Die Schweiz, in erster Linie bekannt für Berge, Natur, feinste Schokolade, Fondue, Raclette, Luxusuhren, Taschenmesser, Kräuterbonbons und vor allem viel Geld war Ende September die nächste Station auf meiner „Tour de Europe“.

Am 2. Spieltag der UEFA Europa-League sollte mich mein Weg eigentlich in den Kanton Tessin führen, wo der schweizerische Vertreter FC Lugano die Klingen mit dem rumänischen Rekordmeister FC Steaua Bukarest kreuzen wollte. Gut, dass mir mittlerweile bewusst ist, dass Heimspiele im Europapokal nicht immer auch tatsächliche Heimspiele sind. Dies liegt an den recht strengen und doch sehr speziellen Statuten der UEFA in Bezug auf Infrastruktur und Sicherheit am Spielort. Für die Italo-Schweizer vom FC Lugano bedeutete dies, dass das einheimische Stadion „Cornaredo“ mit seinen 15.000 Plätzen nicht nutzbar war, da die im Jahr 1951 erbaute Arena beispielsweise keine ausreichende Anzahl von Sitzplätzen für Gäste des Verbandes besitzt. Da auch eine LED-Bandenwerbung sowie Einrichtungen für die Torlinientechnik Fehlanzeige waren, musste man aus Sicht des FC Lugano notgedrungen in ein anderes Stadion der Schweizer Super-League umziehen!

Statt dem südlichsten Kanton Tessin, nahe der italienischen Grenze, ging es nun in die Zentralschweiz, wo der FC Luzern seinen Landsleuten eine zweite Heimat für den Europapokal offerierte. Was sich zunächst einmal recht unkompliziert anhört, ist bei näherer Betrachtung kein einfaches Unterfangen!

Der definitiv unangenehmste Punkt für Mannschaft und Fans des FC Lugano war mit Sicherheit die An- und Abreise. Die Distanz zwischen Lugano und Luzern beträgt knapp 180 km und führt unter anderem durch den weltbekannten Gotthardtunnel, also eine sehr verkehrsreiche Strecke zum Feierabendverkehr an einem Werktag! Ein weiterer Punkt sind die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen den „italienischen“ Tessinern und den deutschsprachigen Schweizern in Luzern. Diesbezüglich darf man nie vergessen, dass die Schweiz eine Art „Völkerbund“ mit vier Amtssprachen ist, in welchem Menschen aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen zusammenleben. So kann man meines Erachtens mit gutem Gewissen sagen, dass sich die Menschen im Tessin mit ihrer eher italienischen Lebensweise nicht nur sprachlich von ihren Landsleuten in Luzern, Zürich oder Basel unterscheiden. Ich stelle mir gerade vor, dass der VfL Bochum 1848 ein Heimspiel in Rotterdam austragen würde. Ist das dann noch ein tatsächliches Heimspiel mit einem Heimvorteil?

Nach der Landung am Flughafen Zürich erhielt ich direkt einen ersten Vorgeschmack, was es heisst, Urlaub in der Schweiz zu machen! Ein mittlerer Cappuccino einer großen Kaffeehaus-Kette aus Seattle für den absoluten Kampfpreis von umgerechnet 6 Euro! Sollte es tatsächlich so weitergehen???

Nach der gut einstündigen Fahrt mit einem Interregio-Zug der Schweizerischen Bundesbahn mit kurzem Halt in Ortschaften wie Thalwil, Zug oder Rotkreuz endete die Reise am Luzerner Kopfbahnhof. Das Power-Sightseeing konnte mal wieder beginnen.

Die „Hauptstadt“ des Kantons Luzern liegt am wunderschönen Vierwaldstättersee und wird von knapp 82.000 Menschen bewohnt. Sie ist das gesellschaftliche und kulturelle Zentrum der Zentralschweiz!

Die Altstadt mit fast allen Sehenswürdigkeiten ist nur einen kurzen Spaziergang vom Hauptbahnhof entfernt. Hier wird man direkt mit absoluter Postkartenidylle bombardiert. Das größte Zugpferd in dieser Reihe von Sehenswürdigkeiten ist mit Sicherheit die Kapellbrücke! Die überdachte Fußgängerbrücke aus Holz mit ihrem Wasserturm ist nicht nur bei den zahlreich anwesenden chinesischen Touristen das beliebteste Fotomotiv der Innenstadt! Die Brücke über den Fluß Reuss verbindet an der Mündung zum Vierwaldstättersee die Alt- mit der Neustadt Luzerns. In unmittelbarer Nähe befinden sich mit dem Rathaus und der Jesuitenkirche weitere Highlights für das Fotoidyll. Im Rahmen eines Stadtrundganges gelangt man schließlich zum monumentalen Löwendenkmal, eines der bekanntesten Denkmäler der Schweiz. Der in eine Felswand gemeisselte Löwe wird jährlich von 1,4 Millionen Menschen besucht, sicher muss ich nicht erwähnen, dass ein Großteil der Besucher aus Asien stammt!

Ein weiteres „Must-Do“ in der Innenstadt stellte die alte Stadtmauer Luzerns dar! Die „Museggmauer“ mit ihren insgesamt neun Wachtürmen gehört zur historischen Stadtbefestigung Luzerns, welche ab dem 13. Jahrhundert gebaut wurde. Sie liegt „über“ der Stadt und ist öffentlich zugänglich. Hier können vier der neun Türme erklommen werden (Schirmer-, Zytologie-, Wacht- und Männliturm). Aus dem erhöhten Bereich der Stadtmauer erhält man bei gutem Wetter einen atemberaubenden Blick über die Stadt, den See und die hinter der Stadt befindlichen Emmentaler Alpen mit ihrem Bergmassiv „Pilatus“.

Bei einem (Kurz-)Besuch in Luzern darf aber eines mit Sicherheit nicht fehlen. Eine Schiffsrundfahrt über den Vierwaldstättersee! Für eine einstündige Rundfahrt bietet sich zum Beispiel die Yacht „Saphir“ an, die mehrmals am Tag von Pier 7 (in der Nähe der Kapellbrücke) ablegt! Ein überragendes Schiff, die Fahrt ist mit einem Preis von 25 Schweizer Franken pro Person wie so vieles im Land der Eidgenossen nicht günstig, aber wirklich sehr schön!

Nach der Rückkehr in den Hafen ging es auch schon mit den kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln (exklusiv für Hotelgäste in Luzern) zum Stadion. Das Spiel fand in der 2011 fertig gestellten Swissporarena statt, eine hochmoderne „Arena“ mit einem Fassungsvermögen von 16.000 Zuschauern! Obwohl die Arena aufgrund der heutzutage typischen Bauweise mit der äußeren UFO-Verkleidung nicht wirklich einzigartig erscheint, gibt es ein paar schöne Details, die es dann doch besonders machen! Der wichtigste Punkt für alle FC Luzern-Fans war mit Sicherheit der Ort des neuen Stadions. Die Arena wurde an exakt dem Ort errichtet, wo zuvor das alte Stadion „Allmend“ stand! Als Anlauf- und Treffpunkt für Fans wurde die traditionsreiche LUMAG-Tribüne des alten Stadions nicht abgerissen und direkt hinter der neuen Fankurve der FC Luzern-Fans in der Swissporarena belassen. Neben der Swissporarena wurden zudem die zwei höchsten Wohn-Hochhäuser der Zentralschweiz errichtet, welche vermutlich einen Mietpreis besitzen, der die Tränen in die Augen treibt, bei vernünftiger Wohnungswahl aber eine Dauerkarte nutzlos machen. Zu guter letzt kann man bei Sitzplatzwahl auf der Gegentribüne einen wunderschönen Sonnenuntergang mit der Silhouette des bereits genannten Bergmassivs „Pilatus“ genießen. Für Freunde der Fußballromantik gehts nicht besser!

Der FC Lugano aus dem Tessin startete das erste Mal in seiner Vereinsgeschichte in der UEFA Europa-League. Dank eines 3. Platzes in der Abschlusstabelle der Raiffeisen Super League durfte man direkt in der Gruppenphase des Wettbewerbs ran. Im ersten Spiel gab es beim israelischen Meister Hapoel Beer Sheva eine 1:2-Niederlage. Die letzten richtigen Erfolge des im Jahr 1908 gegründeten Clubs liegen leider auch ein wenig zurück, zuletzt konnte der Verein im Jahr 1993 den nationalen Pokal holen. Die folgenden Jahre waren ein Wechselbad der Gefühle mit Auf- und Abstiegen in oder aus der 2. Schweizer Liga!

Beim Gegner FC Steaua Bukarest sah es stimmungstechnisch nicht unbedingt besser aus. Mit Ausnahme des 3:0-Auftaktsieges gegen Viktoria Pilsen geht es beim rumänischen Rekordmeister und mit Abstand populärsten rumänischen Fußballclub drunter und drüber. Das beginnt schon beim Namen, denn eigentlich heisst der FC Steaua Bukarest nun offiziell „Futbol Club FCSB“. Also praktisch „Fußball Club Fußball Club Steaua Bukarest“, hört sich doch irgendwie doof an, oder? Diese doch höchst kreative Wortschöpfung liegt an einem Rechtsstreit mit dem rumänischen Verteidigungsministerium, welchem der Verein zu Zeiten des „Ostblocks“ und „Kalten Krieges“ unterstand und als eine Art Armeesportclub geführt wurde. Die im Vereinswappen befindlichen Symbole beansprucht nun das Ministerium und gewann den Streit um die Nutzungsrechte aller Namen und Symbole des ersten osteuropäischen Siegers des Europapokals der Landesmeister, für alle jüngeren Fußballfreunde, dem Vorläufer der UEFA Champions League. Letztlich einigte man sich erst im Jahr 2017, verbunden mit der skurrilen Umbenennung des Clubnamens. Zudem kommt es im Verein immer wieder zu finanziellen Unregelmäßigkeiten, da der Club nach alter Gutsherrenart von einem Mäzen alter Prägung geführt wird. Besitzer George Becali, einer der reichsten Männer Rumäniens, reagiert dementsprechend nach dem Motto „Hire and Fire“.

Das Spiel vor nur 2680 Zuschauern endete mit einem am Ende verdienten Auswärtssieg für das Team aus der rumänischen Hauptstadt! Eine Zuschauerzahl, die auf den ersten Blick völlig enttäuschend ist, aber nach Sichtung des normalen Zuschauerdurchschnitts des FC Lugano gar nicht so schlecht daher kommt. Denn bei den bisherigen Heimspielen in Lugano kamen auch „nur“ 3500 Zuschauer im Schnitt. Im Hinblick auf die beschwerliche Anreise ist das meiner Meinung nach sehr ordentlich, getreu dem Motto „fast das ganze Dorf ist da“.

Der Spielverlauf des insgesamt ereignisarmen Spiels ist schnell erzählt. Nach einer katastrophalen ersten Halbzeit und dem Rückstand durch ein Tor des Lugano-10ers Mattia Bottani (14.) konnte die Mannschaft von Trainer Nicolae Dica das Spiel in der 2. Halbzeit drehen! Nach Toren von Budescu (58.) und dem Brasilianer Junior Morais (64.) siegte man mit 2:1 (0:1). Ein insgesamt durchwachsenes Spiel auf spielerisch unterem Niveau! Zumindest die 200 mitgereisten oder vielleicht auch in Luzern und Umgebung wohnenden FCSB-Fans waren jedenfalls begeistert.

Wer jetzt auch Lust auf die Schweiz hat, dem möchte ich abschließend noch ein paar Preise für die Lebenshaltung mit auf den Weg geben! Danach kann jeder selbst die Dauer seines Urlaubs im Land der Eidgenossen wählen:

-Stadionbratwurst 6 Euro, eine Portion Tortellini im Restaurant -wahlweise ein Burger mit Pommes im Irish Pub- 27 Euro, ein Glas Bier und ein Glas Cider im Irish Pub 15 Euro, Fanschal des FC Lugano 28 Euro, Tasse der bereits benannten Kaffeehauskette aus Seattle 17 Euro

Trotzdem bleibt es ein sehr schönes Land mit freundlichen und offenen Menschen!

In Kürze gehts weiter, bleibt auf Empfang!! Es ist Europapokalwoche, der nächste Halt der „Road to Lyon“ steht an!