Das IBIS-Hotel im Seouler Stadtteil Insadong in den frühen Morgenstunden des 09.03.2019…nach 12 Stunden Flug habe ich aufgrund des andauernden „Jetlag“ so meine Probleme mit einem gesunden Schlaf!
Zu dieser oft unvermeidbaren Störung des Biorhythmus gesellte sich in dieser Nacht eine besondere Art der Anspannung…schließlich spielte mein VfL Bochum 1848 am 25. Spieltag der Zweitliga-Saison 2018/2019 gegen den 1. FC Heidenheim 1846.
Genau deshalb war ich gar nicht mal so böse auf meinen wachen Körper, schaltete meinen Tablet-Computer ein und verfolgte um 02.30 Uhr Ortszeit den pünktlichen Einlauf beider Mannschaften auf das Spielfeld des gut 8500 Kilometer entfernten Vonovia Ruhrstadion!
Wenn ich nun die Behauptung aufstellen würde, dass mich die folgenden 77 Minuten des Spieles völlig euphorisiert haben, müsste ich von Lügenbaron Münchhausen auf einer Kanonenkugel unverzüglich in Richtung Mond geschossen werden. Für stark erhöhten Herzschlag war die Atmosphäre im völlig dunklen und ruhigen Hotelzimmer einfach nicht elektrisierend genug!
Wie auch immer, die 78. Spielminute hat mich dann doch noch in völlige Ekstase versetzt…Bochum´s blauer Drache Chung Yong Lee traf zum entscheidenden 1:0 und muss mit dem ganz wichtigen Treffer so einige Jubelschreie seiner Landsleute in der 10-Millionen-Einwohner-Metropole Seoul ausgelöst haben. Genau das habe ich mir zumindest eingebildet…wo ist der „VfL-Fanclub Seoul“ eigentlich um kurz vor 4 Uhr morgens, wenn man ihn dringend braucht?! Jedenfalls war das VfL-Trikot während des Sightseeing-Programms am nächsten Tag Pflicht, auch wenn dann doch irgendwie niemand davon Notiz nahm!
Nach einer letztlich sehr kurzen Nacht sollte in meiner Reihe „Fußball weltweit“ aber auch der koreanische Profi-Fußball der K-League auf dem Programm stehen! Die Republik Korea, allgemein bekannt unter Südkorea, gilt als eine absolute Fußballnation, auch wenn man nicht sofort drauf kommen sollte! Mit diesem Blog möchte ich die Unterschiede im Vereinsfussball zwischen Europa und Asien, speziell Südkorea, einmal aufzeigen.
Der Fußball stellt gerade in Europa mittlerweile weitaus mehr als die schönste Nebensache der Welt dar…er kann definitiv als Gesellschaftsereignis bezeichnet werden, welches die Massen Woche für Woche packt. Neben einer oftmals ausgelebten übertriebenen Rivalität oder auch purer Feindschaft zwischen den Anhängern der Clubs steht der europäische Fußball im sportlichen Bereich zumeist aber auch für Erfolg, Titel und Tradition…kurzum, er genießt mit diesen Werten weltweit ein sehr hohes Ansehen!
Die Wörter Tradition und jahrzehntelange Vereinstreue sind in Südkorea nur schwer mit dem Profifußball zu verbinden. Die 1. Liga des Landes, die „K-League 1“ ist zwar die älteste professionelle Fußball-Liga Asiens, wurde aber zu einem Zeitpunkt gegründet, als der FC Bayern München bereits vier Europapokalsieger, sieben deutsche Meisterschaften sowie sechs nationale Pokalsiege feiern konnte.
Im Jahr 1983, in welchem sich der HSV letztmalig Deutscher Meister nennen durfte und der FC Schalke 04 als Bundesligist in der Relegation scheiterte, startete die koreanische Liga mit fünf Mannschaften in ihre Premierensaison!
Knapp 36 Jahre später ist die Liga mit ihren 12 Teams eine der besten Adressen Asiens und mit 12 Titeln sogar Rekordgewinner der AFC Champions League, dem asiatischen Pokal aller Landesmeister!
Leider existiert von den fünf K-League-Gründungsmitgliedern Hallelujah, Daewoo, POSCO, Yukong und Kookmin Bank kein einziger Club mehr…soviel zum Thema Tradition!
Da auch in Korea das liebe Geld eine wichtige Rolle spielt, werden die Vereine von den weltweit agierenden koreanischen Telekommunikations- und Automobilkonzernen wie Samsung, Hyundai oder KIA erheblich unterstützt. Das hat zur Folge, dass es nun mehrere Werksmannschaften gibt, welche bei Misserfolg oder sonstigen Problemen einfach aufgelöst bzw. in eine andere Stadt umgesiedelt werden können. In diesem „System“ nennt man die Vereine „Franchise“…ein irgendwie schlimmes Wort für einen Fußballclub, aber mittlerweile in vielen Ländern dieser Welt auch völlig normal!
Trotz der ständig lauernden (Auflösungs-)Gefahr spielen in der K-League mehrere Vereine, die bereits über 35 Jahre bestehen und damit einen gewissen Traditionsanspruch begründen können. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um den Ulsan Hyundai Football Club, die Pohang Steelers oder den Hauptstadtclub FC Seoul!
Für mein erstes (Live-)Spiel in Korea ging es mit der Seouler U-Bahnlinie 1 knapp eine Stunde in Richtung Süden!
Die Millionenstadt Suwon liegt gut 35 Kilometer südlich der koreanischen Hauptstadt und ist in erster Linie wegen ihrer alten Stadtmauer und der Festung Hwaseong ein Besuchermagnet! Zudem ist sie der Hauptsitz des bereits angesprochenen Elektronikkonzerns Samsung! Die gönnen sich mit dem 1995 gegründeten Suwon Samsung Football Club einen „eigenen“ Club…der vierfache koreanische Meister mit dem Beinamen Bluewings weist sogar indirekt eine Verbindung ins Ruhrgebiet auf. Ein gewisser Eduardo Goncalves de Oliveira, kurz Edu, spielte nach seiner Zeit beim VfL Bochum 1848 und vor seinem Engagement beim FC Schalke 04 bei den Bluewings! Während er in Gelsenkirchen wohl eher positiv auffiel, verursachte er an einem Tag im September 2004 ein tiefes Gefühl der Trauer bei allen VfL-Fans…bevor jetzt wieder Tränen rollen…weiter im Text!
Auch wenn die wirklich interessante City Suwon„bei uns“ in Europa nicht den ganz großen Bekanntheitsgrad besitzt, so kann man ihr einen Titel nicht mehr nehmen, auf welchen viele Metropolen weltweit neidisch sind. Die Stadt war im Jahr 2002 mit ihrem eigens dafür erbauten „Suwon Worldcup Stadium“ ein Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft in Japan und Korea!
Auch heute werden die modernen Stadien Koreas mit ihrer hervorragenden Infrastruktur für einheimischen Ligafussball genutzt.
Am 2. Spieltag der noch jungen K-League-Saison 2019, welche entgegen des europäischen Modus im Kalenderjahr ausgetragen wird, traf der Suwon Samsung Bluewings FC auf den amtierenden Meister Jeonbuk Hyundai Motors FC!
Nach der Ankunft am Bahnhof war die Anreise zum Stadion gar nicht so einfach! Da viele Südkoreaner nur rudimentäres Englisch sprechen und auch mein Koreanisch ausbaufähig ist, muss sich das Gespräch mit dem Taxifahrer rückblickend recht amüsant angehört haben.
Diese Sprachschwierigkeiten sollten am Ticketschalter fortbestehen…aber irgendwie kann man diesen sehr freundlichen Menschen, die trotzdem servicebewusst bleiben, nie böse sein!
Nach Erhalt meiner Eintrittskarte fiel auf, dass die Koreaner vor dem Spiel auf das „Event“ stehen. Vor dem Stadion gab es einen kleinen Foodcourt, die Maskottchen des Clubs für Fotos und ein Glücksrad, an welchem knapp 30 Minuten vor Anpfiff noch gut 100 Menschen auf einen Moment des Glücks warteten.
Im Spiel ließ der Meister aus der 160 km entfernten Stadt Jeonju keinen Zweifel daran aufkommen, dass man den Titel in dieser Spielzeit verteidigen möchte!
Die Mannschaft des portugiesischen Trainers José Morais überrannte die völlig überforderten Bluewings und führte nach 22 Minuten völlig verdient mit 3:0! Ein bis dato komplett blutleerer und peinlicher Auftritt der nahezu körperlos agierenden Gastgeber!
Was in einem deutschen Stadion spätestens mit dem 0:3 einen zügellosen Wutanfall der Heimfans und das gewohnte „Wir wollen Euch kämpfen sehen“ verursacht hätte, war in Korea weiterhin Unterstützung pur! Ein durchgehend guter und lautstarker Support der Heimfans bis zum Abpfiff. Man hatte durch die enthusiastische Unterstützung jederzeit das Gefühl, dass die Bluewings das Ding trotz hohem Rückstand noch drehen würden…nur der Zeitpunkt war halt unklar…!
Wer nach dieser Einleitung nun auf die ultimative Fußball-Wunder-Geschichte hofft, nun ja, den muss ich jetzt leider enttäuschen! Trotz einer in der 2. Halbzeit leicht verbesserten Spielanlage unterlag die Werksmannschaft Samsungs dem Meister aus Jeonju am Ende sang-und klanglos mit 0:4 (0:3). Die mitgereisten gut 1500 neongrünen „Green Boys“ waren jedenfalls aus dem Häuschen!
Zwischendurch mal ein Wort zum Spielniveau der K-League…obwohl die Nationalmannschaft Südkoreas regelmäßige Achtungserfolge auf internationalem Terrain erreicht und mittlerweile einige sehr begehrte junge Spieler auf dem Transfermarkt besitzt, kann der einheimische Profifußball diese Klasse nicht ganz halten! Beim letzten Asien-Cup kamen nur 6 der 23 Spieler aus den ersten beiden koreanischen Ligen!
Das Match in Suwon befand sich auf einem insgesamt ordentlichen technischen Niveau, was sicher auf eine gute fußballerische Ausbildung der jungen Koreaner zurückzuführen ist! Wenn diese Spieler noch ein wenig mehr Zweikampfhärte und taktische Disziplin erhalten, spielen sie aber recht schnell in einer finanzstarken asiatischen oder europäischen Liga! Nicht umsonst sind Tottenham Hotspur-Star Heung Min-Son oder der ehemalige Manchester United-Spieler Ji Sung-Park am Ende in der englischen Premier League gelandet!
Wie auch immer…letztlich ist die Wahl der ausländischen Legionäre immer ein wichtiger Indikator für die Spielstärke einer Liga…im Fall des besuchten Spieles fiel mir der 2fache und alles überragende Torschütze Ricardo Lopes auf! Der Brasilianer ist 28 Jahre alt und verbrachte sein Fußballleben hauptsächlich in den unteren brasilianischen Ligen! Seinen vorhandenen Marktwert in Höhe von 900.000 Euro verdankt er vermutlich seinen 24 Scorerpunkten in 41 Spielen für Jeonbuk FC!
Am kommenden Tag stand dann erstmal ein ausgiebiges Kultur- und Sightseeing-Programm in Seoul auf dem Programm! Der „Dongdaemun History & Culture Park“ sollte auf jeder „To Do“-Liste für die koreanische Hauptstadt Seoul stehen.
Die im Jahr 2009 erschaffene Anlage beinhaltet ausgegrabene Teile der alten Seouler Stadtmauer, die Igansumun-Wasser-Schleuse aus der Joseon-Dynastie, die älteste erhaltene Verteidigungsstellung Chiseong sowie das erst 2014 fertiggestellte Dongdaemun Design Plaza (DDP)…ein futuristisches Forum für Design, Ausstellungen und moderne Kunst!
Ihr merkt, auch Kultur und Kunst dürfen auf meiner Homepage offensichtlich nicht zu kurz kommen! Aber warum mache ich in meinem Fußball-Blog jetzt extra darauf aufmerksam? Weil dieser Park noch viel mehr als Kunst, Kultur und Design kann. Völlig überraschend entwickelte sich mein Besuch doch noch in Richtung „Groundhopping at its best“!
Am Rand des Parks fallen zwei übergroße Scheinwerfer sofort ins Auge des geübten Fußballfans….könnten das etwa zwei alte Flutlichtmasten sein?
Ja, natürlich! Und zwar als eine Art Erinnerung an das 2008 abgerissene Dongdaemun-Stadion…einem Rund mit ganz viel Tradition!
Das im Jahr 1925 erbaute (Innenstadt-)Stadion fasste insgesamt 22.000 Zuschauer und erhielt sogar das Prädikat „Olympia“-Spielort! Bei den olympischen Sommerspielen 1988 fanden im Dongdaemun-Stadium einige Vorrundenspiele des Fußball-Turnieres statt…wer kann sich nicht an Ruggiero Rizzitellis Treffer beim italienischen 2:0-Sieg gegen den Irak erinnern?
Zudem diente das Stadion in den 90ern als Heimspielort für die mittlerweile nicht mehr existierenden K_League-Clubs Ilhwa Chunma (1989–1995), LG Cheetahs (1990–1995) und Yukong Elephants (1991–1995).
Das interessanteste Spiel fand aber wohl am 12.06.1980 statt, als der berühmteste koreanische Spieler aller Zeiten, Bum-Kun Cha, mit seinem deutschen Team Eintracht Frankfurt zu einem Freundschaftsspiel gegen die südkoreanische Nationalmannschaft anreiste! Damals siegte der deutsche Bundesligist vor restlos ausverkauftem Haus mit 2:1 (1:0) und tat viel für die deutsch-koreanische Freundschaft!
Das war der erste Teil meines Blogs aus Südkorea…einem beeindruckenden Land!
STAY TUNED, der 2. Streich folgt zugleich!