Wenn mein straff organisiertes „Sightseeing“-Management am jeweiligen Zielort etwas Luft zum Atmen gibt, investiere ich die kostbare Zeit gerne in eine erste Besichtigung des leeren Stadions. Nur dann gibts die nötige Ruhe für aussagekräftige Fotos, die an dem folgenden Spieltag aufgrund der vielen Zugangsbeschränkungen so nicht möglich sind.

In der nordslowakischen Industriestadt Zilina hatte ich aufgrund des „Tages der Verfassung der slowakischen Republik“ völlig unerwartet jede Menge (Frei-)Zeit, da das öffentliche Leben in dem osteuropäischen Land an diesem Feiertag ruhte. Bei Ankunft am recht nüchtern wirkenden „Stadion pod Dubnom“ deutete zunächst so gar nichts auf ein Erstliga-Spiel der Fortuna-Liga hin, welches nur gut 24 Stunden später in dieser Spielstätte stattfinden sollte.

Genau deshalb war ich umso dankbarer für eine inoffizielle Einladung ins Wohnzimmer des MSK Zilina. Während der Umrundung des „Pod Dubnom“ stieß ich auf die sogenannte „offene Tür“, meine Metapher für den unerwarteten Zutritt in die Stadien dieser Welt. Die „offene Tür“ besitzt viele verschiedene Gesichter und ist gerade tagsüber in so ziemlich jedem Stadion auf diesem Planeten mit ein bisschen Aufwand zu finden. In Zilina trat die „offene Tür“ als schnödes Metalltor auf, das zwar sperrangelweit geöffnet war, mit dem Hinweis „Tor immer schließen“ aber auch eindringlich vor dem obligatorisch grimmigen Platzwart warnte.

Da ich den romantisch anmutenden Schriftzug auf dem Schild aufgrund meiner fehlenden slowakischen Sprachkenntnisse vielleicht auch vorsätzlich anders interpretierte, stand ich nach wenigen Schritten urplötzlich an der Eckfahne des Stadions. Dort wurde ich zum einzigen Zeugen des nichtöffentlichen MSK-Abschluss-Trainings vor dem wichtigen Spiel gegen den FK Zeleziarne Podbrezova. Dieser Umstand blieb auch dem Co-Trainer des Teams aus Zilina nicht verborgen, der schnellen Schrittes auf mich zulief und skeptisch nach dem Grund meines Aufenthaltes fragte. Offensichtlich ist man auch im Profifußball der Slowakei nicht vor Spionen, Scouts und passionierten Taktik-Entschlüsselern des Gegners sicher. Letztlich konnte ich den guten Martin Kuciak recht schnell davon überzeugen, dass ich nie zuvor in Podbrezova war, dort mit Sicherheit niemanden kenne und (vorerst) auch nicht als professioneller Spielervermittler in Erscheinung treten möchte.

Der MSK Zilina galt bis zum Ende der vergangenen Saison als erfolgreichster slowakischer Verein der 2000er-Jahre, da man in diesem Jahrtausend insgesamt sieben nationale Meisterschaften gewinnen konnte (2002, 2003, 2004, 2007, 2010, 2012 und 2017). Mittlerweile musste man allerdings Hauptstadtclub SK Slovan Bratislava vorbeiziehen lassen, der in der vergangenen Saison seinen achten Meistertitel in diesem Millennium gewinnen konnte und damit nun endgültig als slowakischer Serien- und Rekordmeister gilt. 

Wenigstens bleibt dem Verein aus der 80.000-Einwohner-Stadt Zilina ein durchaus prestigeträchtiger Titel, für den es zwar keinen Pokal gab, den in naher Zukunft vermutlich aber auch kein anderer Club der schwächelnden Fortuna Liga erreichen wird. Der MSK Zilina, der Spieler wie Marek Mintal, Stanislav Sestak oder Peter Pekarik für die Bundesliga fit machte, ist der einzige noch existierende slowakische Fußballverein, der sich je für die Gruppenphase der UEFA Champions League qualifizieren konnte. Die beiden anderen Clubs, 1. FC Kosice und Artmedia Bratislava, sind schon lange aufgelöst und damit maximal slowakische Fußball-Geschichte.

Am 9. Spieltag der laufenden Saison traf der MSK auf die bereits angesprochene Mannschaft der „Eisenhütte Podbrezova“. 

Vor übersichtlichen 1.369 Zuschauern übernahmen die Gäste nach Anpfiff der Partie etwas überraschend die Spielkontrolle. Der Aufsteiger aus Podbrezova erspielte sich mehrere gute Möglichkeiten und war nach 25 Minuten zudem in Überzahl. Nach einem Foulspiel von Zilina-Kapitän Nemcik an der Strafraumkante gab es nach einem Hinweis des VAR von Schiedsrichter Dohal die Rote Karte. Der Platzverweis veränderte das Spiel in der Folge komplett. Plötzlich waren es nicht mehr die zuvor überlegenen Gäste, die das Spiel bestimmten, sondern die in Unterzahl agierenden Gastgeber, welche im Verlauf der weiteren gut 70 Spielminuten mehrere Hochkaräter vergaben.

Gerade in dem Augenblick, als ich das torlose Remis mit einem Foto der Anzeigetafel dokumentieren wollte, machten sich die Gäste zu einem letzten Angriff auf. Eine flache Hereingabe von der linken Seite, ein Fehler von Zilina-Keeper Belko und das goldene Tor für den Aufsteiger durch den kurz zuvor eingewechselten 17jährigen Andy Masaryk fassen die Nachspielzeit in Kürze zusammen. Mit dem Sieg rückte der Aufsteiger fast schon sensationell auf den 2. Tabellenplatz vor und könnte in der nächsten Saison im Europapokal spielen.

Das war die Slowakei auf meiner Europareise „UEFA55“ ! Stehende und bewegte Bilder..Fotos und Storys…findet Ihr wie immer in den sozialen Medien. Klickt Euch bei Facebook und Instagram einfach mal rein! 

STAY TUNED…BLEIBT AUF EMPFANG!