Nach dem Besuch des UEFA Europa-League-Spiels in der irischen Hauptstadt Dublin ging es nach einer kurzen Nacht direkt weiter in die schottische Metropole Glasgow. Was sich anfangs sicherlich ein wenig wahnsinnig anhört, ist letztlich der Auszug einer ökonomischen und effizienten Reiseplanung. Hierbei spielt neben dem hoffentlich günstigen Flug- bzw. Reisepreis natürlich auch der (inter)nationale Spielplan der jeweiligen Länder eine große Rolle. Bei dieser Reise ist es mir gelungen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zunächst musste ich feststellen, dass der Flug nach Glasgow mit Zwischenstop in Dublin günstiger als ein Direktflug aus Deutschland war. Zudem spielte der Rekordmeister des Landes, der Rangers Football Club, an dem fraglichen Wochenende im heimischen Ibrox-Stadium gegen den kleinen Stadtrivalen Partick Thistle FC.

Und so ging es frühmorgens mit einer ATR 72-600 der irischen Airline Aer Lingus Regional vom Airport Dublin über die irische See ins Vereinigte Königreich. Ein wirklich schöner, interessanter aber auch kurzer Flug mit einer kleinen Turboprop-Maschine.

Glasgow, die mit 600.000 Einwohnern größte Stadt Schottlands, ist eine pulsierende Metropole. Man liebt oder hasst sie nach dem ersten Besuch. Ich persönlich stelle mich ganz klar auf die Seite der Liebenden. Entgegen der doch eher traditionellen und historischen Hauptstadt Edinburgh bietet die drittgrößte Stadt Großbritanniens eine perfekte Mischung aus Großstadtleben, Nightlife, Sightseeing und natürlich Fußball. Die oft benannte „schönste Nebensache der Welt“ ist in Glasgow tatsächlich der absolute König und ein Spiegelbild der gesamten Stadt. Zusammengefasst in einem Wort: Polarisierend!

Bei dem Stichwort „Fußball in Glasgow“ denkt man zwangsläufig an die beiden großen Vereine der Stadt, die Teams der Rangers und Celtic mit ihrem Old Firm-Derby. Diese Denkweise ist sicher nicht falsch, da beide Vereine den schottischen Fußball über Jahrzehnte geprägt haben und über eine schier unüberschaubare Anhängerschaft verfügen. Bevor ich auf die grössten Rivalen im schottischen Fußball ein wenig näher eingehe, möchte ich weitere interessante Grounds bzw. Teams aus Glasgow in Kürze vorstellen.

Neben dem intensiven schottischen Vereinsfussball bietet die Stadt am River Clyde auch für Freunde der Nationalmannschaften ein absolutes Top-Stadion an. Der Hampden Park im Süden der Stadt ist so etwas wie das Nationalstadion Schottlands. Die Arena mit einem Fassungsvermögen von knapp 52.000 Zuschauern beherbergt zudem das nationale Fussballmuseum Schottlands. Dass man sich in Schottland seinen Traditionen absolut bewusst ist, zeigt eine Besonderheit des Stadions. Denn neben den zumeist ausverkauften Auftritten der schottischen Nationalmannschaft beherbergt das Stadion die Spiele des Drittligisten Queens Park FC, nicht zu verwechseln mit dem englischen Championship-Team Queens Park Rangers FC. Das Team aus dem gleichnamigen Stadtteil Glasgows ist außerhalb Schottlands aufgrund der zuvor genannten Namensähnlichkeit mit der englischen Profimannschaft eher unbekannt. Dennoch muss man festhalten, dass die Mannschaft ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Denn dieser sehr traditionelle Club sieht sich trotz seiner Zugehörigkeit im Profifussball als reiner Amateurclub. Dies geht schon aus dem Vereinsmotto „Ludere causa Ludendi“ – „Zu spielen um des Spieles willen“ hervor. Was ein wenig skurril klingt, ist letztlich aber gut zu erklären. Der Verein Queens Park FC ist der älteste Fußballverein Schottlands und so etwas wie der Großvater, der die Regeln des Spiels in der Vergangenheit festgelegt hat. Zudem ist man allein aufgrund der Historie der dritterfolgreichste Verein im schottischen Pokal (nach den Rangers und Celtic). Leider sind aber auch die Zuschauerzahlen im großen Hampden Park für die Truppe des Queens Park FC stark ausbaufähig. Die letzten Ligapokalspiele gegen die Clubs Queen of the South FC und Airdrieonians sahen nur knapp 500 Zuschauer. Seit dem Jahr 2005 gibt es übrigens eine Fanfreundschaft mit dem deutschen Regionalligisten SG Wattenscheid 09.

Ein weiterer im Ausland eher unbekannter Club aus Glasgow ist das Team von Partick Thistle FC. Die Spieler des Clubs tragen ihre Spiele der Scottish Premier League im nördlich der Innenstadt gelegenen Firhill-Stadium aus. Das Stadion mit einem Fassungsvermögen von 13.079 Zuschauern besitzt nur drei Tribünen und ist „typisch britisch“. Ein absoluter Angriff auf die Lachmuskeln gelang dem Club mit der Schöpfung des Maskottchens namens „Kingsley“. Das „Ding“ sieht wie eine Sonne mit bösem Gesicht aus und prangt sogar auf dem gewöhnungsbedürftigen gelb-roten Trikot der „Jags“. Ich persönlich kann mir überhaupt nicht vorstellen, was uns der Schöpfer des Maskottchen damit sagen wollte.

Trotz dieser definitiv vorhandenen Fußballvielfalt in Glasgow schweben die Großvereine Celtic FC und Rangers FC über allem. Das ist nicht nur ein Duell zwischen zwei rivalisierenden Fussballvereinen, es ist eine Mischung aus völlig verschiedenen Weltanschauungen im Bereich Religion, Politik und Heimatverbundenheit! Sicher könnte ich jetzt weit ausholen und die Rivalität erklären. Dies ist für Außenstehende aber mehr als schwierig. Man kann zumindest das anreißen, was allgemein bekannt ist. Auf der einen Seite steht ein Verein, der 1887 von irischen-katholischen Einwanderern der Arbeiterklasse in Glasgow gegründet wurde (Celtic), dem gegenüber steht ein Verein, der 1873 von protestantischen Studenten aus der Taufe gehoben wurde (Rangers). Die Fans des Celtic FC haben aufgrund der Vereinsfarben und Gründungsväter große Sympathien für die irische Kultur, während es sich bei den Anhängern der Rangers um Menschen handelt, die ein großes Zugehörigkeitsgefühl zum Vereinigten Königreich und dem Union Jack besitzen. Daran kann man zumindest ansatzweise erkennen, dass sich diese Rivalität nicht nur um den Fußball dreht.

Auch ich kann mich dieser Rivalität nicht verschließen und habe in Glasgow einen klaren Favoriten. Obwohl ich auf all meinen Reisen hauptsächlich für guten Fussball und eine interessante Fußballkultur vor Ort bin, kann ich in manchen Städten und Regionen meine Vorliebe nicht verbergen bzw. neutral agieren. Dies bezieht sich zum Beispiel auf das englische Tyne and Wear-Derby zwischen Newcastle und Sunderland, wo ich den Black Cats des Sunderland AFC fest die Daumen drücke.

In Glasgow identifiziere ich mich voll und ganz mit der Mannschaft des Rangers FC, den sogenannten „Gers“! Ausschlaggebend war ein Spiel der Rangers am 09.12.1992, als man in der UEFA Champions League mit 1:0 gegen ZSKA Moskau gewann. Das Spiel fand damals aufgrund einer Platzsperre für die Russen im Bochumer Ruhrstadion statt und lockte viele Bochumer Fußballfans an. Vielleicht auch ein Grund, warum die Rangers in der Bochumer Fanszene sehr beliebt sind.

Leider dauerte es nach diesem Abend gute 21 Jahre, bis ich endlich ein Heimspiel der Rangers besuchen konnte. Im Jahr 2013 begab ich mich aufgrund der Einladung meines guten Freundes Andy Wright erstmals nach Glasgow. Zu dieser Zeit steckte der Club in seiner größten Krise bzw. schwierigsten Zeit der Vereinsgeschichte. Nur knapp ein Jahr zuvor wurde der mit 54 Meistertiteln weltweit erfolgreichste Verein aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und Problemen mit dem britischen Fiskus in die 4. schottische Liga zwangsversetzt. Eine Situation, die für alle Fans und Freunde des Clubs nicht einfach war. Man stelle sich vor, der FC Bayern oder Borussia Dortmund müssten von einem auf den anderen Tag gegen Teams wie Wacker Nordhausen oder 1860 Rosenheim ihren Ligaalltag bestreiten.

An einem kalten Novemberabend gewann der damalige „Aufsteiger“ und Drittligist Rangers FC ein FA-Cup-Spiel gegen den Ligakonkurrenten Airdrieonians leicht und locker mit 3:0. Trotz des eher rumpeligen Fußballspiels war es ein toller Abend. Der begann in einer Örtlichkeit namens „Neptune Social Club“, ein nur für Mitglieder geöffneter Supporter-Club mit einer recht „einfachen“ Einrichtung (ich erhielt für den Tag eine Gastmitgliedschaft). Ein rückblickend sehr intensiver Abend mit einigen Kaltgetränken!

Nach einer exklusiven Stadiontour im Jahr 2015 kehrte ich für das Heimspiel des frisch gebackenen Premier-League-Aufsteigers im Oktober 2016 in das Ibrox-Stadium zurück. Zum Spiel gegen den kleinen Stadtrivalen Partick Thistle FC traf ich meine Freunde Andy Wright und Tom Allison erneut im Neptune Social Club. Vor allem nach dem Spiel eine „runde“ Sache, unter anderem mit dem mir zuvor unbekannten Getränk Brandy mit Limonade. Zuvor musste ich feststellen, dass das Stadion bzw. das direkte Umfeld mit großen Plakaten und farbigen Zeichnungen rund um das Thema „Legenden“ und „Ikonen“ eindrucksvoll verschönert wurde und eine Art Aufbruchstimmung erzeugt. Generell kann man die Tradition und auch die vielen Geschichten des Clubs im Stadionumfeld fühlen. Eine insgesamt raue und ehrliche Gegend, welche mich ein wenig an das Umfeld in Liverpool erinnerte.

Das schwer bekömmliche Spiel gegen den Tabellenletzten gewannen die Rangers vor knapp 50.000 Zuschauern durch Tore von Andy Halliday und des kroatischen Nationalspielers Nico Kranjcar, der nach seinem Engagement bei den Tottenham Hotspur zuletzt bei dem bekannten amerikanischen Zweitligisten New York Cosmos sein Geld verdiente. Trotz der Rückkehr ins Oberhaus wird es für die Rangers sicher noch 1-2 Jahre dauern, bis man Celtic auf Augenhöhe begegnen kann. Durch die Jahre in den Niederungen der schottischen Fußball-Peripherie hat man den Anschluss mehr oder weniger komplett verloren. Ich drücke jedenfalls die Daumen, dass der Verein dahin zurückkehrt, wo er hingehört. Getreu der Einlaufhymne „Simply the Best“ von Tina Turner, in den Europapokal.

Im Stadion herrschte jedenfalls eine hervorragende Stimmung, auch dank der stimmgewaltigen „aktiven“ Fanszene der Rangers auf dem Broomloan-Road-Stand hinter dem Tor. Die feierte Mittelfeldspieler Andy Halliday nach seinem Tor mit der Melodie des Liedes „Baby, give it up“ von der Gruppe KC & The Sunshine Band!

Der schöne Tag für alle Anhänger der Rangers wurde leider durch die Nachricht getrübt, dass ein nordirischer Fan der Gers auf der Anreise in Höhe der Ortschaft Kilmarnock bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte. Was man daraufhin in den sozialen Medien an Anteilnahme wahrnehmen konnte, war wirklich bemerkenswert. Auch der Unfallort, den einige ehemalige Profis wie Nacho Novo besuchten, wurde durch diverse Rangers-Devotionalien geschmückt. RIP Ryan Baird!

Mit meinem heutigen Blog aus Glasgow habe ich sicherlich klargestellt, dass Glasgow für mich BLAU ist. Die beigefügten Fotos sind eine Mischung aus aktuellen Bildern von meinem Besuch 2016, aber auch von der Stadiontour im letzten Jahr.

Wer einmal nach Glasgow reist und noch ein wenig Zeit besitzt, sich auch außerhalb der Stadt zu bewegen, für den habe ich noch ein paar sehr nette Sightseeing-Tips. Die Region Central Scotland, zwischen Glasgow und der Hauptstadt Edinburgh gelegen, hat ein paar wirklich interessante Sehenswürdigkeiten zu bieten. Nahe der sehr schönen Stadt Stirling mit ihrem Castle wird es historisch, hier befinden sich die Schlachtfelder des schottischen Freiheitskämpfers und Volkshelden William Wallace, besser bekannt als Braveheart. Auf diesen Feldern besiegte er zweimal die verhassten Engländer, die jahrelang marodierend durch Schottland zogen. Weitere Sehenswürdigkeiten sind die riesigen 30-Meter-hohen Pferdestatuen „Kelpies“ im Helix-Park von Falkirk sowie das Falkirk-Wheel, ein eindrucksvolles Schiffshebewerk.

Damit schließe ich für das Jahr 2016 die Akte Schottland! Besten Dank fürs Lesen, in den nächsten Wochen geht es weiter mit Spielen aus Übersee. Stay tuned!!!