Das skandinavische Land Norwegen gilt aufgrund seiner vielfältigen und atemberaubenden Natur speziell bei Aktivurlaubern als absoluter „Place to be“.
Angesichts der zahlreichen Berge, Gletscher und tief eingeschnittenen Küstenfjorde erschien mir der übliche Wochenend-Kurzaufenthalt für das 39. Abenteuer meiner kontinentalen Fußballreise „UEFA55“ etwas zu kurz angesetzt. Da sich neben der unfassbaren Schönheit des Landes auch der Spielplan der zwei professionellen Fußball-Ligen nahezu perfekt abzeichnete, entschied ich mich kurzerhand für einen etwas längeren Aufenthalt in dem nordeuropäischen Königreich.
Bevor aus mir aber ein begeisterter Hobby-Wanderer und Naturliebhaber werden sollte, gab es im Großraum der Hauptstadt Oslo den Erstkontakt mit dem norwegischen Fußball.
Die 55.000-Einwohner-Gemeinde Sarpsborg, nur gut 30 Kilometer von der schwedischen Grenze entfernt, vermittelte dem unwissenden Besucher bei Ankunft am äußerst beschaulichen Bahnhof zunächst einen völlig falschen Eindruck. Nach Verlassen des Regionalzuges über einen hölzernen Bahnsteig deutete nämlich so gar nichts auf ein kurz bevorstehendes Spiel der 1. norwegischen Liga hin….keine Fans, kein Trubel, keine Trikots…ja nicht einmal Menschen waren irgendwo im Nahbereich des Bahnhofs zu sehen. Ich musste mich tatsächlich fragen, ob ich im richtigen Sarpsborg war.
Im Verlauf des anschließenden Spazierganges in die knapp 1,5 Kilometer entfernte Innenstadt wurde es temporär nicht besser. Obwohl ich durch schicke Wohngebiete lief, eine Hauptstrasse überquerte und plötzlich einige Geschäfte erblickte, fehlten weiterhin die Menschen. Ich fühlte mich ein wenig wie in dem düsteren Zombie-Endzeitfilm „28 Days later“.
Dieses mulmige Gefühl sollte sich aber wenig später wie auf einer Überraschungsparty schlagartig legen. Bei Abbiegen in die gemütliche Fußgängerzone „St. Marie Gate“ kehrte das Leben mit voller Wucht zurück. Plötzlich waren die Café´s und Kneipen mit gut gelaunten Fußball-Fans gefüllt, die belebten Ladenlokale mit blau-weißen Fahnen des einheimischen Clubs geschmückt und ein äußerst intaktes „Innenstadt-Leben“ vorhanden, das auf dem zentralen „Torget“-Platz mit Foodtrucks und Livemusik zelebriert wurde.
Ich war also doch im richtigen Sarpsborg…einer Stadt, die im norwegischen Erstliga-Fussball lange Zeit so gut wie gar keine Rolle spielte. Genau deshalb entwickelten 16 lokale Fußballvereine im Jahr 1999 einen gemeinsamen Masterplan, um ein eigenes Zugpferd im norwegischen Fußball-Oberhaus zu etablieren und professionellen Fußball aus und für Sarpsborg anbieten zu können.
Dieser Plan funktionierte zunächst nur bedingt, da sich grenzenloser Erfolg ohne das ganz große Bankkonto nur schwer planen lässt. Letztlich versuchte man viel, erzielte aber mit den jeweils geförderten Teams wie FK Sarpsborg oder dem FK Sparta Sarpsborg nur (Achtungs-)Erfolge im norwegischen Zweit-und Drittliga-System. Erst nach dem Zusammenschluss beider Clubs im Jahr 2008 und der finalen Umbenennung in „Sarpsborg 08“ begann eine Phase, die man heutzutage durchaus als erfolgreich beschreiben kann. Obwohl man zunächst nur aufgrund eines Lizenzentzuges in der 2. Liga starten durfte und nach dem Erstliga-Aufstieg 2011 sofort wieder abstieg, entwickelte man sich als Verein stetig weiter.
Der Club spielt mittlerweile seit 2013 in der norwegischen Eliteserien und konnte sich bereits zweimal für das norwegische Pokalfinale qualifizieren (2015 und 2017). Da man hier allerdings beide Male als Verlierer vom Platz ging, gilt der dritte Platz in der Abschlusstabelle der Saison 2017 als grösster nationaler Erfolg. Mit dieser Platzierung durfte man in der Folge an der UEFA Europa League 2018/2019 teilnehmen, in welcher man mit Erfolgen gegen ÍBV Vestmannaeyjar, FC St.Gallen, HNK Rijeka und Maccabi Tel Aviv fast schon sensationell die Qualifikation überstand und in der anschließenden Gruppenphase mit Beşiktaş, KRC Genk und Malmö FF äußerst arrivierte Teams in der norwegischen Provinz Viken begrüßen durfte. Ein Erfolg, der im norwegischen Fußball sicher nicht den Alltag wiedergibt!
Am 10. Spieltag der Eliteserien 2022 empfing Sarpsborg 08 im heimischen Sarpsborg-Stadion die Mannschaft von Strømsgodset Toppfotball. Vor vergleichsweise starken 4.770 Zuschauern brannte die Mannschaft von Trainer Stefan Billborn an diesem Tage ein absolutes Feuerwerk ab.
Nach einem Abstauber des schwedischen Wandervogels Guillermo Molins, einem Tor des norwegischen Flügelflitzers Tobias Heintz und zwei verwandelten Elfmetern des Hungaro-Schweden Anton Saletros stand es kurz vor der Pause bereits 4:0, ehe Gästeakteur Enersen etwas schmeichelhaft verkürzen konnte. In der zweiten Hälfte sahen die begeisterten und stimmungsvollen Zuschauer ein eher ausgeglichenes Spiel, in dem der äußerst interessante Tobias Heintz in der Nachspielzeit zum 5:1 (4:1)-Endstand traf.
Mit dem Kantersieg konnten die Gastgeber in der Tabelle auf die Spitzenplätze aufschließen (5.) und sitzen den bis dato gut platzierten Gästen von Stromsgodset IF (4.) nun so richtig im Nacken. Die würden sich für die kommenden Spiele vermutlich ihr Jahrhundert-Talent Martin Odegaard (Arsenal) zurückwünschen, werden aber den mittlerweile vorhandenen Marktwert von 45 Millionen Euro nur schwer finanzieren können.
Das Spiel im kleinen, aber feinen Sarpsborg-Stadion mit einem Fassungsvermögen von 7.500 Zuschauern zeigte mir einmal mehr, dass es gerade die kleineren Proficlubs sind, die trotz Millionenumsatz noch Herz und Fan-Nähe beweisen. Der noch recht junge Verein Sarpsborg 08 zeigte sich hier absolut vorbildlich und stellte sich trotz des zurück liegenden Erfolges in einem europäischen Pokalwettbewerb als familiärer Club zum Anfassen vor. Dies ist ist leider nicht überall so. Tusen Takk, Mr. Roar Johansen!
Nach dem Spiel ging es mit dem Zug zurück nach Oslo, wo ich mein persönliches Erfolgserlebnis des Monats Juni erleben durfte. Bei Bestellung eines Heißgetränks in der Filiale einer amerikanischen Kaffeehaus-Kette aus Seattle musste ich zum ersten Mal in meinem 48jährigen Leben kein deutsches Synonym wie „Peter“ benutzen, da mein norwegischer Name in Norwegen das erste Mal ohne Buchstabieren oder weitere Probleme verstanden wurde. Die Träne rollte…
Selbstverständlich gibts in den sozialen Medien wieder viele Fotos von meinem Aufenthalt in Sarpsborg. Klickt einfach mal bei Facebook und Instagram rein und lasst „Henning loves Football“ ein Like da.
STAY TUNED…BLEIBT AUF EMPFANG