Falls es tatsächlich eine Art Leben nach dem Tod gibt, dürfte der Geist des legendären Baseball-Spielers „Babe“ Ruth (1895-1948) bei der Rückkehr in sein geliebtes New Yorker Yankee-Stadion aus zweierlei Sicht äußerst irritiert sein.

Ein erstes ungläubiges Kopfschütteln setzt bei dem siebenfachen World-Series-Gewinner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits bei Verlassen der Hochbahn-Station an der 161. Straße und dem damit verbundenen Blick auf sein sportliches Wohnzimmer ein.

Das 1923 im Stadtteil „The Bronx“ erbaute Yankee-Stadion, welches sogar den Spitznamen „The House that Ruth built“ trug, musste vor 13 Jahren einem an (fast) gleicher Stelle errichteten Neubau weichen. Hier erschufen die Verantwortlichen allerdings einen absolut würdigen Ersatz, da die Architektur der neuen Arena stark an die alte „Kathedrale des Baseball“ angelehnt wurde. Speziell der Außenbereich mit seiner monumentalen Empfangshalle wirkt historisch und erinnert an die goldenen 1920er-Jahre!

Der weitaus größere Kulturschock für den Geist des vielleicht besten Baseball-Spielers aller Zeiten lauert freilich auf dem Spielfeld des Stadions. Falls der gute „Babe“ auf die Idee kommen sollte, seinen Rekord von 54 Homeruns am Schlagmal verbessern zu wollen, wird sein Blick unweigerlich auf etwas fallen, das bei einem Amerikaner aus der Al Capone-Epoche genau so große Augen hervorruft, wie ein gerade gelandetes UFO mit Marsmenschen….nämlich ein Fußballfeld mit zwei Fußball-Toren, zwei Strafräumen und vier Eckfahnen!

Wer aber zeichnet sich für diesen fast schon blasphemischen Zustand verantwortlich? Am Ende ist es der Baseball-Rekordmeister und Stadioneigentümer New York Yankees höchstpersönlich, der im Milliardengeschäft „Sport“ mittlerweile nicht nur Baseball spielen lässt, sondern auch auf anderen Geschäftsfeldern sehr umtriebig agiert. In Zusammenarbeit mit der bekannten und durchaus kritisch zu sehenden „City Football Group“ um den allmächtigen Abu-Dhabi-Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan erschufen die Yankees vor 10 Jahren als Minderheitseigner den New York City Football Club. Mit dem NYCFC-Team nimmt man seit 2015 an den Spielen der Major League Soccer (MLS) teil und will tatkräftig mithelfen, „König Fußball“ kurz- und mittelfristig in der inoffiziellen Hauptstadt der Welt zu etablieren.

Eine durchaus ambitionierte Aufgabe, da der US-Fußball in der Gegenwart im gesamten Land zwar weiterhin wächst, im Vergleich zu New York aber eher in Portland, Atlanta oder Dallas zuschauertechnisch so richtig durch die Decke schießt. Dieser Interessens-Rückstand liegt vielleicht auch daran, dass sich viele New Yorker Fußball-Freunde die MLS-Auferstehung eines wahren Kult-Clubs gewünscht hätten, dessen Trikots noch heute vom Handel neu aufgelegt werden.

Das Team von New York Cosmos spielte mit berühmten Akteuren wie Franz Beckenbauer oder Pelé von 1971 bis 1985 in der Vorgänger-Liga der MLS und konnte insgesamt fünf amerikanische Meisterschaften gewinnen. Unvergessen sind die Bilder von Kaiser Franz, wie er in enger Ballführung über die American Football-Markierungen des stumpfen Kunstrasens schwebte und 17 Tore in 80 Ligaspielen erzielte. Obwohl Cosmos auch heute noch irgendwie existent ist, befindet man sich offiziell im „Pausenmodus“ und nimmt weiterhin nicht am Spielbetrieb der zweit- und drittklassigen US Soccer League teil.

Trotz der ungebrochen hohen Cosmos-Sympathiewerte entwickelt sich etwas in der New Yorker Soccer-Szene. Der noch junge New York City FC konnte bereits im Jahr 2021 mit dem Finalsieg gegen die Portland Timbers erstmals den MLS-Cup, also die gesamtamerikanische Meisterschaft, gewinnen. Das dicke Ausrufezeichen des NYCFC sorgte am gegenüberliegenden Ufer des Hudson River für Sorgenfalten auf der Stirn. Dort ist nämlich der große Rivale New York Red Bulls beheimatet, welcher trotz des Namens genau genommen aus New Jersey stammt, noch etwas genau genommener eigentlich im österreichischen Fuschl am See beheimatet ist und das erste Mal so richtig bekannt wurde, als Lothar Matthäus im Jahr 2000 zu Vorgängerclub New York Metrostars wechselte und seine Fans in feinstem „Denglisch“ belustigte.

Bevor es am 7. Spieltag der MLS-Saison 2023 zum Duell zwischen dem NYCFC und der Mannschaft von Atlanta United kommen sollte, musste die Frage beantwortet werden, wie das rechteckige Fußballfeld im „Baseball-Diamond“ wirkt. Um es vorwegzunehmen, es sieht äußerst skurril aus und sorgt für eine Besonderheit im Eintrittskartenverkauf. Da das Baseballfeld aus Sicht des Schlagmannes die Form eines Diamanten einnimmt, konnte der Großteil des Fußballfeldes nur im breiten und großen „Outfield“ angelegt werden, also dem Teil des Baseballfeldes, wo die weit geschlagenen Bälle im besten Fall direkt aus der Luft gefangen werden. Dies hat zur Folge, dass die teuersten und besten Baseball-Sitzplätze rund um das Schlagmal beim Fußball nicht verkauft werden können, da sie viel zu weit vom Geschehen entfernt sind.

Vor 20.095 Zuschauern waren die Gäste aus dem US-Bundesstaat Georgia mit ihrem argentinischen Weltmeister Thiago Almada die optisch überlegene Mannschaft. Überhaupt wurde im Stadion sehr viel südamerikanisches Spanisch gesprochen. Während auf dem Platz „nur“ 10 Spieler aus Mittel- und Südamerika agierten, rekrutierte sich ein großer Teil der Fans aus der spanisch sprechenden Community New Yorks. Nach einer torlosen ersten Halbzeit wurde es in der 2. Hälfte weitaus interessanter. Nach einem groben Foulspiel im Mittelfeld revidierte Schiedsrichter Drew Fischer aus Kanada seine anfänglich erteilte Gelbe Karte und verwies Atlantas Ibarra nach Rücksprache mit dem VAR des Platzes. Trotz der Unterzahl gingen die Gäste nur acht Minuten später in Führung, als der von Celtic verpflichtete Grieche Giakoumakis aus kurzer Distanz einköpfte (70.). Die Führung hielt allerdings nicht lange, da der eingewechselte Gabriel Pereira nur zwei Minuten später mit einem fulminanten Schuss aus 17 Metern ausglich. Fast hätte es auch noch zum Sieg für die bemühten Spieler des NYCFC gereicht, welche aufgrund der Besitzverhältnisse selbstverständlich auch in den himmelblauen Farben der „City Football Group“ aufliefen und wie die Schwesterclubs Manchester City und Melbourne City für eine weltbekannte Fluggesellschaft aus Abu Dhabi werben. Allerdings scheiterte New Yorks 15-Millionen-Euro-Brasilianer Talles Magno in der 10. Minute der Nachspielzeit am ehemaligen US-Nationalkeeper Brad Guzan.

Auch wenn die Bier-Preise wie beim vorherigen Spiel in Philadelphia weiterhin sehr hoch waren, ist das neue Yankee Stadion auf dem Sektor Infrastruktur, Komfort und Catering vermutlich eines der besten Stadien der Welt. Neben der Filiale des Hard Rock Cafés im Stadioninneren kann man seine Speisen und Getränke mittlerweile sogar per App eines weltweit agierenden Mietwagen-Unternehmens bestellen und diese wenig später in einer Art „Fast Lane“ abholen.

Trotzdem wünsche ich dem New York City FC, dass das geplante reine Fußballstadion mit einer Kapazität von 25.000 Zuschauern im Stadtteil Queens fristgerecht im Jahr 2027 fertiggestellt wird. Dies wäre für die Entwicklung als Fußballclub sehr wichtig und würde dem genervten Geist von Babe Ruth ein wenig Ruhe schenken! Der könnte endlich wieder Baseball spielen und müsste sich nicht ständig mit der kniffligen Abseitsregelung beschäftigen.

Mit dem Spiel im Yankee-Stadium endeten für mich zwei sehr schöne Wochen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wie immer findet Ihr Fotos und bewegte Story-Bilder in meinen sozialen Netzwerken bei Facebook und Instagram. Lasst mir gerne ein „Like“ da, natürlich aber auch nur dann, wenn es wirklich gefällt. Für Anregungen und Kritik steht die Kommentar-Funktion unter dem Blog zur Verfügung.

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