Mein aktuelles Projekt „UEFA 55“ ist mit den folgenden drei Eckpunkten bestens zu beschreiben: 

Insgesamt 55 UEFA-Mitgliedsverbände in 50 Ländern mit 54 eigenständigen Ligen warten in den kommenden zwei bis drei Jahren auf mich! Meine eigenen Regeln sehen vor, dass es in dem jeweiligen Land ein Ligaspiel der ersten zwei Profiligen sein muss. Dementsprechend musste ich in einigen bereits besuchten Ländern wie der Schweiz, Rumänien oder den Niederlanden die Stoppuhr komplett auf Null stellen, da dort bislang „nur“ Europapokal auf dem Programm stand! Zudem gehe ich mit einem ordentlichen Fundament auf die Reise, da ich nicht allzu lang zurückliegende Spiele mit einbeziehe und selbstredend gelten lasse. Hierbei handelt es um insgesamt 14 Spiele aus 14 Ländern wie der Türkei, Österreich, Ungarn, Schottland sowie meinen „Heimatmärkten“ England und Deutschland!

Zu Beginn der geplanten UEFA55-Europa-Tour sollte auch das abendliche Bier perfekt zum Stadionbesuch abgestimmt sein! Was könnte da besser passen als die irische Hauptstadt Dublin mit ihrem leckeren Guinness-Bier und den unzähligen Pubs im Ausgehviertel Temple Bar?

Die dortige Meisterschaft mit dem Sponsorennamen SSE Airtricity League wird wie in vielen kleineren Ligen während des Kalenderjahres (März bis November) ausgespielt und befand sich für die Saison 2018 bereits im Endspurt. 

Die wichtigsten Entscheidungen waren in der „League of Ireland“ mit ihren 10 teilnehmenden Mannschaften bereits drei Spiele vor Saisonende gefallen! 

Während der Dundalk FC vorzeitig die Meisterschaft gewann und an der UEFA Champions League-Qualifikation 2019/2020 teilnehmen darf, die Bray Wanderers mit nur 18 Punkten sang- und klanglos in die 2. Liga absteigen mussten und der Limerick Football Club zumindest fest für eine Abstiegsrelegation „qualifiziert“ war, stand eine wichtige Entscheidung noch aus!

Im Fernduell zwischen den punktgleichen Teams Shamrock Rovers FC und Waterford United wurde der letzte irische Teilnehmer für die Qualifikation zur UEFA Europa League 2019/2020 gesucht!

Bei dieser Entscheidung durfte ich zumindest mittelbar dabei sein…in einem waschechten Dublin-Derby traf der St Patrick’s Athletic FC am 34. Spieltag im heimischen Richmond Park auf die bereits angesprochenen Rovers aus dem Dubliner Stadtteil Tallaght!

Was steht bei einer Reise auf die grüne Insel Irland immer an erster Stelle der Reisecheckliste? Na klar, ein regenfester Windbreaker! Der sollte auch im Gepäck sein, wenn man am Vorabend in Deutschland bei spätsommerlichen 25 Grad Celsius ein letztes Nackensteak auf den Grill legt und darüber sinniert, dass das Wetter im Oktober immer noch hervorragend ist!

Bei sanften 13 Grad Celsius, einem recht kühlen Wind und gelegentlichen Regenschauern ging es zunächst mit der LUAS-Straßenbahn zur Haltestelle Goldenbridge. Hier sollte tatsächlich ein Stadion in der Nähe sein!? Ein idyllischer Fluss bzw. Kanal, zwei weiße Schwäne, ein Stauwehr und eine wirklich gut bürgerliche Wohnsiedlung hätten eher zu einem Spaziergang am Sonntagnachmittag gepasst! Dazu musste ich feststellen, dass gut 1 1/2 Stunden vor Spielbeginn noch kein einziger Fan unterwegs war!

Nach Ankunft am Ground war mir sofort bewusst, die richtige Location für das erste UEFA55-Spiel ausgewählt zu haben. Dieses Stadion ist in Bezug auf die Bauweise vermutlich einzigartig und für jeden „Fußball-Romantiker“ ein absolutes Muss!

Obwohl mein treuer Begleiter namens „Google Maps“ die Ankunft am Richmond Park völlig unmissverständlich bestätigte, stand ich mit Fragezeichen in den Augen vor einer geschlossenen Häuserfront! Die typisch irischen Häuser waren rot geklinkert und standen direkt vor der Haupttribüne! Dementsprechend erfolgte der Zugang von Fans und Spielern teilweise durch die Garageneinfahrten der Gebäude!

Auch im Stadion waren so viele Details zu finden, die den Stadionbesuch irgendwie ein wenig „retro“ und vor allem besonders erschienen ließen. Obwohl man das Wort Tradition oft sehr inflationär nutzt, im Richmond Park von St. Patrick’s war sie zu fühlen. Egal ob Haupttribüne, Stahlrohrtribüne (hinter dem Tor) oder auch das Stadioncenter aus Überseecontainern…alles wirkte authentisch!

Ein weiteres Beispiel für die Authentizität des irischen Fußballs war die Tatsache, dass man auf der Steh-Gegentribüne nicht nur nah dran war, sondern auch mit Menschen wie Brian Kerr über das Spiel schimpfen kann. Der ehemalige irische Nationaltrainer ist ein „Saints“-Anhänger und hatte offensichtlich keine Lust auf den nicht vorhandenen VIP-Bereich!

Das Spiel unter der Leitung des lettischen Austausch-Schiedsrichters Mareks Kere war vor knapp 3000 Zuschauern erwartungsgemäß kein Feuerwerk aus Spielwitz, Technik und Hackentricks. 

In der insgesamt ausgeglichenen Partie wurde zumeist mit langen Bällen in den gegnerischen Strafraum operiert. Zudem muss man in einer britisch-irischen Liga bei zu langem Ballbesitz immer mit einer akuten Gesundheitsgefährdung durch den zumeist sehr bissigen und geradlinigen Gegenspieler rechnen. Mit anderen Worten…wie erwartet…eine hohe Intensität mit viel Kampf und noch mehr Grätschen! 

Als sich letztlich alle Beteiligten auf ein torloses Remis einstellten, schlugen die Rovers in der ersten Minute der Nachspielzeit doch noch zu. Eine letzte Flanke des eingewechselten Brandon Kavanagh nickte der bis dahin glücklose Stoßstürmer Daniel Carr aus 5 Metern ein und sorgte für ekstatischen Jubel bei sich, seinen Mitspielern und den mitgereisten 500 Rovers-Fans!

Mit dem knappen 1:0-Sieg schoben sich die Shamrock Rovers im Rennen um den letzten Platz in der UEFA Europa League auf die „Pole Position“, da Konkurrent Waterford United zeitgleich gegen Meister Dundalk mit 1:2 unterlag! Mit dem weitaus besseren Torverhältnis hatte man bei nur noch zwei ausstehenden Spielen faktisch vier Punkte Vorsprung…nur eine Woche später machten die Rovers im direkten Duell die Europapokal-Quali klar, als man den Konkurrenten mit 3:1 besiegte!

Für die Gastgeber war die Saison schon vor dem Spiel im Mittelfeld der Tabelle zementiert…im Jahr 2019 kann es nur besser werden. Dies gilt auch für die Truppe aus Limerick, welche die Abstiegsrelegation gegen den Zweitliga-Zweiten Finn Harps verballerte und mit dem Gegner die Liga tauschen musste!

Nach einer kurzen Nacht in meinem IBIS-Hotel außerhalb des Stadtzentrums ging die UEFA55-Reise am frühen Samstagmorgen direkt weiter. Die Vorstellung meiner nächsten Station möchte ich mit einer kurzen Frage einleiten:

Was haben Manchester United-Legende George Best, der ehemalige Arsenal-Weltklasse-Torhüter Pat Jennings oder der ewig feurige Will Grigg vom englischen Club Sunderland AFC gemeinsam?

Na klar…sie stammen alle aus Nordirland, sind ehemalige oder aktuelle Spieler der Nationalmannschaft ihres Landes und werden von ihren Anhängern sehr verehrt!

Obwohl in Nordirland nur knapp zwei Millionen Einwohner leben, war das Nationalteam mit dem Spitznamen „The Green & White Army“ über Jahrzehnte ein gefährlicher und schwer bespielbarer Gegner, der sich immerhin für drei Weltmeisterschaften sowie die Europameisterschaft 2016 qualifizieren konnte!

Mit den drei sehr beliebten nordirischen (Nationalmannschafts-)Legenden wird aber auch schnell das Dilemma klar, in welchem der nordirische Clubfussball steckt. Denn der ist im Vergleich zur eigenen Nationalmannschaft auf internationaler Ebene mal so gar nicht konkurrenzfähig.

Bei einem Blick auf die Kaderzusammenstellung des nordirischen Teams beim letzten UEFA Nations League-Spiel in Österreich fällt auf, daß mit Gavin Whyte vom amtierenden Meister Crusaders Football Club nur ein Spieler aus der heimischen NIFL Premiership nominiert wurde. Alle anderen Spieler verdienen ihr gutes Geld weiterhin in der englischen Premier League, der englischen 2. und 3. Liga sowie dem schottischen Profifußball! Mit anderen Worten, wenn du in Nordirland als Fußballer etwas werden willst, musst du die Insel wechseln!

Die einheimische „Northern Ireland Football League Premiership“ besteht aus insgesamt 12 Mannschaften, welche die Meisterschaft im normalüblichen europäischen Modus von August bis März ausspielen. Nach Beendigung der Hauptrunde gibts dann bis Mai noch eine Play-Off-Runde zur Ermittlung des nordirischen Meisters und der zwei Absteiger! Die Liga mit dem Sponsorennamen „Danske Bank Premiership“ ist übrigens die zweitälteste Fußball-Liga der Welt…nur die 1888 gegründete englische Football League ist zwei Jahre älter. 

Wie bereits angedeutet, ist das sportliche Niveau der Liga stark ausbaufähig. Bei einem Blick auf die UEFA-Fünf-Jahreswertung der Saison 2017/2018 muss man zunächst einmal weit nach unten scrollen und findet Nordirland auf Platz 49 von insgesamt 55 Plätzen. Wenigstens bedeutet diese Platzierung, dass man den britischen Bruder Wales unter sich hat, aber schlechteren Liga-Fussball als Luxemburg spielt!

Das absolute Zentrum des nordirischen Fußballs liegt wenig überraschend in der Hauptstadt Belfast. Hier spielen mit dem Crusaders Football Club, Glentoran FC, Cliftonville Football Club und dem Linfield FC vier der insgesamt 12 Ligateams! 

Aufgrund des jahrzehntelangen „Nordirlandkonfliktes“ spielen Politik und Religion im nordirischen Fußball eine große Rolle! Protestanten gegen Katholiken, Loyalisten gegen Republikaner, Blau gegen Grün…all das ist für Besucher und Zugereiste schwer nachzuvollziehen, für die dortigen Menschen aber wichtiger Bestandteil ihrer Identität!

Der erfolgreichste Fußball-Club Nordirlands ist mit Abstand der Linfield Football Club! Der im Jahr 1886 gegründete Club gewann insgesamt 52 Meisterschaften und ist Rekordmeister des kleinen Landes im Vereinigten Königreich von Großbritannien! 

Die „britischen“ Trikotfarben Blau-Weiß-Rot kommen nicht von ungefähr, schließlich gilt Linfield als nordirische Ausgabe der Glasgow Rangers, welche als loyale Unionisten der englischen Krone mit dem kleinen Bruder politisch und kulturell voll auf einer Linie liegen! 

Bei dem großen irisch-republikanischen Rivalen Linfields handelt es sich um den Belfast Celtic Football Club. Zumindest bis zum Jahr 1949, als sich das Pendant zum Celtic FC aus Glasgow überraschend aus dem nordirischen Ligabetrieb zurückzog.

Dieses Vakuum füllte fortan der Cliftonville FC, welcher eine überwiegend katholisch-irische Anhängerschaft besitzt und nun im größten „ethno-kulturellen“ Belfast-Derby gegen die britischen Loyalisten aufläuft!

Für mich gab es am 11. Spieltag der laufenden Saison das Spiel zwischen Linfield und dem Aufsteiger Newry City Athletic Football Club. Das Spiel fand im nordirischen Nationalstadion Windsor Park statt, welches lediglich von Linfield und der Nationalmannschaft genutzt werden darf!

Bei Anpfiff verloren sich nur knapp 1500 Zuschauer in der 20.000-Zuschauer fassenden Arena! Bei strömendem Regen und ungemütlichen nasskaltem Wetter entwickelte sich trotzdem ein sehr schönes Spiel mit vielen Torchancen und fein vorgetragenen Angriffen über die Flügel. Dies lag aber hauptsächlich am Linfield FC, der von Anfang an hoch überlegen war und mit dem überforderten Aufsteiger Katz und Maus spielte.

Am Ende stand ein völlig ungefährdeter 3:1-Heimsieg, der um 3-4 Tore zu niedrig ausfiel, die Jungs des Linfield FC aber auf Tabellenplatz 1 katapultierte.

Bemerkenswert hierbei war sicherlich die Tatsache, dass Linfield-Innenverteidiger Jimmy Callacher alle drei Tore per Kopfball markierte. Dies ist zudem der Beweis, dass die Gäste im Bereich Defensivverhalten bei Standardsituationen absoluten Redebedarf besitzen!

Zum Abschluss des Blogs aus Belfast noch eine Personalie…wer kann sich noch an Torhüter Roy Carroll erinnern? Kantiges Gesicht und von 2001-2005 Torhüter bei Manchester United! Der spielt mit seinen zarten 41 Jahren immer noch…natürlich beim Linfield FC.

Eine insgesamt sehr schöne (Kurz-) Reise auf die grüne Insel. Mit einem Besuch des irischen Nordens erhält der Besucher einen äußerst interessanten Einblick in einen jahrzehntelangen Konflikt, der momentan vielleicht ruht, aber jederzeit wieder aktuell werden kann. Eigentlich schwer zu glauben, dass die Religion in solch einem großen Ausmaß die Politik und vor allem den (Fußball-) Sport beeinflussen und ein ganzes Volk gegeneinander aufbringen kann.

Der Besuch in Belfast war tatsächlich absolut beeindruckend. Neben anschaulicher Zeitgeschichte ist die Stadt für mich eine unentdeckte „Perle Europas“. Neben der bereits angesprochenen Geschichte der Stadt mit dem Nordirlandkonflikt (Unabhängigkeit Irlands und dem damit verbundenen IRA-Terrorismus) verfügt die City am Fluß Lagan aber auch über eine Reihe von interessanten Sehenswürdigkeiten und ein sehr lebhaftes Nachtleben.

Hierbei handelt es sich unter anderem um das Titanic-Quarter mit dem dazugehörigen Museum, das monumentale Rathaus sowie die Falls Road. Auf dieser „katholischen“ Straße verläuft die Grenze zwischen dem katholischen Viertel und dem protestantischen Viertel Shankill. Die bekannten „Murals“, die Wandmalereien an Häusern und Trennungsmauern, welche den Konflikt verarbeiten, findet man hier nahezu überall.

Obwohl alles mittlerweile ein wenig touristisch wirkt, ist weiterhin Vorsicht angesagt. Schließlich sollte man immer politisch korrekt wirken und seine Gastgeber nicht verärgern. Deshalb kann ich nur eines raten: Frage einen Belfaster Ureinwohner nie, wo diese bekannten „Graffitis“ sind. Dies nehmen viele als „Beleidigung“ auf, da Graffiti immer ein wenig minderwertig und unpassend wirkt. Zudem muss man immer aufpassen, ob man einen Protestanten oder Katholiken befragt. Möglicherweise mag der eine das Vereinigte Königreich von Großbritannien mehr als Irland und der andere sieht Dublin auch als Hauptstadt Nordirlands!

Trotzdem ist Belfast eine wirklich sehr lebenswerte Stadt mit nettem Stadtzentrum und einer Fülle von Clubs, Bars und Pubs. Obwohl die Stadt nur 340.000 Einwohner besitzt, fühlt man sich gerade im Stadtzentrum eher wie in einer großen Metropole und Millionenstadt! Die wirkt im Vergleich zur knapp 170 km entfernten irischen Hauptstadt Dublin naturgemäß etwas „britischer“ und ist sogar noch etwas günstiger zu bereisen.

Das unterschiedliche Preisniveau liegt vermutlich daran, dass Dublin mit seinem Ausgehbezirk Temple Bar oder auch der Guinness-Brauerei als Quelle der irischen Gastfreundlichkeit und Partymentalität gilt. Das mag sicherlich so sein, allerdings ist gerade die mittlerweile auch sehr teuer bezahlt…ein unterdurchschnittliches Hotelzimmer ist selten unter 100 Euro pro Nacht zu bekommen…ein Pint für 6 Euro ist auch alles andere als günstig.

Auf welchen Teil der irischen Insel die Wahl auch immer fällt…beide Städte sind einfach der Hammer und einen Besuch wert!

Danke fürs Lesen…STAY TUNED! Weitere Fotos gibts natürlich wie gehabt auf meinem Instagram-Account www.instagram.com/henning_loves_football !