Nach der kurzen Weihnachtspause startete die UEFA Europa League 2017/2018 im kalten Februar mit der „Zwischenrunde“ bereits in die finale Phase! Diese auf den ersten Blick „sinnlose“ Spielrunde musste aufgrund der Neuankömmlinge aus der Königsklasse bereits so früh angesetzt werden, um ab dem Achtelfinale wieder im Gleichschritt mit der UEFA Champions League agieren zu können. Bei den neuen Teams in den KO-Spielen der Euro-League handelte es sich um die Drittplatzierten der Gruppenphase des Landesmeister-Wettbewerbs, welche statt einem kompletten europäischen Saisonende als Trostpflaster „absteigen“ und weiterhin von einem europäischen Titel träumen durften. In dieser Saison befanden sich mit Borussia Dortmund, Atletico de Madrid oder auch Sporting Club de Portugal äußerst namenhafte Teams auf dem Champions-League-Abstiegsrang! Somit war eine interessante und spannende KO-Phase auf meiner persönlichen „Road to Lyon“ garantiert!
Rückblickend war genau diese Zwischenrunde nicht nur ein Meilenstein, sondern in erster Linie eine richtig „harte Nuss“ auf meiner fast einjährigen Reise durch die Stadien der UEFA Europa League 2017/2018. Aufgrund der eher suboptimalen Auslosung war es gar nicht mal so einfach, in dieser Spielrunde das perfekte Match für mich zu finden. Schließlich hatte ich mir ganz klare Vorgaben gegeben, im Wettbewerb wollte ich kein Stadion bzw. Spielort zweimal besuchen. Im Hinblick auf die noch ausstehenden Spielrunden war eine vorausschauende Planung deshalb umso wichtiger, ich musste also Mannschaften auswählen, die ich nicht unbedingt im Viertel- oder auch Halbfinale erwarten würde. Zudem musste ich auch weiterhin die Kosten im Auge behalten. Bei einer einjährigen Europareise spielen die Hotel-, Flug und auch Ticketpreise sicher die wichtigste Rolle, letztlich bestimmen sie, welches Reiseziel machbar und auch vernünftig ist! In Bezug auf die Tickets war für mich extrem wichtig, dass ich keine Zweitverwerter nutze, welche die Tickets für stark überhöhte Preise an den Mann oder auch die Frau bringen. Nach Auswertung der vorgenannten Punkte entschied ich mich für die Zwischenrunde zunächst für das (Rück-)Spiel zwischen dem tschechischen Vertreter FC Viktoria Pilsen und den Serben vom FK Partizan. Im Laufe meiner Planungen für dieses Spiel musste ich das erste Mal feststellen, dass der reguläre Kartenkauf aufgrund der unerwarteten Sicherheitsbestimmungen ein wenig schleppender laufen sollte. Das Wort „schleppender“ hört sich im Nachgang insgesamt ein wenig netter an, im Februar hätte ich sicher das Wort „aussichtslos“ gewählt.
Aufgrund dieser Probleme und der damit verbundenen Unsicherheit musste ich trotz bestehender Flugbuchung reagieren und einen Plan B einbauen, das sogenannte Notfall-Spiel. Das musste natürlich sinnigerweise als Hinspiel stattfinden, um bei einem ausbleibenden Erhalt von Eintrittskarten für das Match in Pilsen diese Spielrunde vorab abhaken zu können.
Deshalb ging es bereits im Hinspiel der Zwischenrunde mit einem Airbus A320 der ungarischen Low-Cost-Airline „Wizz Air“ vom Flughafen Dortmund in die rumänische Hauptstadt Bukarest!
Das wirtschaftliche Zentrum mit dem einheimischen Namen „Bucuresti“ ist mit knapp 2 Millionen Einwohnern natürlich auch die größte Stadt Rumäniens. Bevor ich jetzt ins Detail gehe, ein paar Worte vorab.
Für Fans von Städtereisen ist Bukarest mit Sicherheit ein eher skurriles bzw. ausgefallenes Ziel im Vergleich mit vielen anderen Hauptstädten Europas. Dies liegt in erster Linie daran, dass die „schönen Seiten einer Stadt“ in der Metropole Rumäniens nur äußerst begrenzt vorhanden sind. Das Stadtbild zeigt sich mit seinen riesigen Wohnbunkern entlang der unzähligen achtspurigen Prachtstraßen zu meist stark heruntergekommen und hat den erwarteten Charme einer kommunistischen Hauptstadt zu Zeiten des kalten Krieges. Dazu kommt der Umstand, dass die Stadt nicht übermäßig viele berühmte Sehenswürdigkeiten wie London, Paris oder auch Berlin zu bieten hat. Mit anderen Worten, als unvorbereiteter Tourist muss man nach Ankunft in Bukarest eigentlich zu der unwiderruflichen Entscheidung kommen, direkt wieder ins Flugzeug einzusteigen.
Was sich bei einer Citytour nach Bukarest auf den ersten Blick also wirklich negativ anfühlt, ist auf den zweiten Blick mit nur einem Wort zu beschreiben: „Interessant“!
Bukarest befindet sich schließlich in Osteuropa, einem manchmal immer noch neuen und unentdeckten Teil unseres Kontinents. Und da gelten oft andere Regeln als in unserem überorganisierten westlichen Teil Europas. Auf der Balkanhalbinsel scheint das Leben manchmal härter, aber auch oft mit einer Brise mehr Gelassenheit und Lebensfreude garniert. Gerade in den osteuropäischen Ländern wird man mit Situationen konfrontiert, die man aus Deutschland nicht mehr unbedingt kennt. Dazu kann man tagtäglich sehen, dass die Schere zwischen Arm und Reich gerade dort sehr weit auseinander geht. Allein nach der Ankunft am Flughafen Bukarest-Otopeni konnte ich mir ein kurzes Lächeln nicht verkneifen, so ungefähr muss eine Zeitreise in die 1970er-Jahre aussehen! Trotz der üblichen süd-osteuropäischen Probleme mit irrsinnigem Straßenverkehr, recht eigenwilligen Taxifahrern und einem nicht immer voll ausgeprägten subjektiven Sicherheitsgefühl war es einmal mehr ein wirklich netter Ausflug.
Denn insgesamt überwiegen auch in Bukarest die positiven Begleiterscheinungen eines Fußball-Reisenden. Ein erster Anlaufpunkt in Sachen Sightseeing stellt mit Sicherheit der monumentale Präsidentenpalast des ehemaligen Diktators Nicolae Ceaușescu dar. Dieser wurde in den Jahren 1983 bis 1989 von ca. 20.000 Arbeitern errichtet und verfügt über insgesamt 5.100 Räume. Der Palast ist nach dem us-amerikanischen Verteidigungsministerium „Pentagon“ das zweitgrösste Verwaltungsgebäude der Welt. Das „Ding“ ist so wuchtig und allgegenwärtig, dass man es aus vielen anderen Gebäuden der Stadt sehen kann. Das als Palast-Schrein Ceaușescus gedachte Gebäude befindet sich am Ende der in die Jahre gekommenen Prachtstraße „Boulevard Unirii“ und ist heute wieder in den Händen des rumänischen Volkes, es beherbergt das Parlament des EU-Landes.
Nach einem kleinen Spaziergang über eben diesen Boulevard gelangt man nach Passieren des großen Unirii-Platz in die Altstadt Bukarests, welche in der Gesamtheit vielleicht die Hauptsehenswürdigkeit der rumänischen Hauptstadt darstellt. Was soll ich sagen, plötzlich war ich in einer völlig anderen Welt. Kleine gemütliche Gassen mit Kopfsteinpflaster, alte restaurierte Häuser und eine recht umfangreiche Ansammlung von Kneipen, Bars, Clubs und Restaurants. Dazu gab es mit der Stavropoleos-Kirche und der Biserica Sfantul Anton zwei geschichtsträchtige Örtlichkeiten, welche ebenfalls sehr schön restauriert wurden. Neben der „Biserica“ befinden sich übrigens die Ruinen des ehemaligen Fürstenhofes. Der ehemalige Fürst Vlad Tepes gilt als der Begründer Rumäniens und ist definitiv weltbekannt. Nie gehört den Namen? Vielleicht kennt ihr den Mann eher unter seinem Namen Vlad III Draculea. Dieser Mensch diente dem irischen Schriftsteller Bram Stoker im Jahr 1897 als Vorlage für seine Romanfigur Graf Dracula, dem vermeintlich bekanntesten Vampir der Welt.
Die erste Frage, die nun vorab zu klären ist, beschäftigt sich mit den Namen FCSB und FC Steaua Bukarest. Ist das noch der Club, der als Armeeverein 1986 mit dem deutschstämmigen Torhüter Helmuth Duckadam den Pokal der Landesmeister (Vorgänger der UEFA Champions League) gewann? Ich sage mal ganz salomonisch JEIN. Bei dem FCSB (SC Fotbal Club FCSB SA) handelt es sich tatsächlich um den rechtmäßigen Nachfolgeverein des FC Steaua Bukarest. Dieser musste im Jahr 2014 nach einem Rechtsstreit mit der rumänischen Armee nicht nur umbenannt, auch das Vereinswappen musste neu entworfen werden. Kürzlich hat die rumänische Armee übrigens mit einem speziellen Schachzug für Furore gesorgt. Da sie immer noch die Rechte am alten Verein besitzt, gründete sie diesen einfach neu. Der „neue“ FC Steaua Bukarest startete mit altem Namen und Wappen in der 4. rumänischen Liga und erfreut sich einer erheblichen Fanunterstützung. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt.
Bevor ich jetzt zum eigentlichen Spiel komme, noch ein Wort zum Stadion und dem Ticketkauf. Das Nationalstadion Rumäniens wurde am 06.09.2011 eröffnet und bietet 55.600 Zuschauern einen Sitzplatz. Die hochmoderne Arena mit dem charakteristischen Faltdach ist nahezu baugleich mit den Stadien in Warschau und Frankfurt am Main. Die Arena war bereits im Jahr 2012 Endspielort für die UEFA Europa League. Damals besiegte die Mannschaft von Atletico de Madrid den spanischen Konkurrenten Athletic Bilbao mit 3:0. Muss ich erwähnen, dass ich damals dabei war?
Ein kleines Abenteuer im Abenteuer stellte der Kartenkauf über das Internet dar. Stellt euch eine Internetseite aus den späten 90er-Jahren vor, welche einen sagen wir mal ausbaufähigen Ticketshop besitzt. Hier war es aufgrund der Eingabemaske nur rumänischen Staatsangehörigen möglich, Tickets für das Spiel zu erwerben. Da ich keinen rumänischen Ausweis besitze, konnte ich die Maske naturgemäß nicht überlisten. Sollte doch kein Problem darstellen, oder? Einfach ne Email in englischer Sprache an die Geschäftsstelle senden und dann läuft das schon? Nun ja, letztlich war alles gut. Obwohl die Antwort gute sechs Tage dauerte, keine Bestellnummer oder Kundennummer beinhaltete und lediglich aus einem knappen Satz in schlechtem Englisch bestand, lag in einem Container am Stadion (ohne Computer etc.) tatsächlich ein Briefumschlag für mich bereit! Das nenne ich Kundenservice und lässt mich weiterhin an ein vereinigtes Europa glauben!
In einem intensiven und recht flotten Spiel war die italienische Mannschaft von Trainer Simone Inzaghi vor knapp 35.000 Zuschauern während der gesamten Matchdauer spielerisch hoch überlegen und kreierte dabei eine Vielzahl an Torchancen! Kein Wunder bei diesem doch recht gut besetzten Kader der Römer…Nationalspieler wie Jordan Lukaku (Belgien), Martin Caceres (Uruguay) sowie Sergej Milinkovic-Savic (Serbien) vermutet man eher in der Königsklasse und sind ein Beleg für die neue Stärke Lazios! Von den übrigen Stars wie Ciro Immobile, Lucas Leiva (ehemals Liverpool) und Europameister Luis Nani ganz zu schweigen!
Nur dumm, dass Lazio die bereits angedeutete Überlegenheit nicht in Tore bzw. einen Sieg ummünzen könnte! Die junge rumänische Mannschaft von Coach Dica haute am gestrigen Tag alles raus und ging nach einem Konter überraschend in Führung (29.). Hierbei lief der französische Stürmer Harlem-Eddy Gnohere mutterseelenallein auf Lazio-Keeper Strakosha zu und bugsierte den Ball mit ruhigem Puls ins Tor! Manchmal ist Fußball so einfach!
Trotz der italienischen Dominanz sollte es bei Abpfiff des deutschen Schiedsrichters Deniz Aytekin beim knappen FCSB-1:0 bleiben, aus Lazio-Sicht im Prinzip unfassbar! Übrigens eine hervorragende Spielleitung des Referees, der in einem teilweise hektisch geführten Spiel immer Herr der Lage war und insgesamt 8 gelbe Karten verteilte!
Zum Ende meines kleinen Spielberichtes möchte ich folgende Besonderheiten in Bukarest hervorheben: Im Gegensatz zu sehr vielen deutschen Stadien hatte ich trotz der Anwesenheit von 35.000 Mitmenschen durchgängig Handy- und Datenempfang! Warum geht das in Deutschland nicht? Negativ war dafür die Abreise der vielen Menschen. Warum sollte man die U-Bahn auch nach Mitternacht noch fahren lassen? Konnte ja keiner wissen, dass aufgrund der Zeitverschiebung erst um 22.05 h angestoßen wurde. War jedenfalls ein schöner einstündiger Spaziergang in Richtung Altstadt! Trotz der späten Ankunft um 02.00 Uhr nachts war hier noch die Hölle los, ein wirklich legendäres Nachtleben mit tollen Pubs und Bars!
Äußerst skurril war übrigens auch der Auftritt von FCSB-Präsident und Clubbesitzer Gigi Becali nach dem Spiel! Bei dem Herrn handelt es sich um einen zwielichtigen rumänischen Politiker, der bereits mehrfach zu Haftstrafen verurteilt wurde! Trotzdem scheint er sehr populär zu sein, da er nach dem Spiel wie ein Popstar verehrt wurde! Habe ich so noch nie gesehen!
Das war Bukarest im Jahr 2018, nur eine Woche später ging es übrigens doch noch nach Pilsen. Somit war das Sechzehntelfinale der UEFA Europa League 2017/2018 doppelt besetzt und für mich etwas ganz besonderes. Getreu dem Motto „Egal, ob Bukarest oder Budapest, Hauptsache Rumänien“.
Der FCSB schied im Rückspiel von Rom mit einer deftigen 1:5-Klatsche aus der UEFA Europa League aus!
Stay tuned! Wir sehen uns, versprochen!