Falls ich in ein paar Jahren mal ein wenig Zeit mit mir selbst verbringen muss und meine Erlebnisse rund um den schönsten Sport der Welt reflektieren darf, dann wird die Saison 2015/2016 sicherlich einen besonderen Platz im virtuellen Regal einnehmen. In diesem Spieljahr startete ich nicht nur meine eigene Homepage, sondern erlebte viele schöne und auch einige besondere Stadionerlebnisse rund um die UEFA Europa-League. Dies konnte ich dem geneigten Leser in meinen letzten Reise- und Fußballberichten hoffentlich ein wenig näher bringen.
Zum unvermeidlichen Ende der Saison stand aber noch ein absolutes Highlight auf dem Programm. Das Finalspiel des „früheren UEFA-Cup“ im Baseler St. Jakob-Park. Zur Vorbereitung auf dieses Endspiel musste ich bereits im vergangenen Februar äußerst aufmerksam sein, da die alljährliche UEFA-Bewerbung für die Kartenlotterie anzugehen war. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als die Endspielpaarung noch nicht einmal ansatzweise feststand und auch mit Mannschaften wie dem FC Sion oder FK Krasnodar im Finale zu rechnen war. Dies soll nicht despektierlich klingen, es ist einfach nur der Beweis, dass mir in erster Linie der Wettbewerb am Herzen liegt, unabhängig von den teilnehmenden Mannschaften.
Da ich im Verlauf der letzten Jahre größtenteils positive Erfahrungen mit Ticketbewerbungen für europäische Endspiele gemacht habe, so war ich bei der diesjährigen erfolgreichen Zuteilung ehrlich gesagt ein wenig überrascht. Eine mir selbst zurechtgelegte Faustregel der letzten Jahre besagte, dass es besonders schwierig wird, wenn das Endspiel in Zentraleuropa mit kurzen Wegen für die großen westeuropäischen Fußballnationen stattfindet. In diesem Jahr kam dann noch das geringe Fassungsvermögen des St. Jakob-Park dazu, welcher für das Endspiel eine Kapazität von „nur“ 34.429 Zuschauern aufwies. Dies hätte bei einem Spiel von zwei fernreisenden Mannschaften mit wenig Fanpotential in jedem Fall sicher gereicht. Niemand konnte bei der Vergabe des Spieles an die Stadt Basel ahnen, dass das Finale 2016 zwei Mannschaften bereit hielt, welche sicherlich auch in der UEFA Champions-League einen Zuschauermagneten dargestellt hätten. Denn die Spielpaarung hieß Liverpool Football Club gegen den Sevilla Futbol Club, also eine der erfolgreichsten Mannschaften aus dem Mutterland des Fußballs mit nahezu unfassbarer Tradition gegen den Endgegner schlechthin, ein Team das die UEFA Europa-League in den letzten zwei Spielzeiten dominierte und so unterkühlt agierte, als käme die Truppe vom Polarkreis.
Für den Trip zum Endspielort Basel war wie immer zunächst einmal die An- und Abreise zu planen. Was macht man als Deutscher, wenn man zu einem Fußballspiel in die Schweiz fährt? Man orientiert sich an Fritz Walter mit der Weltmeister-Mannschaft von 1954 und nutzt den Landweg. Dieser hieß in diesem Fall Deutsche Bahn AG und stellte für den Hinweg einen schicken ICE2 zur Verfügung. Und nun kommt das Schönste an der Geschichte: Der Zug hatte bei Abfahrt in Köln und Ankunft in Basel nicht eine Minute Verspätung. Ich konnte das auf einer Gesamtstrecke von knapp 500 Kilometern nicht fassen und hätte aus purer Freude fast wieder mit dem Rauchen begonnen.
Die Ankunft in der Schweiz ist im übrigen immer etwas Besonderes. Das Land suggeriert einem Reisenden die absolute Ordnung, Sauberkeit, Kontrolle, Organisation und Planung. Allerdings ist dies auch mit einem besonderen Preis verbunden, denn der Schweizer Franke ist mittlerweile genauso viel wert wie unser geliebter Euro. Das merkt in relativ kurzer Zeit die Reisekasse, wenn man sich zum Beispiel eine leckere Bratwurst für 7 Franken, eine Starbucks-Tasse für 20 Franken oder einfach mal ein wenig Schweizer Schokolade für 23 Franken leistet.
Und so wurde es zwar ein teurer, aber auch wirklich schöner Endspieltag mit Besuchen beider Fanpartys, dem neutralen UEFA-Fan-Fest auf dem Baseler Münsterplatz und den netten Kneipen am Rheinufer.
Zunächst ging es zum Barfüsserplatz im „linksrheinischen“ Teil der Baseler Innenstadt. Hier hatten die vielen Fans aus Liverpool ihr Lager aufgeschlagen. Die Stimmung war auch Dank der vielen mobilen Bierstände überragend. Die eigens zum Public-Viewing angereisten ca. 5000 Schlachtenbummler von der Merseyside, ein Meer aus Bannern/Fahnen und die nie endenden Fanchants waren absolut beeindruckend und entfachten das vor einem entscheidenden Spiel wichtige Herzrasen. Selbst die Erkenntnis, dass die englischen Fans mittlerweile bengalische Feuer und rot-weissen Rauch für sich entdeckt haben, tat der Stimmung keinen Abbruch, da die ständig präsente Schweizer Polizei recht entspannt wirkte und die für Pyrotechnik angekündigte Strafe von 650 Schweizer Franken augenscheinlich nicht vollstreckte. Selbst vor deutschen Prominenten war man auf dem Barfüsserplatz nicht gefeit. Der Sänger der Düsseldorfer Musikgruppe Die Toten Hosen und Fan des Liverpool FC, Campino, war vor Ort und tauchte in die Stimmung ein.
Von der englischen Basis ging es zum Münsterplatz, auf welchem die Sponsoren der UEFA Europa-League einige Aktionen durchführten und teilweise nette Werbegeschenke unter die Leute brachten. Wenn man gegen den modernen Fußball ist, dann stellte dieses Fest eine No-Go-Area dar, ansonsten eine nett gemachte Veranstaltung mit Spiel, Spaß, Kundenbindung und Merchandising. Kann man sich angucken, muss man nicht.
Nach einem Kaffee und Kaltgetränk am Rheinufer ging es abschließend zum Claraplatz im „rechtsrheinischen“ Teil der Baseler Innenstadt. Hier feierten die mitgereisten Fans aus Sevilla. Nun ja, was man so feiern nennt. Waren die Herrschaften bereits ein wenig übersättigt von den vielen Endspielen? Es sah ein wenig so aus. Kein Gesang, keine Stimmung, man hatte eher den Eindruck, dass der Platz als eine Art Treffpunkt für ein kleines Glas Rioja-Wein diente. Eigentlich schade, aber vielleicht auch nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn was sich anfeuerungstechnisch später während des Spieles im Stadion im spanischen Block abspielte, kann durchaus mit den Worten heißblütig und begeisternd beschrieben werden.
Da die UEFA im Vorfeld mehrere Kontrollringe um das Stadion ankündigte, ging es schon recht früh per Pedes zur Arena. Der ca. halbstündige Weg aus der Innenstadt führte letztendlich nur geradeaus über die St.Jakob-Straße und mehrere extra gesperrte mehrspurige Schnellstraßen zum Stadion.
Bei Ankunft am St. Jakob-Park wird sich der unvorbereitete Fußballfan sicher fragen, wo das Stadion nun um Gottes Willen sein soll. Das „Ding“ hat nämlich eine sehr eigenwillige Fassade und ist in ein Einkaufscenter sowie ein großes Altenheim eingebettet. Sieht von außen ein wenig wie die Mischung aus Ufo und Bürogebäude aus.
Nach Durchlaufen der umfangreichen Sicherheitskontrollen nahmen mein Mitstreiter Norbert „Nobby“ Ahrndt und ich unsere Plätze im Block C4 ein. Diese befanden sich auf der Gegentribüne, in Höhe der Mittellinie. Die Vorfreude stieg langsam an und wurde durch die hervorragende Musikauswahl der Verantwortlichen mit Songs von Liverpooler Bands wie The LA´s und The Lightning Seeds nochmals richtig angefeuert.
Pünktlich gegen 20.30 Uhr startete dann die jedes Jahr sehr sehenswerte Eröffnungsfeier, diesmal mit der deutschamerikanischen Sängerin Arlissa, welche zusammen mit der Gruppe Schiller leichtbekleidet ihr Lied „Not in Love“ präsentierte. Wie immer perfekt organisiert, choreografiert und durch die vielen Beteiligten perfekt dargeboten. Wer es im TV nicht verfolgen konnte, der kann sich die Feier hier nochmal anschauen.
Nach Einlauf der Mannschaften pfiff der schwedische Schiedsrichter und Multimillionär Jonas Eriksson das Spiel pünktlich um 20.45 Uhr an. Beide Mannschaften tasteten sich in den ersten 20-25 Minuten nur ab und schauten sich gegenseitig „auf die Finger“, man merkte, dass niemand von Anfang an auf Risiko spielen wollte. In Sachen Fantrennung fiel auf, dass der Appell von Jürgen Klopp vor dem Spiel („Bleibt bitte zuhause, wenn ihr keine Karten habt“) offensichtlich auf taube Ohren stieß. Neben den unzähligen Fans ohne gültige Eintrittskarte, die ihr Team auf dem Barfüsserplatz beim Public Viewing unterstützten, waren offensichtlich auch tausende Fans auf dem doch recht teuren Schwarzmarkt tätig geworden. Denn bei dem Finale handelte es sich definitiv um ein richtiges Heimspiel des Liverpool FC. Dagegen wirkten die ca. 8000 Spanier tatsächlich ein wenig unterrepräsentiert. Vielleicht macht der Erfolg über die Jahre auch ein wenig träge. Bevor mir jetzt aber eine einseitige Berichterstattung nachgesagt wird, möchte ich sagen, dass der Support der Spanier wirklich richtig gut war. Auch das muss man erstmal hinkriegen, wenn man klar in der Unterzahl ist und gegen eine Armee von geölten Kehlen antreten muss. Chapeau!!!
Nach 35 Minuten wurde die hervorragende Stimmung bei den vielen Engländern noch ein wenig besser. Stürmer Daniel Sturridge erzielte mit einem Außenristschlenzer ins lange Eck das 1:0 für die „Heimmannschaft“ und brachte seine Fans in Ekstase. Man merkte dem FC Sevilla den Schock ein wenig an, denn in der Folge hatten die Liverpooler noch zwei bis drei sehr gute Chancen zu erhöhen und das Spiel damit vorzuentscheiden. Dies klappte aufgrund des eigenen Unvermögens oder auch einer grenzwertigen Abseitsentscheidung der schwedischen Referees nicht und brachte dem FC Sevilla in der Halbzeit die Luft, welche dringend benötigt wurde.
Denn in der 2. Halbzeit wurde es eine eindrucksvolle Fußballdemonstration des Titelverteidigers. Möglicherweise wurde diese durch den frühen Ausgleich des französischen Nationalspielers Kevin Gameiro stark begünstigt. Der Stürmerstar netzte bereits nach 10 Sekunden in der „Box“ ein und traf die Liverpooler Mannschaft damit mitten ins Herz. Die kamen in der Folge gar nicht mehr in die Zweikämpfe und wurden komplett auseinander gespielt. Die Folge waren weitere Tore durch Sevilla-Kapitän Coke, der bis zur 70. Minute klar stellte, wer den dritten UEFA-Cup in Folge holen wird. Und so verließen viele weinende Liverpool-Fans um mich herum ein wenig früher das Stadion. Die wirkten ein wenig wie Rebellensoldaten der Star-Wars-Republik, welche das feiernde Imperium alias FC Sevilla im Hintergrund ertragen mussten. Die liessen sich nach der Siegerehrung natürlich von ihren entfesselten Fans feiern und ehren.
Der FC Sevilla gewann zum dritten Mal in Folge den UEFA-Cup und darf diesen auch aufgrund der fünf Gesamtsiege nun behalten. Ich sage herzlichen Glückwunsch zum eindrucksvollen Sieg und wünsche eine hoffentlich nicht so strapaziöse Anreise zum Supercup-Finale nach Trondheim! Ich bin gespannt, ob die Mannschaft nächste Saison mal die Gruppenphase der UEFA Champions League übersteht. Falls ja, gibt es nächste Saison ein neuen Sieger.
Wer zu diesem Spiel einen Schönheitsfehler sucht, der dürfte aber auch fündig werden. Denn die knackigen Ausschreitungen vor dem Spiel im Stadion waren eines solchen Finales schlichtweg unwürdig. Mehr möchte ich dazu eigentlich nicht sagen.
Für mich endete nun tatsächlich die Road to Basel 2015/2016. Es ging mit einem Eurocity der Schweizer Bahn zurück nach Deutschland, tatsächlich wieder ohne jegliche Verspätung. Mein besonderer Dank geht an Ilona und Julian mit ihren drei Söhnen, welche uns im deutschen Schliengen für die 2 Tage Unterschlupf gewährten. Bei den Preisen in der Schweiz ein unschlagbares Angebot, auch wenn der Obstler ein wenig zu hart für mich war.
Für die nächsten Wochen steht nun die Europameisterschaft in Frankreich an. Dies gilt zumindest für alle glühenden Fans der Nationalmannschaften. Ob ich tatsächlich teilnehme, kann ich bislang noch nicht sagen. Das ist keine Frage von verfügbaren Tickets, sondern eine Frage des Willens. Wer mein Vorwort „about me“ kennt, der weiß, dass ich den Clubfussball mit all seinen Kulturen bevorzuge. So wird es vermutlich auch bleiben.
Deshalb beginnt meine Saison wohl erst wieder Ende Juni, wenn die Road to Solna 2017 startet. Aber auch für diese Saison habe ich mir in letzter Minute noch ein persönliches Highlight gesichert. Mehr dazu nächste Woche!
Stay tuned, Danke fürs Lesen!!!