Der Frühling 2016 macht sich so langsam startklar. Eine Jahreszeit, die vom überwiegenden Teil der Menschheit als angenehm empfunden wird, da man endlich die dünne Übergangsjacke raus kramen und seine Uhr auf Sommerzeit stellen kann. Für Fußballfans bedeutet diese Jahreszeit in erster Linie eines:

Die Wochen der Wahrheit beginnen! Das Saisonfinale wird langsam aber sicher eingeläutet, der positive aber oftmals auch negative Stress kann beginnen.

Dieser Umstand ist natürlich bei seinem eigenen Club am interessantesten. Können „wir“ noch Meister werden? Ist der Abstieg noch zu verhindern? Können „wir“ wenigstens Red Bull Schlagmichtot am letzten Spieltag noch ärgern? Aber auch in den europäischen Clubwettbewerben, wo wir uns schnurstracks Richtung Finale vorkämpfen wird das Tempo angezogen. Jedenfalls ist die Phase der Saison vorbei, wo man noch gelöst ins Stadion geht und sich selbst „Wir haben noch genug Spiele“ zuflüstert.

Und so ist auch ein Fußballverrückter wie ich wieder in kürzeren Abständen unterwegs, um diese Atmosphäre zu genießen und Entscheidungen zu erleben.

Für den Monat März entschied sich die „Was-ist-möglich“-Stecknadel erneut für Portugal. Nach dem Februar-Aufenthalt in Lissabon und Madeira eine sehr spannende Geschichte für mich, da es in den ersten 41 Jahren meines Lebens nie in Richtung Westen der iberischen Halbinsel ging. Nun war innerhalb kurzer Zeit der nächste Trip in dieses schöne Land zu organisieren.

Diesmal entschied ich mich für das Rückspiel im Achtelfinale der UEFA-Europa-League, Sporting Club Braga gegen Fenerbahce SK aus dem asiatischen Teil von Istanbul. Und auch wenn mich beide Vereine in der Vergangenheit immer wieder „begleiteten“, hatte diese Entscheidung in erster Linie folgenden Grund:

Das so genannte „Felsenstadion“ von Braga, im echten Leben „Estadio municipal de Braga“

Zunächst einmal war die doch recht kurzfristige Anreise zu bewältigen. Ein nicht immer einfaches und günstiges Unterfangen, wenn die Spieltage in kürzeren Abständen stattfinden bzw. die UEFA-Auslosungen immer nur wenige Wochen vorher erfolgen. Nach mehreren Stunden vor dem Computer fand ich dann doch eine gute und günstige Lösung, es konnte also wieder losgehen.

Für den Flug nach Portugal nutzte ich diesmal den „Godfather of low cost“, die irische Airline Ryanair. Nach Ankunft auf dem Flughafen Porto ging es mit meinem Mietwagen, einem schnuckeligen Fiat Panda,  direkt weiter in die ca. 50 km entfernte Stadt Braga.

Tja, und da war ich nun. In Braga, einer Stadt mit ca. 180.000 Einwohnern, in der man nicht unbedingt einen hochklassigen Fußballverein erwartet, der noch 2011 im UEFA-Europa-League-Finale von Dublin stand. Einer Stadt, in der man noch viel weniger ein derartiges Stadion erwarten durfte.

Nach Einchecken im örtlichen IBIS-Hotel ging es dann auch direkt in die Innenstadt. Die nahe gelegene Altstadt wirkt mit ihren alten Kirchen und dem großen Platz „Praca de Republica“ sehr nett und gepflegt, eine portugiesische Postkartenidylle. Aber das war es dann fast auch schon. Wer am Abend Unterhaltung und Nightlife sucht, der ist in dieser Stadt definitiv falsch. Auch die Restaurants in der Stadt sollten nach Möglichkeit, entgegen den sonstigen südländischen Gewohnheiten, eher am frühen Abend besucht werden. Trotzdem hält die Stadt neben dem Stadion noch ein echtes Sightseeing-Highlight bereit, der Suchende wird nicht enttäuscht und sollte sich zur Wallfahrtskirche „Bom Jesus do Monte“ begeben. Das Gotteshaus befindet sich auf einer Anhöhe, ca. 5 km nördlich der Innenstadt. Ein toller Ort, mit fantastischer Aussicht und einer altertümlichen Zahnradbahn für den Auf- und Abstieg.

Am Spieltag selbst begab ich mich vor dem Spiel zurück in die größte Stadt der Region, nach Porto. Die hat zwar nur knapp 60.000 Einwohner mehr als Braga, gilt aber in der Region als absolute Metropole. Und das konnte man auch merken. Viele Touristen, viele Sehenswürdigkeiten, sehr viel Trubel und eine kleine Überraschung: Die knapp 1000 Auswärtsfans aus der Türkei mit ihren gelb-blauen-Trikots. Hier hatten sie sich also versteckt. Und wenn ich den amerikanischen Dialekt eines türkischen Fans und die getragene Jacke mit dem Aufdruck „Fenerbahce Fans USA“ richtig gedeutet habe, gab es sogar den Fan mit der vermeintlich längsten Anreise.

Porto allein ist schon eine Reise wert. Die historische Altstadt Ribeira am Ufer des Flusses Douro, die eindrucksvolle Stahlbrücke „Ponte Dom Luis I“, die Kathedrale von Porto, der Platz „Praca da Liberdade“ mit der Avenida dos Aliados sind unbedingt zu besichtigen. Und bei einem kleinen Hüngerchen sollte man sich schleunigst in die Altstadt begeben, am Ufer des Douro in einem der unzähligen Restaurants Platz nehmen und die vielleicht kalorienreichste Mahlzeit auf dieser Welt bestellen: Eine Portion Francesinha, eine Mischung aus Pommes-Frites, Toastbrot, Ei, Käse, Schinken, Steak-Fleisch und der portugiesischen Chorizo-Wurst. Selbst ein Gemüseanteil ist mit Tomatensauce vorhanden. Dazu ein Glas Portwein und der sofortige Toilettenbesuch ist nahezu garantiert.

Und natürlich war auch noch ein wenig Zeit für professionelles Groundhopping. Wenn man schon mal in der Stadt ist, muss man auch die Stadien der einheimischen Proficlubs FC Porto und Boavista FC besuchen. Hierzu möchte ich anfügen, dass das Stadion des FC Porto, das Estadio do Dragao (die Drachenhöhle) eine sehr ungewöhnliche Form aufweist und in der Reihe der heutigen modernen Stadien sicherlich im „oberen“ Drittel rangiert. Im Zusammenspiel mit dem angegliederten Fanshop und Museum des Clubs ein durchaus interessanter Besuch. Das Stadion des Lokalrivalen Boavista FC (bekannt durch das schwarz-weisse Schachbrettmuster auf dem Trikot), das Estadio do Bessa Seculo, ist von außen leider gar nicht als Stadion erkennbar, sondern könnte auch als großes Fabrikgebäude durchgehen. Sehr unscheinbar und leider ohne Charme.

Und das ist mal wieder die perfekte Überleitung für den Stadionbesuch am Abend. Denn nun beginne ich mit einer Art Liebeserklärung für das Felsenstadion von Braga mit dem leider so schnöden Namen „Städtisches Stadion von Braga“. Ich hätte nicht erwartet, dass ein derartig modernes Stadion gleichzeitig so innovativ, detailreich und einzigartig erscheint.

Zum Spiel der Europa-League begaben wir uns zu Fuß aus dem Stadtzentrum zum Stadion. Ein netter Spaziergang von 15-20 Minuten durch typisch südländische Wohnsiedlungen, die aber auch irgendwie ein wenig an einen deutschen Problemstadtteil erinnerten. Und obwohl wir uns mit dem Handy streng an die Wegbeschreibung von Google Maps hielten, konnte man das Stadion einfach nicht sehen. Die nun bei mir aufkommende innere Unruhe, dass man sich möglicherweise verlaufen hat bzw. das GPS-Signal nicht stimmen kann, war letztlich völlig unbegründet. Denn wenn man sich über die Wohnsiedlung und den Parkplatz hinter der Südseite des Stadions annähert, kann man das Stadion gar nicht sehen. Selbst wenn man einen Meter davor steht.

Denn dieses Stadion wurde für die Europameisterschaft 2004 in eine Art Tal hineingebaut, welches ein wenig an einen Steinbruch erinnert. Der Ground besteht lediglich aus zwei sehr großen Tribünen an den Längsseiten (mit einem Fassungsvermögen von je 15.000 Zuschauern), welche in einer Höhe von 80 Metern durch Stahlseile stabil gehalten werden. Der Zugang zur Südtribüne erfolgt über Eingänge auf dem Tribünendach. Hinter den Toren befinden sich auf der Ostseite eine Felswand mit sehr großer Anzeigetafel und auf der Westseite ein nettes Wäldchen. Was sich in der Erklärung recht hölzern anhört, wirkt in der Realität einfach nur atemberaubend. Das vielleicht beste Stadion was ich außerhalb der Königsstadien wie Wembley bislang gesehen habe. Für ein besseres Verständnis verweise ich auf meine beigefügten Fotos.

Und da mich dieses Stadion wirklich fasziniert hat, möchte ich den Meister der Architektur auch nennen: Obrigado, Eduardo Souto de Moura!

Das anschließende Spiel war dann auch ein absolutes Highlight. Die Mannschaft von Fenerbahce SK musste einen 1:0-Vorsprung aus dem Hinspiel im Sükrü-Saracoglu verteidigen. Das gelang auch trotz der frühen Egalisierung durch Braga-Stürmer Hassan recht gut. Kurz vor der Pause traf der Istanbuler Potuk zum Ausgleich und der Drops sollte mal wieder gelutscht sein. Doch in der 2. Halbzeit überschlugen sich die Ereignisse. Der kroatische Schiedsrichter Ivan Bebek gab zunächst einen diskussionswürdigen Handelfmeter für den heimischen Sporting Club (mit gelb-roter Karte für Fenerbahce), stellte im Laufe des Spieles zwei weitere türkische Spieler mit berechtigten Platzverweisen vom Feld, verwies Fenerbahce-Trainer Vitor Peireira auf die Tribüne und war Zeuge eines Spielrausches des SC Braga, der mit einem 4:1-Sieg in das Viertelfinale gegen Donezk einzog. Die türkische Fußballseele war um eine Episode der Verschwörung gegen den türkischen Fußball reicher. Ein unangenehmer Abend zudem für die treuen und stimmgewaltigen Fener-Fans, welche auf dem knapp 4000 km-langen Rückweg an den Bosporus über ihr Team nachdenken konnten.

Und auch für mich hielt der Rückweg mit der spanischen Airline „Vueling“ eine besondere Episode bereit, welche in der heutigen Zeit zum Nachdenken anregt. Wie bereits geschrieben, nutzte ich für den Hinweg die irische Ryanair. Abflugs- und auch Ankunftsort war aufgrund der günstigen Preise der belgische Hauptstadtflughafen Brüssel-Zaventem. An diesem bin ich am Freitag, dem 18.03.2016 gegen 18.00 Uhr, gelandet. Ich habe mir im Bereich der Abflugebene in dem einzigen Starbucks die „Brüssel“-Tasse gekauft. Wenn ich darüber sinniere, was nur knapp vier Tage später genau dort passiert ist, kriege ich Gänsehaut.

Danke fürs Lesen…stay tuned….