Welchen gemeinsamen Nenner könnten der englische Fußball-Nationaltrainer Gareth Southgate, die ehemalige „Spice Girls“-Frontfrau Geri Halliwell und Box-Olympiasieger Anthony Joshua besitzen?

Sie alle stammen nach einem Blick in die allwissende „Wikipedia“-Enzyklopädie aus der englischen 80.000-Einwohner-Gemeinde Watford in der Grafschaft Hertfordshire. Was sich oberflächlich betrachtet nach beschaulicher Kleinstadt-Idylle anhört, stellt letztlich das nordwestliche Ende des schier unendlichen Speckgürtels der britischen Hauptstadt London dar. Ein Ende, das allerdings auch irgendwie fließend ist, da Watford trotz der Eigenständigkeit zur Londoner Metropolregion gezählt wird und selbstverständlich auch an das gigantische „Underground“-Nahverkehrssystem angeschlossen ist. Deshalb ist die gut 30 Kilometer lange U- und S-Bahnfahrt vom „Big Ben“ nach Watford auch mit einer Ruhrgebiets-Exkursion von Bochum nach Duisburg zu vergleichen, bei welcher man nicht bemerkt, dass man eine Stadt verlässt und die Nächste erreicht.

Obwohl die zu Beginn genannten Mitmenschen mit Sicherheit schon in die Rubrik „Prominenz“ fallen, identifiziert man den vermeintlich berühmtesten Sohn der Stadt Watford nur dann, wenn man fußballinteressiert ist und nicht allzu viel von Stadtgrenzen hält.

Der berühmte Sänger Sir Elton John, mit bürgerlichem Namen Reginald Dwight, wurde vor 75 Jahren nahe Watford in der Ortschaft Pinner geboren. Da dieser kleine Ort bereits in dem angesprochenen Speckgürtel liegt und offiziell dem Londoner Bezirk „Brent and Harrow“ zugeordnet wird, musste Dwight seine Verbundenheit für den selbst gewählten Heimat- und Wohnort Watford auf anderem Wege nachweisen.

Dies funktionierte wie so oft mit Hilfe des Volkssports Fußball und dem dazugehörigen Herzens-Club seiner Heimat, dem Watford Football Club. Der Verein wurde im Jahr 1881 gegründet und ist bis zum heutigen Tag eher als unbeständige Fahrstuhlmannschaft bekannt. Das Image der grauen Maus, welches durchaus sexy sein kann, konnte der Club mit seiner farbenfrohen Trikotkombination aus schwarz, rot und gelb nie wirklich ablegen.

Ungeachtet der fehlenden Titel und Trophäen zeigte sich Sir Elton vor kurzem sehr glücklich über die Entwicklung seiner großen (Fußball-)Liebe. Der Entertainer, der den Club von 1976 bis 1990 allein führte und seit 1997 Mit-Eigentümer ist, äußerte jüngst bei einem Konzert, dass sich das Stadion an der Vicarage Road im Jahr 1953 in einem erbärmlichen Zustand befand, der sich auch in seiner Zeit als Vorsitzender nicht grundlegend änderte. In der Gegenwart kann man auf das umgebaute und moderne Stadion, das gleichzeitig seinen traditionellen englischen Charme bewahren konnte, nach Meinung von Sir Elton durchaus stolz sein.

Trotz des mäßigen sportlichen Erfolgs konnte sich der englische Pokalfinalist von 1984 und 2019 zum Ende der Saison 2012/2013 nachhaltig in das Langzeitgedächtnis für denkwürdige Spiele einnisten. Im Halbfinal-Rückspiel um den Aufstieg in die Premier League mussten die gelben „Hornets“ an der heimischen Vicarage Road eine 0:1-Hinspielniederlage gegen Leicester City umbiegen. In der sechsten Minute der Nachspielzeit schien dieses Unterfangen krachend zu scheitern. Zum einen führte man „nur“ mit 2:1 und wäre aufgrund der Auswärts-Torregel ausgeschieden. Zum anderen gab es bedauerlicherweise einen Foulelfmeter für Gegner Leicester, der das unwiderrufliche Ende aller Aufstiegshoffnungen bedeuten sollte. Was dann kam, ging rückblickend als „Wunder von Watford“ in die lange englische Fußball-Geschichte ein. Watfords spanischer Keeper Manuel Almunia hielt nicht nur den Elfmeter von Knockaert, sondern auch noch den Nachschuss aus kurzer Distanz. Aus dem anschließenden Befreiungsschlag entwickelte sich ein Konter, der das Stadion nur wenige Sekunden später explodieren ließ…das ewige Watford-Idol Troy Deeney verwandelte eine Kopfballablage aus elf Metern volley zum 3:1 und nahm anschließend ein ausgiebiges Bad in der Menge.

Ganz soviel Dramatik und Irrsinn gab es am 9. Spieltag der EFL Championship 2022/2023 nicht. Im Duell zwischen dem letztjährigen Erstliga-Absteiger und den „Royals“ vom Reading Football Club, das aufgrund des Todes von Queen Elizabeth II. in den November verschoben wurde, konnte man allerdings erkennen, wieviel Geld und Qualität auch im englischen Unterhaus steckt. Dies lag neben den späteren WM-Teilnehmern Ismaila Sarr (Senegal) und Royals-Akteur Abdul Rahman Baba (Ghana) vor allem an dem brasilianischen Doppeltorschützen Joao Pedro, der mit einem Marktwert von 20 Millionen Euro ausgestattet ist und seinen üppigen Vertrag in Watford wohl nur aufgrund der sogenannten Fallschirmzahlung für Erstliga-Absteiger (in Höhe von 50-80 Millionen Euro) noch mit Lust erfüllt. Am Ende gewann Watford unter der Regie von Trainer Slaven Bilic übrigens mit 2:0 (1:0) und schaffte vor 18.847 Zuschauern den Anschluss an die Aufstiegsplätze.

Nach einem letzten Bier ging es zurück ins Londoner Stadtzentrum. Zuvor lächelte mich das große Konterfei Elton Johns auf der nach ihm benannten Tribüne ein letztes Mal an. Grund genug, um leicht beduselt das Lied der Reise zu küren. Das stammt natürlich vom Meister persönlich und heisst „I´m still standing“!

Für weitere Fotos vom Spiel an der Vicarage Road von Watford kann ich Euch auch heute nur meine Social-Media-Auftritte bei Facebook und Instagram ans Herz legen. Klickt Euch mal durch und lasst mir ein Like da!

STAY TUNED…bleibt am Ball!