Das schottische Gesellschaftsdrama „Trainspotting“ mit Ewan McGregor in der Hauptrolle erzählt die Geschichte einer arbeitslosen Clique, die im Edinburgh der späten 1980er-Jahre aufgrund der andauernden Perspektivlosigkeit ständig auf der Suche nach dem nächsten „Heroin-Schuss“ ist. Die düstere Inszenierung von Regisseur Danny Boyle zeichnet ein negativ-satirisches Bild der britischen Gesellschaft dieser Zeit und besitzt vor allem Dank des unverkennbaren Titelsongs „Born Slippy“ absoluten Kultstatus.

Ob die jahrzehntelange Erfolglosigkeit des Nord-Londoner Fußball-Schwergewichtes Tottenham Hotspur auch bei dem einen oder anderen Anhänger zum übermäßigen (Frust-)Konsum von Alkohol, Marihuana, Kokain oder sogar Heroin führte, ist natürlich rein spekulativ. Wenn es allerdings wirklich so wäre, hat der Verein zum Ende der jüngst abgelaufenen Saison mit der „Erfolgspille“ eine bahnbrechende Therapie entwickelt, mit welcher viele Fans die schmerzstillenden Drogen endlich weglassen können.

Bis dahin war es freilich ein weiter und vor allem steiniger Weg. Obwohl der Club zu den weltweit umsatzstärksten Vereinen gehört, war man im Vergleich zu den übrigen Premier League-Vereinen des oberen Tabellendrittels in Sachen Transferausgaben fast schon zurückhaltend. Während Konkurrenten wie Chelsea, Manchester City oder Arsenal längst dreistellige Millionenbeträge für ihr kickendes Personal hinlegen, war Tottenhams umtriebiger Präsident Daniel Levy vergleichsweise sparsam. Bisheriger Rekordtransfer des Clubs war Stürmer Dominic Solanke für unschlagbar „günstige“ 64,3 Millionen Euro.

Was sich in der Gegenüberstellung zu den führenden englischen Clubs nach einem klaren Wettbewerbsnachteil anhört, ist am Ende aber Jammerei auf ganz hohem Niveau. Mit einem Gesamtmarktwert von 766 Millionen Euro rangiert Tottenham Hotspur in der Liste der wertvollsten Mannschaften der Welt auf einem starken neunten Platz. Umso erstaunlicher, dass man sich mit diesem riesigen Finanzvolumen nicht dauerhaft in der Spitzengruppe der Premier League festsetzen konnte und bei den diversen Europapokal-Teilnahmen sogar grösstenteils enttäuschte. Bis auf die legendäre Finalteilnahme in der UEFA Champions League der Saison 2018/2019 (0:2 gegen Liverpool) bleiben bei den treuen Fans vor allem die peinlichen Auftritte in der UEFA Conference League 2021/2022 im Gedächtnis hängen, als man in der Gruppenphase gegen die „übermächtigen“ Teams von Vitesse, NŠ Mura und Stade Rennais den Kürzeren zog.

Auch das gerade abgeschlossene Spieljahr musste lange Zeit als völlig katastrophal bezeichnet werden und dürfte viele Fans dazu animiert haben, noch tiefer als sonst ins Glas zu schauen. Das Star-Ensemble des australischen Trainers Ange Postecoglou spielte die schlechteste Premier League-Saison aller Zeiten und kam am Ende als völlig indiskutabler Tabellen-17. ins Ziel. Dass man nicht in arge Abstiegsnöte geriet, ist ausschließlich der Schwäche der drei Absteiger zu verdanken, welche überhaupt nicht konkurrenzfähig waren und auf den letzten drei Plätzen einzementiert wurden.

Bevor die Wut der Fans allerdings vollends überschäumen konnte, hatten Trainer und Mannschaft noch die ultimative Chance auf Wiedergutmachung. Während man in der Liga einen peinlichen Auftritt nach dem anderen hinlegte, lief es in der UEFA Europa League weitaus flüssiger. Hier spielte man sich Runde für Runde durch den Wettbewerb und traf im großen Finale von Bilbao auf den ebenfalls strauchelnden Liga-Konkurrenten Manchester United. Das Duell der beiden englischen Clubs in der Fußball-Kathedrale von „San Mames“ war ein verkrampftes Fußballspiel, das maximal von seiner Spannung lebte. Beiden Teams merkte man die harte und erfolglose Saison deutlich an.

Als der deutsche Schiedsrichter Felix Zwayer dieses Finale abpfiff, endete für den Tottenham Hotspur Football Club Dank des goldenen Tores von Brennan Johnson (42.) eine über 40 Jahre andauernde Durststrecke. Der unerwartete Gewinn des zweitwichtigsten Pokalwettbewerbes des europäischen Kontinents war tatsächlich der erste internationale Titel seit dem Triumph im UEFA-Pokal zum Ende der Saison 1983/1984.

Mit dem Gewinn der UEFA Europa League wird nun auch mein Spielbesuch am 8. Spieltag der neu eingeführten Ligaphase weitaus wertvoller. Schließlich war ich auf der langen „Road to Bilbao“ wenigstens auf ein paar Kilometern mit dabei. In diesem Spiel trafen die Spurs auf den schwedischen Underdog IF Elfsborg.

Bei Ankunft an der Bahnstation „White Hart Lane“ kriegt man ein erstes Gefühl für die Wucht dieses Vereines. Das 2019 eröffnete „Tottenham Hotspur Stadium“ wurde grösstenteils auf dem Grund des alten Stadions errichtet und wirkt inmitten der typisch englischen Wohnbebauung wie ein gerade gelandetes UFO. Die fast 1,2 Milliarden teure Arena fasst aktuell gut 63.000 Zuschauer und verursacht beim Erstkontakt in jedem Fall den sogenannten „WOW“-Effekt. Allein der Fanshop der Spurs erinnert eher an einen großen Sportmarkt mit dem Namen des „Zehnkampfes“ und lässt einen ob des unglaublichen Angebotes staunend zurück.

Eine gehörige Portion Gänsehaut gab es dann kurz vor dem Anpfiff des österreichischen Schiedsrichters Sebastian Gishamer, als das zu Beginn erwähnte Trainspotting-Lied „Born Slippy“ in voller Lautstärke eingespielt wurde und im Zusammenspiel mit der Lichtshow für Clubatmosphäre sorgte. Bei so viel Show braucht man nun wirklich keine Drogen mehr!

Vor 57.337 Zuschauern musste der Gast aus Schweden unbedingt gewinnen, um sicher in die Play-Offs für das Achtelfinale einzuziehen. Dementsprechend spielte man mutig nach vorne und konnte sich mit Unterstützung der gut 3.000 mitgereisten Schlachtenbummler einige gute Möglichkeiten erspielen. Für Tottenham eine gefährliche Situation, da man vor dem Spiel zwar so gut wie sicher für das Achtelfinale qualifiziert war, bei einer Niederlage aber noch in die unbebliebten Play-Offs hätte abrutschen können.

Nach einer torlosen ersten Hälfte setzten sich in der 2. Halbzeit dann doch Klasse und Marktwert durch. Am Ende markierten die Tore der Londoner Eigengewächse Scarlett (70.), Ajayi (84.) und Moore (90+4) einen ungefährdeten 3:0 (0:0)-Heimsieg. Mit diesem Ergebnis mussten die Gäste die bittere Erkenntnis schlucken, dass die Europareise aufgrund der anderen Ergebnisse auf dramatische Weise endete. Für die Spurs ging es in der Folge über AZ Alkmaar, Eintracht Frankfurt, dem FK Bodø/Glimt und Manchester United auf den Thron der UEFA Europa League.

In meinen Social-Media-Netzwerken bei Instagram und Facebook gibts wie gewohnt bewegte Story-Bilder und weitere Eindrücke aus dem Norden Londons. Diesmal selbstverständlich auch vom „Trainspotting“ vor dem Spiel! Klickt Euch doch mal rein!

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