Der Pokal hat seine eigenen Gesetze! Diese wunderbare Phrase des mittlerweile 86-jährigen Fußballtrainers Otto Rehhagel gilt in erster Linie für sportlich schwer zu erklärende Sensationssiege eines Underdogs. Am Beispiel des deutschen DFB-Pokals wird sie vorzugsweise in der allseits beliebten Auftaktrunde genutzt, um das frühe Ausscheiden des millionenschweren Proficlubs gegen die Teilzeit-Fußballer eines ambitionierten Amateurvereines wenigstens ansatzweise zu analysieren.

Auch in der Auswahl des Finalortes gelten für jeden europäischen Pokalwettbewerb eigene Gesetze und Regeln. Während die vergleichsweise großen und traditionsbewussten Fußballnationen wie England, Deutschland oder Frankreich ihre Endspiele mit erkennbarer Kontinuität im grössten Stadion ihrer Hauptstadt austragen, gibts in vielen anderen europäischen Ländern ganz andere Ideen und Vorgehensweisen in der Wahl des Endspielortes.

Bei einem Blick auf die Landkarte fallen hierbei durchaus arrivierte Fußballnationen ins Auge, die für ihr Pokalendspiel einen anderen Weg beschreiten. An erster Stelle steht hier vermutlich der spanische Fußballverband mit der royalen „Copa del Rey“, welche bis zum Jahr 2020 keine wirkliche Finalheimat besaß und im Wechsel zumeist in Madrid, Barcelona und Valencia ihren Sieger fand. Mittlerweile hat man im Olympiastadion der andalusischen Metropole Sevilla eine echte Endspielheimat für den spanischen Pokal gefunden. Die Arena mit einem Fassungsvermögen von fast 60.000 Zuschauern wird im Ligaalltag überhaupt nicht bespielt und fristete nach der Fertigstellung zum Jahrtausendwechsel lange Zeit ein trauriges Dasein.

Eine weitere Alternative findet man bei unseren Nachbarn in den Niederlanden, die ihr Finale weder in der Hauptstadt Amsterdam noch im grössten Stadion des Landes austragen, aber dennoch voll auf Tradition und einen festen Endspielort setzen. Seit 1989 wird das KNVB-Pokalfinale nämlich im 47.500-Zuschauer fassenden Stadion „De Kuip“ von Rotterdam veranstaltet, dem zweitgrössten Stadion des Landes, das sich passenderweise auch noch in der zweitgrössten Stadt der Niederlande befindet.

Falls ein Pokalendspiel zugleich auch Urlaub sein soll, bietet der österreichische Fußballverband seit 2014 die ultimative Lösung an. Da das große Ernst-Happel-Stadion in Wien bei Pokalendspielen oftmals nicht mal ansatzweise voll wurde, entschied man sich richtigerweise für ein kleineres Stadion, um echte Endspiel-Atmosphäre zu erzeugen. Die Wahl fiel auf das moderne Wörthersee-Stadion der Kärntener Landeshauptstadt Klagenfurt mit einem „überschaubaren“ Fassungsvermögen von 30.000 Zuschauern. Rückblickend eine Entscheidung, die voll aufging, aber in Zeiten allgemein steigender Fußballbegeisterung vermutlich schon bald wieder revidiert werden muss. Die Finalspiele der Jahre 2023 bis 2025 waren restlos ausverkauft und dürften die Verantwortlichen dazu veranlassen, in Zukunft zurück nach Wien zu ziehen.

Generell bleibt allerdings festzuhalten, dass die meisten europäischen Pokalendspiele tatsächlich in der Hauptstadt des jeweiligen Landes ausgetragen werden. Wenn man also auf Suche nach einem spannenden Pokalfinale ist, macht man mit einer Reise ins armenische Yerevan, einem „Pubcrawl“ im nordirischen Belfast oder einem deftigen Abendessen in der ungarischen Weltstadt Budapest überhaupt nichts falsch.

Bleiben die Fußballverbände, die ihr Pokal-Highlight des Jahres nicht unbedingt in der Hauptstadt oder einem ständig wiederkehrenden Ort veranstalten und mit wechselnden Endspielstadien das gesamte Land beteiligen. Allein in der gerade abgelaufenen Saison 2024/2025 findet man hier Städte, auf die man zuvor nicht unbedingt gekommen wäre. Als persönliche Paradebeispiele gelten hier die Türkei mit dem Spielort Gaziantep, Serbien mit der Kleinstadt Zajecar oder Dänemark mit dem vergleichsweise kleinen Stadion in Herning.

Wie die zuvor genannten Konkurrenten hat sich auch der rumänische Fußballverband mittlerweile dazu entschieden, sein Pokalfinale nicht immer im Bukarester Nationalstadion auszutragen. Dabei wird der rumänische Pokalwettbewerb mit dem Eigennamen „Cupa Romanaiei“ seit Jahrzehnten von den Bukarester Vereinen FCSB, FC Rapid 1923 und Dinamo dominiert. Seit der Erstaustragung des Wettbewerbs im Jahr 1933 gingen satte 51 der insgesamt 86 Pokaltitel in die rumänische Hauptstadt.

Obwohl die 2011 eröffnete „Arena Nationala“ in Bukarest tatsächlich höchsten Ansprüchen genügt, änderte man 2019 die Vergabepraxis und bescherte den Menschen in Städten wie Ploiesti und Sibiu endlich mal einen Platz in der großen weiten Fußballwelt. Auch der Spielort des diesjährigen Pokalfinales wirkte im Vergleich zu all den europäischen Finalorten durchaus exotisch. Die Stecknadel fiel auf die westrumänische Stadt Arad, die sich nahe der ungarischen Grenze befindet und mit ihrem vergleichsweise kleinen Stadion auf den ersten Blick nicht wie der perfekte Endspielort wirkte.

Aber wie so oft im Leben sollte man gelegentlich ein zweites Mal hinschauen. Dass das große Finale des rumänischen Fußballs nach Arad vergeben wurde, ist vermutlich dem heimischen Verein UTA Arad und einem runden Geburtstag geschuldet. Der 1945 gegründete Verein konnte in der Vergangenheit insgesamt sechs Meisterschaften sowie zwei Pokalsiege feiern und steht in der ewigen Meistertitel-Tabelle Rumäniens etwas überraschend auf dem dritten Platz. Dementsprechend war es fast logisch, das diesjährige Pokalfinale anlässlich des 80. Geburtstages des Clubs nach Arad zu vergeben.

Im diesjährigen Finale der „Cupa Romanaiei“ kam es zu einem transsilvanischen Duell zwischen Eisenbahnerclub CFR 1907 Cluj und dem AFC Hermannstadt. Beide Teams mussten sich zuvor durch einen Wettbewerb kämpfen, welcher mit dem deutschen Pendant nicht allzu viel gemeinsam hat. Nach den regionalen Endspielen startet der rumänische Pokal Ende Juli mit insgesamt 136 Mannschaften in die Hauptrunde. Im Vergleich zum DFB-Pokal kommen in der 1. Runde zunächst aber nur die Mannschaften der dritten und vierten Liga zum Zug. In den darauffolgenden zwei Runden gesellen sich dann die 22 Zweitligisten dazu, welche im Duell mit den übrig gebliebenen Dritt- und Viertligisten um einen Platz in der folgenden „Play-Off-Runde“ kämpfen.

Die Play-Off-Runde ist vermutlich am ehesten mit dem beliebten Duell zwischen David und Goliath in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals zu vergleichen, da hier die acht Erstligisten der unteren Tabellenhälfte auf die übrig gebliebenen Zweit-, Dritt- und Viertligisten treffen. Die Sieger der Play-Offs ziehen dann in eine Gruppenphase ein, wo die acht Erstligisten der oberen Tabellenhälfte erstmals ins Geschehen eingreifen.

In der Saison 2024/2025 konnten sich neben den acht fest qualifizierten Erstligisten fünf weitere Erstliga-Konkurrenten über die vorgelagerten Play-Offs für die Gruppenphase qualifizieren. Dazu gesellten sich sieben Zweit- und vier Drittligisten, die sich mühevoll durch die vorherigen Runden kämpften und in dieser Gruppenphase auf ein Weiterkommen in den KO-Modus hoffen durften.

Am Ende konnten sich mit den bereits angesprochenen Finalteilnehmern aus den „Bergen des Grafen Dracula“ zwei Erstligisten durchsetzen, welche die Titel-Vorherrschaft der Hauptstadt Bukarest temporär unterbrechen. Für mich persönlich eine vollends runde Sache, da ich beide Vereine im kalten Winter 2023 bereits ausführlich unter die Lupe nehmen durfte und von der Gastfreundschaft der Verantwortlichen überwältigt war.

Bei sommerlichen Bedingungen ging es nach meiner Ankunft in Arad direkt zum Stadion. Die moderne Arena ist nach dem jüdisch-ungarischen Unternehmer Francisc von Neumann benannt und wurde erst vor knapp fünf Jahren eröffnet. Dementsprechend wurde die mit einem Fassungsvermögen von 12.000 Zuschauern ausgestattete Heimspielstätte von UTA Arad durch die UEFA bei der Stadionklassifizierung in Kategorie 4 eingestuft. Auf dieser Ebene könnte der heimische Club sogar in den europäischen Pokalwettbewerben antreten. Auf der Suche nach dem mit Abstand auffälligsten Design-Element der Arena bleibt man mit Sicherheit an der bogenförmigen Dachkonstruktion der vier eigenständigen Tribünen hängen, die mich stark an das „Kirklees“-Stadion von Huddersfield oder das „Ljudski Vrt“ im slowenischen Maribor erinnerten.

Vor ausverkauftem Haus legte der Favorit aus der transsilvanischen Hauptstadt Cluj-Napoca los wie die Feuerwehr. Die Mannschaft des ehemaligen Chelsea-Profis Dan Petrescu führte nach Toren von Kamara (15.) und Munteanu (22.) früh mit 2:0 und beeindruckte damit die hoch motivierten Hermannstädter. Die kamen mit Hilfe einer Standardsituation zum umjubelten Anschlusstreffer, als Capusa einen Freistoßflanke über die Linie drückte (37.). Auch in der 2. Halbzeit war der Favorit aus Cluj zunächst die spielbestimmende Mannschaft und erhöhte folgerichtig auf 3:1 (Nkololo, 48.). Wer nun aber dachte, dass der Hermannstädter Widerstand gebrochen war, befand sich komplett auf dem Irrweg. Der Underdog aus Sibiu steckte nie auf und war spätestens mit dem erneuten Anschlusstreffer zum 2:3 (Bus, 74.) voll im Spiel. Eine Verlängerung wäre unausweichlich gewesen, wenn Cluj-Keeper Otto Hindrich nicht einen absoluten Sahnetag erwischt hätte. In der sogenannten „Crunchtime“ mit fast 10 Minuten Nachspielzeit vereitelte Hindrich einige gute Einschussmöglichkeiten der Hermannstädter. Nach fünf Toren und zwei Platzverweisen nach Rudelbildung pfiff der umsichtige FIFA-Referee Andrei Chivulete das intensive Endspiel ab und sorgte für unbändigen Jubel bei den weinrot gekleideten Akteuren des CFR Cluj.

Mit dem insgesamt fünften Pokalsieg der Vereinsgeschichte nimmt der rumänische Vizemeister in der nächsten Saison an der Qualifikation zur UEFA Europa League teil. Für Gegner AFC Hermannstadt bleibt nur die Hoffnung, dass „aller guten Dinge drei sind“. Nach 2018 verlor der noch junge Club sein zweites Pokalfinale und kann nur hoffen, dass es beim nächsten Mal besser läuft. Zu gönnen wäre es den sympathischen Verantwortlichen in jedem Falle.

Das war das rumänische Pokalfinale 2025. Auf dieser Webseite gibts noch ausführliche Blogs von meinen winterlichen Abenteuern in Sibiu/Hermannstadt und Cluj im Jahr 2023. Zudem gibts in meinen Social-Media-Netzwerken bei Instagram und Facebook viele Fotos und bewegte Story-Bilder vom rumänischen Pokalfinale in Arad. Klickt Euch doch mal rein!

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