Das Thema „zeitgenaue Spielansetzung“ ist mit Sicherheit die fragilste Angelegenheit bei der vorausschauenden Planung einer Fußballreise, da sich die Komplexität des Spielplans in vielen Ländern mit der Macht der Fernsehverträge vereint.

Demzufolge setzen viele europäische Ligaverbände ihre Spieltage erst wenige Tage vorher zeitgenau an und sorgen damit regelmäßig für großes Unverständnis bei den reisewilligen Fans, da günstige Hotels und Anreisemöglichkeiten bei kurzfristiger Buchung faktisch nicht mehr vorhanden sind. Im übrigen eine Problematik, die sich nach der Corona-Pandemie eher verschlechtert als verbessert hat und glücklicherweise in Deutschland aufgrund der frühzeitigen Terminierungen so nicht besteht!

Zu Beginn der Sommermonate gibt es aber auch noch einen anderen wichtigen Aspekt, welchen man vor der Festlegung der Reisemodalitäten unbedingt berücksichtigen sollte. Die im Juli beginnende Qualifikation zu den Europapokal-Wettbewerben sorgt insbesondere im osteuropäischen Ausland oftmals für kurzfristige und unvorhersehbare Spielverlegungen. Schließlich haben vor allem die etwas kleineren Fußballverbände großes Interesse daran, ihre europäisch spielenden Mannschaften durch Schonung in der eigenen Liga lange im Wettbewerb halten und damit wertvolle Punkte in der UEFA-Fünfjahreswertung zu sammeln.

Genau deshalb setzte ich für meine zurückliegende Reise auf ein Ziel mit verlässlichen Anstoßzeiten ohne böse Überraschungen. Die sind zu dieser Jahreszeit im Prinzip nur in den nordischen „Kalenderjahr“-Ligen wie der norwegischen „Eliteserien“ oder der isländischen „Besta Deildin“ garantiert, welche ihre Ligaspiele äußerst frühzeitig terminieren und so eine seriöse Reiseplanung ermöglichen.

Vermutlich war es wieder einmal die innere Stimme, die mich drei Tage vor der Abreise nach Island ein letztes Mal die genauen Erstliga-Ansetzungen auf der Homepage des isländischen Fußballverbandes KSÍ prüfen ließ. Und siehe da, auch die sonst so zuverlässigen Isländer wirbelten die Anstoßzeiten der kommenden zwei Spieltage ordentlich durcheinander und sorgten dafür, dass ich mit der -glücklicherweise kostenfreien- Umbuchung von Hotels und Fährpassage meiner Reise ein völlig neues Gesicht geben musste.

Durch die äußerst kurzfristige Änderung des KSI reduzierte sich mein ganz persönlicher Spielplan von sechs auf fünf Spiele, gab mir gleichzeitig aber auch viel mehr Zeit und Luft für die Sehenswürdigkeiten auf dieser unfassbar schönen Insel im Nordatlantik. Dementsprechend hatte ich also urplötzlich ausreichende Zeitreserven für die Hauptstadt Reykjavik und den sogenannten „Golden Circle“ im Südwesten des Landes, einem knapp 250 km langen Rundkurs mit Naturwundern wie dem Gullfoss-Wasserfall oder dem weltbekannten Geothermal-Gebiet „Geysir“. Zudem gab es mit dem sogenannten „schwarzen Strand“ im Naturschutzgebiet „Dyrholaey“ und dem Städtchen Vik i Myrdal einen Bonus, der beim ursprünglichen Plan aus Zeitgründen nur schwer realisierbar gewesen wäre.

Mit dieser „Win-Win-Situation“ im Gepäck ging zum Spitzenspiel der Besta Deildin. Hier kam es am 9. Spieltag zum ewig jungen Duell zwischen Tabellenführer und dem direkten Verfolger, in diesem Falle die Partie des Ersten Víkingur Reykjavik gegen den Zweiten Valur Reykjavik.

Was sich aufgrund der Herkunft beider Clubs nach klassischem Derby anhört, wird aber durch viele Valur-Fans vermutlich nicht in die höchste Emotions-Schublade einsortiert, da die Duelle mit den „alten“ Konkurrenten von „Fram“ oder „KR“ den Blutdruck sicher noch schneller steigen lassen.

Dies liegt vermutlich auch ein wenig an der sportlichen Existenz des Traditionsclubs Vikingur, der zwar schon 1908 gegründet wurde und insgesamt sechsmal den isländischen Meistertitel gewinnen konnte (zuletzt 2021), aber auch als Fahrstuhlmannschaft gilt und erst seit 2014 überhaupt wieder im Fußball-Oberhaus Islands zu finden ist.

Nach meiner Ankunft am Stadion „Vikingsvollur“ waren es wieder mal die Gegensätze zu den großen Fußballnationen, die diesen Besuch so interessant machten. Das Stadion war eher eine schicke Bezirks-Sportanlage mit Kunstrasenplatz und einer kleinen schmucken Haupttribüne. Hier sollten in Kürze wirklich die momentan besten isländischen Teams unter der Leitung des 38-jährigen FIFA-Schiedsrichters Vilhjálmur Thórarinsson aufeinandertreffen?

Selbstverständlich! Gute 15 Minuten vor Anpfiff füllte sich die kleine Tribüne mit Fans aus beiden Lagern, die am Ende nur durch rot-weisses Absperrband voneinander getrennt waren und auf körperliche Auseinandersetzungen, wie überall in Island, völlig verzichteten.

Obwohl der äußere Rahmen mit knapp 1500 gut aufgelegten Zuschauern stimmte, kamen beide Mannschaften auf dem Platz nicht so richtig ins Spiel. Trotz guter Chancen auf beiden Seiten ging es zur Pause torlos in die Kabine. Dieses Spiel brauchte jetzt unbedingt den guten alten Dosenöffner. Der hieß an diesem Abend Tryggvi Hrafn Haraldsson…der linke Außenbahnspieler brachte seine Mannschaft, die Gäste von Valur, etwas unerwartet mit einem Doppelschlag komfortabel mit 2:0 in Führung (59. und 62.). Bei Dauerregen und einer herbstlichen Brise entwickelte sich nun ein offener Schlagabtausch! Nach dem 1:2-Anschlusstreffer durch den dänischen Vikingur-Stürmer Nikolaj Hansen (68.) war es der wertvollste Spieler der isländischen ersten Liga, der mit seinem Treffer zum 3:1 für eine Vorentscheidung sorgte (73.).

Der im US-Bundestaat Alabama geborene Aron Johannsson (32) dürfte auf eine recht erfolgreiche Karriere zurückblicken. Seine beste Saison spielte der ehemalige US-Nationalspieler vor neun Jahren, als er für AZ Alkmaar in 32 Spielen starke 17 Tore erzielte und im Anschluss für 4,2 Millionen Euro zu Werder Bremen in die Bundesliga wechselte. Hier kam er allerdings nicht mehr wirklich zurecht und landete über Stationen in Schweden und Polen zum Ende seiner Laufbahn wieder in der isländischen Heimat. Mit seinem aktuellen Marktwert von 400.000 Euro ist er momentan der Star der kleinen Liga.

Mit dem dritten Treffer sicherte Johannsson seiner Valur-Mannschaft einen wichtigen Auswärtssieg. Die Gastgeber von Vikingur konnten in der Nachspielzeit lediglich Ergebniskosmetik betreiben, blieben aber trotz der bitteren 2:3 (0:0)-Niederlage an der Tabellenspitze.

Der „Seljalandsfoss“…weitere Fotos der wunderschönen Natur Islands gibst in meinem Insta-Account!

Nur eine Woche nach der bitteren und unglücklichen Heimniederlage gegen den direkten Verfolger Valur besaß die Mannschaft von Vikingur Reykjavik die nächste Chance auf „Big Points“ im Meisterschaftsrennen. Diesmal trat die Mannschaft von Trainer Arnar Gunnlaugsson beim aktuellen Tabellendritten und amtierenden Meister Breidablik Kopavogur an und wollte den bestehenden Fünf-Punkte-Vorsprung auf die beiden punktgleichen Verfolger nach Möglichkeit wieder vergrößern.

Bereits bei der Ansicht des Wappens von UMF Breidablik könnte man auf die Idee kommen, dass der Namensursprung des Clubs aus Kopavogur nicht unbedingt im Fußball zu suchen ist. Das durchaus ausgefallene Emblem zeigt eine brennende Fackel, die aufgrund ihrer Beschaffenheit darauf schließen lässt, dass der Verein in seiner 73-jährigen Geschichte einen Bezug zu den olympischen Werten und Traditionen begründet. Obgleich dies letztendlich nicht der Fall ist, war die Herangehensweise an die Thematik nicht unbedingt falsch, da die Fackel in vielen alten Sagen, Kulturen und Mythologien ein wichtiges Symbol darstellt.    

Am Ende löst man das Wappen-Rätsel nur, wenn man sich mit der komplexen Mythologie der nordischen Götter auseinandersetzt, in welcher Protagonisten wie der höchste Gott Odin und sein Sohn Thor aus der prächtigen Walhalla die Geschicke in der Burg Asgard lenken. Da ich von dieser interessanten aber auch höchst umfangreichen Thematik überhaupt keine Ahnung habe, konnte mir das allwissende Internet-Lexikon Wikipedia bei der Ahnen- und Namensforschung weiterhelfen. 

Breidablik ist schlussendlich ein himmlischer Palast in der goldenen Burg Asgard, welcher von Odin-Sohn Balder und seiner Ehefrau bewohnt wird. Der gute Balder spielt zwar keinen Fußball, ist hauptberuflich aber ebenfalls Gott und wird aufgrund seiner Weisheit, Barmherzigkeit sowie leuchtenden Schönheit stets bewundert! 

Auch in der vergänglichen Realität eines Menschen kann das Stadion Breidabliks, das „Kopavogsvöllur“, ein himmlischer Palast sein. Zumindest für den Schatzmeister des Clubs, der zum Spitzenspiel gegen Vikingur über 2000 zahlende Fans zählen durfte, welche die Vereinskasse klingeln ließen. Eine derartige Zuschauerzahl ist im isländischen Liga-Alltag der „Besta Deildin“ bei durchschnittlich dreistelligen Besucherzahlen übrigens alles andere als normal!

Der große Andrang sorgte für eine Besonderheit, die ich eigentlich nur vom Pool eines südeuropäischen Drei-Sterne-Hotels kannte. Da die Plätze auf der kleinen Haupttribüne nicht nummeriert waren, legt der isländische Fußballfan bei kurzfristigem Verlassen seines Platzes einfach die Jacke oder irgend ein anderes Kleidungsstück über den Sitz. Die Vorgehensweise erinnerte eine halbe Stunde vor Anpfiff an den jahrzehntelang andauernden Liegen-Krieg zwischen England und Deutschland, bei dem man am Pool jede Menge Badehandtücher, aber nur wenig Menschen sieht!

Nach Anpfiff des isländischen FIFA-Referees Ivar Orri Kristjansson zeigte sich Tabellenführer Vikingur sehr kühl und zog den wild anrennenden Gastgebern schon nach einer Viertelstunde den ersten Zahn, als Djuric eine flache Hereingabe von der rechten Außenbahn eiskalt zur Führung verwandelte. In der Folge war es zwar ein intensives, aber auch eher durchschnittliches Fußballspiel, in dem die Gäste ihre Führung zum vermeintlich besten Zeitpunkt ausbauten. Kurz nach einem dicken Schnitzer im Aufbauspiel der Gastgeber kam Vikingurs Ingason an den Ball und netzte eiskalt zur komfortablen 2:0-Halbzeitführung ein (45+3). 

Im 2. Spielabschnitt zeigte sich Meister Breidablik freilich viel bemühter und war gewillt, schnellstens den Anschluss zu schaffen. Für ein Tor benötigt man allerdings auch Chancen. Und die erspielten sich die Gastgeber faktisch nicht. So plätscherte die Begegnung einfach dahin, da die Gäste im Defensivverbund gut standen und die Gastgeber vermutlich noch zwei Tage hätten spielen müssen, um ein Tor zu erzwingen. Dementsprechend postierte ich mich zu Beginn der Nachspielzeit im Bereich des Auswärtsblocks, um Vikingur-Spieler zu sehen, die nach der Heimniederlage der Vorwoche mit ihren euphorisierten und erleichterten Fans einen wichtigen Auswärtssieg feiern würden.

Die Nachspielzeit dauerte in der Folge knackige sieben Minuten und zeigte kurz vor Ablauf einmal mehr, dass im Fußball zu jeder Zeit alles gehen kann…auch wenn in der regulären Spielzeit überhaupt nichts funktionierte. Zunächst verlängerte Breidablik-Akteur Eyjolfsson einen Eckball mit dem Kopf zum vermeintlichen Ehrentreffer ins Tor (90+6). Nur eine Minute später war es eben dieser Eyjolfsson, der mit seinem linken Fuß eine letzte Flanke in den gegnerischen Strafraum schlug, die von Färöer-Stürmer Hansen per Fallrückzieher zum 2:2-Ausgleich ins Vikingur-Tor befördert wurde. Ein wirklich unfassbares Ende, das im Stadion für fast schon südländische Ekstase sorgte und in dieser Form nicht mal ansatzweise zu erwarten war.

Das war eine Woche in Island…ich drücke den besuchten Teams für ihre bevorstehenden Aufgaben in der Qualifikation zu den Europapokalwettbewerben viel Erfolg. Während Vikingur in der UEFA Europa Conference League gegen Riga FC aus Lettland spielt, tritt Meister Breidablik in der Vorqualifikation zur UEFA Champions League gegen die Meister aus Montenegro, Andorra und San Marino an! 

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STAY TUNED…BLEIBT AM BALL!

  • Vikingur vs Valur