl man in Sachen Stadion, Stadt und Einzugsgebiet über eine hervorragende Infrastruktur verfügt, konnte man in der 77-jährigen Vereinsgeschichte bislang keinen Meistertitel gewinnen. Dementsprechend sind die Zuschauerzahlen, wie bereits vor 10 Jahren vermutet, stark ausbaufähig. Zu den normalen Ligaspielen verlieren sich je nach Gegner manchmal nur 5.000 Unentwegte in dem riesigen Stadion.
Allerdings zeigt der Club in der Gegenwart aufsteigende Tendenz. Nach dem Pokalsieg im Jahr 2019 landete Lechia in der vergangenen Ekstraklasa-Saison auf Platz 4 und durfte in der aktuellen Spielzeit an der Qualifikation zur UEFA Europa Conference League teilnehmen. Nach zwei lockeren Siegen gegen die hauseigene Fußball-Akademie des ehemaligen Weltklasse-Stürmers Goran Pandev wartete mit dem SK Rapid Wien in der 2. Runde ein weitaus schwierigerer Gegner.
Das polnisch-österreichische Europapokal-Duell entfachte in der Lechia-Fanszene eine ungewohnte Euphorie, die sich endlich auch in der erhöhten Ticketnachfrage bemerkbar machte. So fanden sich zum Rückspiel der 2. Qualifikationsrunde würdige 23.519 Zuschauer in der Polsat Plus Arena ein, um Lechia nach einem 0:0-Unentschieden im Hinspiel in die dritte Runde zu schreien.
Nach Anpfiff des schweizerischen Schiedsrichters Alessandro Dudic entwickelte sich ein interessantes Spiel, in dem die Gastgeber mit ihren deutschen Akteuren Marco Terrazzino und Christian Clemens auf die frühe Führung drückten. Die Gäste aus der österreichischen Hauptstadt zeigten sich defensiv kompakt und gingen nach einer Viertelstunde etwas überraschend durch einen abgefälschten Schuss von Kühn in Führung.
Nur zwei Minuten später hätte sich Lechias deutsch-polnischer Trainer Tomasz Kaczmarek mit Sicherheit die Anwesenheit des eher unbeliebten „Video Assistant Referees“ gewünscht, als Gästekapitän Guido Burgstaller klar vor dem Strafraum gefoult wurde, Eidgenosse Dudic aber fälschlicherweise auf Foulelfmeter entschied.
Rapid-Akteur Marco Grüll fand die Fehlentscheidung überragend und verwandelte aus elf Metern zur komfortablen Führung. In der Folge sahen die Zuschauer ein Spiel, in dem die Gastgeber nicht konnten und die Gäste nicht mehr wollten. Zumindest bis zur 82. Minute, als Lukasz Zwolinski seine Mannschaft aus kurzer Distanz zurück ins Spiel brachte und die Flamme der Hoffnung zündete. In den verbleibenden Minuten bis zum Abpfiff war es urplötzlich ein völlig irres Spiel, in welchem Lechia mehrere Großchancen vergab und letztlich an sich selbst scheiterte.
So blieb die erhoffte Verlängerung aus…ein Umstand, der den Gästen aus dem Wiener Stadtteil Hütteldorf für die anstehende 3. Runde sehr gelegen kam, schließlich muss man nun die Reise ins weit entfernte Baku antreten, um gegen den aserbaidschanischen Hauptstadtclub Neftçi PFK das Beste herauszuholen.
Das war Danzig…eine wirklich tolle Stadt mit Geschichte, Lifestyle und Ostsee-Urlaubsfeeling. Weitere Fotos vom Spiel und dem ausgiebigen Sightseeing in der Region gibts wie gewohnt auf meinem Instagram-Kanal. Klickt Euch mal rein…
STAY TUNED…BLEIBT AM BALL!