Nach der Qualifikation ist bekanntlich vor der Gruppenphase. Deshalb ging nicht allzu viel Zeit ins Land, bis ich wieder vor dem Computer saß und das Ergebnis der Auslosung im schweizerischen UEFA-Machtzentrum bestaunen durfte. Wohin würde mich mein UEFA Europa-League-Weg nun führen? Für die sechs Spieltage in der Gruppenphase standen interessante, wenn auch teilweise recht weit entfernte Länder auf dem Tableau. Getreu dem alten Robert Lembke-Motto „Welches Schweinderl hättens denn gerne?“ dachte ich zumindest über eine Reise in absolut unentdeckte Fußballwelten wie Moldawien oder Israel nach. Da derartige Touren meiner Meinung nach aber einen längeren Planungsvorlauf benötigen, ging es am ersten Spieltag „nur“ zu unseren Nachbarn in die Niederlande.

Was sich auf den ersten Blick ein wenig despektierlich anhört, ist definitiv nicht so gemeint. Obwohl die Niederlande und Deutschland auf Nationalmannschaftsbasis als erbitterte Rivalen gelten und so ziemlich jeder Deutsche über das erneute WM-Qualifikationsdesaster der Elftal schmunzeln kann, so ist eine Clubfußball-Reise in die Benelux-Länder immer ein Erlebnis.

Der sicherlich größte Vorteil einer niederländischen Fußballtour ist die schnelle und unkomplizierte Anreise aus meiner Heimat im Ruhrgebiet. Gerade die Grenzstädte in den Provinzen Limburg und Gelderland sind oft nur eine gute Autostunde aus dem Ruhrgebiet entfernt. Dazu kommen interessante Stadien, eine sehr gute Stimmung mit der charakteristischen Dance-House-Techno-Musik und natürlich die beliebten Pommes Frites mit einer Frikandel! Bei der Vorbereitung einer solchen Fußballtour sollte man allerdings bedenken, dass gerade bei Ligaspielen der „Eredivisie“ eine Fankarte des gastgebenden Vereines von Nöten ist. Die personalisierte „Clubkarte“ ist Bedingung für den Kartenkauf und wurde aufgrund verstärkter Fangewalt in den Niederlanden eingeführt. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen, gerade die grenznahen Vereine reagieren auf eine nette Email und dem Wunsch nach Eintrittskarten auch ohne Clubkarte sehr freundlich und hilfsbereit. Zudem bieten Clubs wie der PSV Eindhoven zahlreiche Angebote für ausländische Fans an, die einmalig ins Stadion kommen. Hier gibts zum Beispiel „Gast“-Tickets für den Preis von knapp 100 Euro. Hört sich sehr teuer an, ist es natürlich auch, allerdings sollte man bedenken, dass diese Tickets einen Wertgutschein für Getränke, Speisen und einen Einkauf im Fanshop beinhalten. Natürlich ist die Bestellung einer Club-Fankarte auch keine übersinnliche Magie. Die Karte wird zumeist kostenlos offeriert und ist auch mit unterdurchschnittlichen niederländischen Sprachkenntnissen im Internet schnell bestellt. Im Falle des PSV Eindhoven kann man mit einer Fancard bis zu vier Eintrittskarten erwerben.

„Last but not least“ sind unsere Nachbarn einfach nette und freundliche Menschen, man kommt fast immer ins Gespräch und kann ausgiebig über Fußball quatschen! So muss es unter guten Nachbarn eigentlich immer sein!

Zum ersten Spieltag der UEFA-Europa-League 2017/2018 ging es mit dem Auto ins knapp 110 km entfernten Arnheim in der niederländischen Provinz Gelderland, mehr oder weniger die erste größere Stadt hinter der niederländisch-deutschen Grenze. Natürlich fragt man sich als Vielreisender, ob das noch Europapokal ist? Ich sage einfach mal ja, da ich den Kurztrip trotz verkehrsreicher Anreise mit dem Auto wirklich genossen habe.

Nach Ankunft in Arnheim ging es bei strömenden Regen zunächst einmal ins Stadtzentrum. Neben einer sehr gemütlichen Innenstadt mit vielen Geschäften, Bars und Restaurants befindet sich hier die vielleicht wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt, zumindest wenn man sich für Geschichte interessiert. Die „John Frost-Bridge“, eine Brücke über den Niederrhein, war im 2. Weltkrieg derartig umkämpft, dass ihr im Jahr 1977 sogar ein eigener Hollywood-Blockbuster gewidmet wurde. Der Film mit dem passenden Titel „Die Brücke von Arnheim“ mit Schauspielern wie Sean Connery und Michael Caine stellt prinzipiell die Originalhandlung der Operation „Market Garden“ im Jahr 1944 nach. Damals versuchte die alliierten Truppen mit Hilfe einer umstrittenen Luft-Boden-Operation den deutschen „Westwall“ zu umgehen und ins Innere des „Deutschen Reiches“ einzudringen. Nach erbitterten Kämpfen mit deutschen Truppen und vielen Toten auf beiden Seiten scheiterte die alliierte Aktion nach 10 Tagen. Die Brücke wurde nach dem britischen Generalmajor John Frost benannt, welcher die Brücke von Arnheim mit seiner kleinen Einheit insgesamt 4 Tage hielt und durch deutsche Truppen in Kriegsgefangenschaft geriet.

Ein weiteres absolutes Highlight in Arnheim ist der bekannte „Burgers Zoo“, ein knapp 45 Hektar großes Gelände mit über 3000 Tieren. Soll sehr nett sein, vielleicht beim nächsten Mal.

Für das Spiel der einheimischen Mannschaft Vitesse Arnheim gegen die italienische Hauptstadtmannschaft SS Lazio Rom ging es recht frühzeitig zum Gelredome, welcher außerhalb des Stadtzentrums beheimatet ist und dadurch eine äußerst gute Verkehrsanbindung aufweist.

Die Arena ist so etwas wie der Vorläufer der Gelsenkirchener Veltins-Arena! Gerne hätte ich hier sogar von einem kleinen Bruder gesprochen, passt aber leider nicht ganz, da kleine Brüder selten älter sind. Die Arena wurde im Jahr 1998 fertiggestellt und hat heute ein Fassungsvermögen von 21.248 Zuschauern. Neben dem Fußballsport wird die Arena hauptsächlich  für Musik- und Kulturveranstaltungen genutzt. Wie beim Pendant in Gelsenkirchen kann der Rasen unter der Woche zur besseren Pflege einfach aus dem Stadion herausgefahren werden und das Dach bei Bedarf verschlossen werden. Rund um das Stadion fällt tatsächlich die hervorragende Infrastruktur auf. Neben der bereits genannten guten Verkehrsanbindung gibt es eine ausreichende Anzahl von Parkplätzen direkt am Stadion. Dazu wurde im Bereich der Heimtribüne ein wirklich nettes Fan-Clubheim erschaffen, welches vor oder nach dem Spiel noch auf ein Bier einlädt!

Das Spiel aus der Kategorie „David gegen Goliath“ war in den ersten 30 Minuten kein Leckerbissen und kam nur schwer in Fahrt. Dies lag in erster Linie an der starken Defensivleistung der Römer, die selbst wenig für das Spiel taten, aber die mit Herz spielenden Niederländer nicht zur Entfaltung kommen ließen!

Noch bevor ich den Begriff „typisch abgezockte und körperlich robuste italienische Mannschaft“ aussprechen konnte, sorgte Vitesse-Stürmer Tim Matavz für den Dosenöffner aus niederländischer Sicht. Nach Zuspiel des überragenden Albaners Rashica nahm der Slowene und ehemalige Augsburger Bundesliga-Profi den Namen seiner Mannschaft wörtlich und traf zur überraschenden Halbzeitführung (33.)! Das Wort „Vitesse“ ist französisch und heißt nichts anderes als „Schnelligkeit“!

In der 2. Halbzeit wurde es dann vor ausverkauftem Haus ein mitreißendes und dramatisches Europapokalspiel. Nach dem frühen Ausgleich der Römer durch Parolo (51.) steckte der Underdog nicht auf und ging nochmals mit 2:1 in Führung (Linssen, 57.). Nach einer Vitesse-Chance der Kategorie „kann man nicht daneben schießen“ kam das, was immer kommt! Der Favorit aus der Serie A glich erst durch den ehemaligen Dortmunder Ciro Immobile aus (67.) und sorgte durch Murgia mit dem 3:2-Siegtreffer nur wenig später für die Entscheidung (75.)!

Ein bitterer Abend für den amtierenden niederländischen KNVB-Pokalsieger, verbunden mit der ewigen Frage, wo der Fußballgott eigentlich ist, wenn man ihn mal braucht!! Vermutlich ahnten die eigenen Fans den Spielverlauf, das große Banner mit der Aufschrift „Small in Europe, big in our Heart“ passte nur zu gut! Trotz der Niederlage ein würdiger Rahmen für das allererste UEFA Europa-League-Match von Vitesse in der Hauptrunde dieses Wettbewerbs!

Danke fürs Lesen, heute mal ein wenig geraffter und mehr Fußball- als Reisebericht! In Kürze gehts weiter mit meinen Eindrücken aus der schönen aber auch sehr teuren Schweiz!

Stay Tuned!