Bei einem Blick auf die Tabelle der rumänischen SuperLiga sticht neben all den bekannten Fußballclubs aus Cluj, Bukarest oder Craiova ein Vereinsname hervor, der für das deutsche Auge vertraut und exotisch zugleich erscheint!

Diesen Club wollte ich anlässlich meiner jüngsten UEFA55-Reise kennenlernen…ein Blog aus Transsilvanien, ganz ohne Graf Dracula:

Die 150.000-Einwohner-Stadt Sibiu hat trotz ihrer überschaubaren Größe eine ganze Menge zu bieten. Neben dem wirklich beeindruckenden Freilichtmuseum „Astra“ und dem Brukenthal-Kunstmuseum ist es vor allem die aufwendig restaurierte Altstadt, die kulturinteressierte Besucher aus aller Welt anlockt. Rund um den zentralen „Piata Mare“ findet man viele historische Gebäude germanischer Architektur, die Dank der unzähligen Cafés, Museen und Gaststätten tatsächlich mit echtem (Stadt-)Leben gefüllt sind!

Deshalb war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die hohen Investitionen der Stadt auf dem Kultursektor endlich Früchte tragen würden. Im Jahr 2007 krönte sich Sibiu völlig verdient mit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ und sorgte endgültig für internationales Interesse an der siebenbürgischen Stadt.

Während sich Sibiu in der Rubrik „Kunst und Kultur“ also schon länger erstligareif zeigte, tat man sich auf dem Feld des nachhaltigen Profifußballs in der Vergangenheit sehr schwer. Bei einem Blick auf die bestehenden und ehemaligen Vereine der Stadt fällt auf, dass ganz viel versucht wurde, aber fast gar nichts längerfristig funktionierte.

Weder der 1982 gegründete FC Inter Sibiu (aufgelöst in 2003, insgesamt acht Erstligajahre) noch der CSU Vointa Sibiu (2007 bis 2012, ein einziges Erstligajahr) konnten Sibius fußballverrückte Menschen längerfristig entzücken. Als kleine Ausnahme gilt hier der 1913 gegründete Verein Soimii Sibiu, der bis zu seiner Auflösung Anfang des jetzigen Jahrtausends stolze 88 Jahre durchhielt, in dieser langen Zeit aber auch nur magere drei Erstligajahre in seiner Chronik notieren konnte.

Mit Auflösung des angesprochenen CSU Vointa war Sibiu gut drei Jahre lang ein weißer Fleck auf der Landkarte des rumänischen Profifußballs. Da sich die Fußballwelt in Sibiu aber wenigstens im Jugendbereich „auf kleiner Flamme“ weiterdrehte und in der Folge durchaus hoffnungsvolle Talente hervorbrachte, entschlossen sich die Herren Jean Gavrila und Dorin Zotinca vor gut acht Jahren zur Neugründung eines städtischen Fußball-Aushängeschildes im Seniorenbereich. Dies war erforderlich, um den eigenen Talenten einen heimatnahen Übergang in die raue Fußballwelt zu ermöglichen.

Bereits bei der Namensfindung für den neuen Club ging man bewusst andere Wege. Hier wollte man sich von „Vorgängerclub“ CSU Vointa klar abgrenzen und die wichtigste kulturelle Besonderheit der Stadt hervorheben. Denn Sibiu hat mit der deutschen Bezeichnung „Hermannstadt“ noch einen zweiten offiziellen Namen, da die Stadt im 12. Jahrhundert von deutschen Siedlern gegründet wurde und in der Gegenwart weiterhin von einer vierstelligen Zahl deutschstämmiger bzw. deutschsprachiger Menschen bewohnt wird. Dementsprechend vereint der neue Fußballstolz der Stadt, der „Asociația Fotbal Club Hermannstadt“ alle Menschen der Gemeinde, unabhängig von der Herkunft. Zudem passen die mit dem Namen verbundenen deutschen Tugenden wie Zuverlässigkeit und Disziplin perfekt zu einem Club, der sich in den kommenden Jahren einen festen Platz im rumänischen Fußballsystem sichern möchte.

Die ersten acht Jahre nach Gründung verliefen für die Hermannstädter durchaus erfolgreich, auch wenn sie nicht frei von Rückschlägen waren. Nach erfolgter Entstehung im Jahr 2015 stieg der Verein aus der Heimatstadt des deutschstämmigen Präsidenten Rumäniens, Klaus Johannis, innerhalb von nur drei Jahren aus der vierten Liga nahezu märchenhaft in Rumäniens Oberhaus auf. Als vermutlich beste Saison gilt hier das Spieljahr 2018, als man als erster Zweitligist seit 36 Jahren das rumänische Pokalfinale erreichen konnte (0:2 gegen Craiova). Nach dem anschließenden Erstliga-Aufstieg im gleichen Jahr gab es nur drei Jahre später den ersten Knick im Briefpapier…den bitteren Abstieg in die 2. Liga! Der war allerdings nur ein Betriebsunfall, aktuell ist der AFC Hermannstadt nach nur einem Zweitliga-Jahr zurück in Rumäniens Beletage.

In der rumänischen SuperLiga -die übrigens nur so heisst, weil sie von einem „Super“-Wettunternehmen gesponsert wird- traf der AFC Hermannstadt im heimischen „Stadionul Municipal“ auf die Mannschaft des ACSC FC Arges.

Was sich oberflächlich betrachtet völlig normal anhört, war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. Da das alte städtische Stadion nicht den Anforderungen des rumänischen Ligaverbandes entsprach, hatte der AFC in den vergangenen Jahren eigentlich nie ein richtiges Heimspiel und musste in Spielorte wie Mediasch (55 km Entfernung) oder Targu Mures (123 km Entfernung) ausweichen. Die dauerhafte Reisetätigkeit war für die Fans des AFC natürlich mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden und ließ die Zuschauerzahlen stark stagnieren.

Mit der Fertigstellung des „neuen“ städtischen Stadions vor gut zwei Monaten hat der Club nun endlich die lang ersehnte Heimat, die bei der Etablierung des Clubs im rumänischen Fußball extrem hilfreich sein kann. Denn dieses hochmoderne Stadion mit einem Fassungsvermögen von knapp 13.000 Zuschauern bietet Fans, Verantwortlichen und Mannschaft endlich die Infrastruktur, die in einer ersten Liga unabdingbar ist.

Der sportliche Vergleich mit dem Gegner aus Pitesti war am 24. Spieltag ein Duell im unteren Tabellenmittelfeld, das es in dieser Form nicht hätte geben dürfen. Vor starken 5.000 Zuschauern gingen die Gäste bei winterlichen Bedingungen durch den Kameruner Garita in Führung (17.). Die Gastgeber waren zwar jederzeit optisch überlegen und an Spielkontrolle interessiert, konnten sich aber bis zum Halbzeitpfiff nur wenige Chancen erarbeiten. Da es auch in Rumänien mittlerweile den VAR gibt, erhielten die Gastgeber in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit die ultimative Chance auf den Ausgleich, als Schiedsrichter Antonie nach Sichtung der TV-Bilder zu Recht auf Strafstoß entschied. Der sehr wendige rumänische Nationalspieler Daniel Paraschiv ließ sich die Chance nicht entgehen und glich für seine Farben aus.

Welchen ausgefeilten Match-Plan beide Mannschaften in der 2. Halbzeit verfolgen wollten, werden wir vermutlich nie erfahren. Grund dafür war der plötzlich eintretende Wetterumschwung mit starkem Schneefall, dem dazugehörigen roten Spielball und jeder Menge Zufallsfußball auf dem seifigen Geläuf. Obwohl beide Mannschaften trotz der nahezu irregulären Verhältnisse die ein oder andere Chance zum Siegtreffer besaßen, war vermutlich jeder der 22 Akteure auf dem Platz glücklich, als Schiedsrichter Antonie die Kür beendete.

Zum Abschluss muss nur noch die Frage beantwortet werden, warum es dieses Tabellenmittelfeld-Duell nicht hätte geben dürfen. Weil der AFC Hermannstadt eine richtig starke Saison spielt und mit neun Saisonsiegen eigentlich auf Tabellenplatz 6 stehen müsste! Leider zog der rumänische Fußballverband dem AFC Hermannstadt aufgrund finanzieller Probleme im Dezember neun Punkte ab und katapultierte den Club ins untere Mittelfeld der Tabelle. Das Urteil wurde am gestrigen Freitag durch den internationalen Sportgerichtshof CAS bestätigt und entfachte eine „Jetzt erst recht“-Mentalität bei allen Verantwortlichen. Man kann nur hoffen, dass der Anfang vom Ende nicht schon wieder begonnen hat!

Ich drücke dem AFC Hermannstadt beide Daumen für eine nachhaltige Entwicklung und wünsche wirklich alles Gute für die Zukunft! Die fussballbegeisterten Verantwortlichen wie Cosmin Calinescu hätten es in jedem Fall verdient!

Neben vielen Fotos vom Spiel findet Ihr in meinem Instagram-Account weitere Eindrücke aus Sibiu und dem großartigen ASTRA-Freilichtmuseum…klickt Euch einfach mal rein und lasst ein LIKE da!

Multe multe mulțumiri….STAY TUNED!