Die historisch wertvollste Sehenswürdigkeit der 1,6-Millionen-Einwohner-Metropole Philadelphia befindet sich im geschäftigen Treiben des Stadtzentrums und transportiert den Besucher trotz der modernen Wolkenkratzer-Umgebung sofort zurück ins 18. Jahrhundert.

In der 1748 fertiggestellten „Independence Hall“, welche in die Rubrik UNESCO-Weltkulturerbe fällt, wurden die Vereinigten Staaten von Amerika mit der Unabhängigkeitserklärung faktisch geboren. Die Erklärung wurde unter der Führung von Thomas Jefferson im Jahr 1776 ausgearbeitet und sorgte letztlich dafür, dass die Amerikaner an jedem 4. Juli ihren „Independence Day“ feiern! Zudem arbeitete der 1. Präsident der USA, George Washington, hier als Vorsitzender der „Philadelphia Convention“ an der Verfassung der Vereinigten Staaten mit, welche 12 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung an gleicher Stelle unterzeichnet wurde.

Bei soviel staatstragender Geschichte an nur einem einzigen Ort konnte der örtliche Fußballverein bei Gründung vor ziemlich genau 15 Jahren nur einen sinnvollen Namen erhalten: Philadelphia Union!

Die „Union“ bezieht sich hierbei auf die dreizehn ehemaligen britischen Kolonien an der amerikanischen Ostküste, die sich durch die Unabhängigkeitserklärung vom britischen Mutterland lossagten. Wer jetzt wenigstens beim Maskottchen des Clubs, der lustigen Schlange „Phang“, auf seichte Unterhaltung ohne politischen Hintergrund gehofft hat, den muss ich bitterlich enttäuschen. Auch wenn „Phang, die blaue Schlange“ laut Club angeblich aus dem nahegelegenen Delaware-Fluß angespült wurde und letztlich Dank eines plötzlichen Blitzschlages die erforderlichen Füße zum Fußballspielen erhielt, steckt der tatsächliche Hintergrund des „Wappentiers“ in einer Karikatur des berühmten Erfinders und Politikers Benjamin Franklin, der lange in Philadelphia lebte und ebenfalls an der Unabhängigkeitserklärung mitwirkte!

Franklin, dessen Konterfei in der Gegenwart die 100-Dollar-Note schmückt, zeichnete im Jahr 1754 eine in acht Teile zerlegte Schlange, welche die bis dato uneinigen britischen Kolonien versinnbildlichen sollte. Unter der Karikatur befand sich der Spruch „Join or Die“, also „Mitmachen oder Sterben“, der letztlich darauf hinweisen sollte, dass eine amerikanische Union alternativlos sei.

In seiner noch jungen Geschichte stehen für den Club bislang zwei erfolglose Teilnahmen an den Endspielen der US-Pokalwettbewerbe 2014 und 2015 zu Buche. Auch in der Liga sorgte man nur selten für Furore und galt bis zum Jahr 2019 als graue Maus der Eastern Conference, da man überhaupt nur dreimal die Playoffs erreichen konnte und jedesmal umgehend die Segel strich.

Allerdings zeigt die Leistungskurve der vergangenen vier Jahre steil nach oben. Die sportlich positive Entwicklung, die ihr Zenit noch nicht überschritten hat, erreichte im Spieljahr 2022 ihren vorläufigen Höhepunkt. Hier konnte Union zunächst den vielumjubelten Titel der Eastern Conference holen und unterlag im anschließenden Endspiel um die gesamtamerikanische Meisterschaft dem Los Angeles Football Club nur denkbar knapp mit 0:3 im Elfmeterschießen. Im vielleicht besten MLS-Finale aller Zeiten sah Union in der Nachspielzeit der Verlängerung schon wie der sichere Sieger aus…dann rettete ein gewisser Gareth Bale sein Team aus LA mit dem 3:3-Ausgleichstreffer in den Elfmeter-Vergleich!

Am 6. Spieltag der Major League Soccer 2023 traf die blau-goldene Union im heimischen Stadion mit dem Sponsoren-Namen eines japanischen Autobauers auf die Mannschaft von Sporting Kansas City aus der Western Conference.

Die angesprochene Union-Heimspielstätte befindet sich, wie bei vielen anderen US-Ligakonkurrenten auch, weit ausserhalb der namensgebenden Metropole. Im Fall Philadelphia muss sich der Fußballfan in die Nachbargemeinde Chester/Pennsylvania begeben, die eine gute halbe Stunde Autofahrt von „Downtown Philadelphia“ entfernt liegt und während der Durchfahrt schwierige soziale Bedingungen suggerierte. Auch wenn die Stadt Chester mit ihren 32.000 Einwohnern sicher kein großes Ausflugsziel darstellt, würde ich das Union-Stadion guten Gewissens als „einzigartig“ klassifizieren. Dies liegt nicht nur an der exponierten Lage am Ufer des Delaware-Flusses, sondern an der längsten Ausleger-Brücke der USA, die den Fluss direkt neben dem Stadion auf einer Höhe von 60 Metern und einer Länge von über vier Kilometern überspannt. Die imposante „Commodore Barry Bridge“ ist ein Meisterwerk der Technik und macht das ansonsten durchschnittliche Union-Stadion zu einem der interessantesten reinen Fußballstadien der USA!

Bevor der MLS-Ball in Chester vor „vollem Haus“ rollen sollte, war erst einmal Geduld angesagt. Eine gute halbe Stunde vor dem geplanten Anpfiff um 19.30 Uhr zog ein blitzendes Gewitter mit Starkregen über das Stadion, wie ich es in dieser Form noch nicht erlebt habe. Da die Wettervorhersage zudem eine Tornado-Warnung herausgab, wurden die knapp 19.000 Zuschauer angewiesen, in den Stadion-Katakomben zu verweilen und das Innere des Stadions unbedingt zu meiden. Was in Europa allein schon aufgrund der Regenmenge höchstwahrscheinlich für eine Spielabsage gereicht hätte, wurde in Chester relativ gelassen ausgesessen. Mit Verspätung von knapp 1 1/2 Stunden wurde das Match auf dem toll präparierten Rasen durch Schiedsrichter Victor Rivas tatsächlich angepfiffen, wohl auch aufgrund der Tatsache, dass ein Nachholtermin mit den Gästen aus dem fast 2000 Kilometer entfernten Bundesstaat Missouri nur mit hohen Folgekosten zu organisieren gewesen wäre.

Leider wirkte sich die lange Wartezeit auf die Qualität des Spiels aus. Auch wenn sich die Akteure beider Teams während der 90 Minuten fortwährend bemüht zeigten, war das Duell von vielen Abspielfehlern und Unkonzentriertheiten geprägt. Obwohl das goldene Tor speziell in der spannenden Schlussphase hüben wie drüben in der Luft lag, endete das Match am Ende torlos. Von den drei möglichen deutschen Spielern stand mit Sporting KC-Akteur Erik Thommy (zuletzt Fortuna Düsseldorf) nur ein Germane auf dem Platz. Sein Mannschaftskollege Tim Leibold (früher Hamburger SV) sowie Union-Linksverteidiger Kai Wagner hatten an diesem Abend offensichtlich frei.

Auch wenn es ein insgesamt schöner und stimmungsvoller Abend bei der Union war, muss ich zum Abschluss meines Blogs zu einer Thematik kommen, die in einem deutschen Stadion vermutlich für marodierende und randalierende Fans gesorgt hätte. Die Preise für Verpflegung und Fan-Artikel haben in den USA mittlerweile ein Niveau eingenommen, das man auch mit der hohen Inflation und den gestiegenen Lebenshaltungskosten nur schwerlich erklären kann.

Bei einem normalen Fußballabend mit einem Bier, einem Hotdog, vielleicht noch dem Union-Trikot des deutschen Herstellers mit den drei Streifen und einem Fan-Schal des eigenen Teams wird man spätestens an der Kasse ganz große Augen machen. Nach guter alter Mastercard-Zählweise rechne ich gerne einmal zusammen…Bier (0,5 Liter): 15 Dollar, Hotdog: 11 Dollar, Fußballtrikot: 150 Dollar und Fanschal: 35 Dollar! Diese Preise, die auch nach der Euro-Umrechnung genau so weh tun, sind im übrigen eine landesweite Spezialität und begegnen dem Sportfan auch beim NBA-Basketball oder dem NHL-Eishockey.

Deshalb war es umso schöner, dass ich vor dem Spiel rein zufällig an der unscheinbaren Garage des „Supporter Club“ von Philadelphia Union vorbeikam, wo es für 20 Dollar eine nicht limitierte Flat für Burger, Hot Dogs und auch Dosenbier gab. Hörte sich nicht nur nach Happy End an, sondern war auch eins. Auch wenn sich dieser unbezahlbare Zufall vor dem Spiel ereignete.

Die passenden Fotos und bewegten Story-Bilder vom Spiel in Chester sowie viele weitere Eindrücke aus Philadelphia findet Ihr wie immer in meinem Social-Media-Bereich bei Facebook und Instagram. Lasst mir ein „Like“ da!

STAY TUNED…BLEIBT AUF EMPFANG!