Kann man ohne einen nationalen Meistertitel der erfolgreichste Verein eines Landes sein? Im Falle des kleinen Fürstentums Liechtenstein ist diese Frage mit einem klaren JA zu beantworten. 

Das mit 38.000 Einwohnern sechstkleinste Land der Welt, auf seinen nur 25 km Länge von den großen Nachbarn Österreich und Schweiz umgeben, stellt eine absolute Besonderheit auf meiner UEFA 55-Reise dar. 

Obwohl das Fürstentum seit 1974 vollständiges Mitglied der UEFA ist und die Nationalmannschaft mit dem einen oder anderen Achtungserfolg an WM-und EM-Qualifikationen teilnimmt, gibts keine eigene unabhängige Fußball-Meisterschaft.

Dies würde bei nur sieben (Amateur)-Fußball-Clubs wie dem FC Balzers oder dem FC Schaan vermutlich auch irgendwann Langeweile auslösen, wenn man das achte Mal pro Saison gegeneinander antreten müsste. Da man Langeweile generell ausschließen möchte, sind die Liechtensteiner Vereine dem Schweizer Ligafußball angegliedert. 

Der bereits angesprochene erfolgreichste Club Liechtensteins ist mit Abstand der FC Vaduz aus dem gleichnamigen Hauptort des Fürstentums. Die Mannschaft von Rekordnationalspieler Mario Frick kämpfte zum Zeitpunkt meines Besuches gegen den Abstieg aus der zweitklassigen Schweizer Challenge League. Die größten Erfolge des Vereins stellen mit Sicherheit die vier Aufstiege ins Oberhaus der Schweiz (Super League) sowie insgesamt 46 Liechtensteiner Pokalsiege dar.

Gerade diese Pokalsiege sind enorm wichtig für eine Teilnahme am Europapokal. Da Liechtenstein keinen eigenen Meister ausspielt und auch bei einem theoretischen Gewinn des Schweizer Meistertitels nicht in der UEFA Champions League antreten darf, besteht lediglich für den Pokalsieger die Möglichkeit, an einem internationalen Pflichtspiel, sprich der Qualifikation zur Gruppenphase der UEFA Europa League teilzunehmen. 

Da der FC Vaduz zudem der einzige Proficlub des Fürstentums ist, wundert es vermutlich nicht allzu viele Experten, dass man den Pokal so häufig und seit 1998 fast durchgängig gewinnen konnte. Lediglich im Jahr 2012 unterlag man dem unterklassigen Konkurrenten USV Eschen/Mauren im Elfmeterschießen. Die Eschener Jungs durften dann ausnahmsweise mal in der Qualifikation zur UEFA Europa League ran und unterlagen dem „übermächtigen“ Gegner FH Hafnarfjördur in der Addition mit 1:3.

In der Europapokal-Saison 2018/2019 erreichte der „Platzhirsch“ FC Vaduz übrigens die 2. Qualifikationsrunde des Wettbewerbs…nachdem man in der 1. Runde noch mit der viel diskutierten Auswärtstorregel gegen den bulgarischen Club Lewski Sofia weiterkam, unterlag man in Runde 2 den Litauern von Zalgiris Vilnius nur sehr knapp!

Nach meiner Ankunft in dem kleinen Land musste ich zunächst einmal feststellen, dass mein Zeitaufwand für Sightseeing ein wenig zu üppig geplant wurde. Obwohl der Ort mittlerweile von finanzkräftigen chinesischen Touristen belagert wird, bleibt er am Ende des Tages dann doch irgendwie recht idyllisch und überschaubar. Deshalb ging es vor dem Spiel noch zu einem Hauptsponsor des FC Vaduz…die amerikanische Burger-Kette mit einem goldgelben „M“ stellt für einen deutschen Touristen in Liechtenstein bzw. der Schweiz zumindest mal eine Möglichkeit dar, ohne die Aufnahme eines Kleinkredits etwas zu essen. Allerdings möchte ich das Wort „günstig“ jetzt ausdrücklich vermeiden, die auch in Deutschland sehr beliebten Menüs mit Burger, Pommes und einem Getränk gab es für knackige 12,50 Euro. Was dann ein T-Bone-Steak im Steakhaus kostet, kann sich vermutlich jeder ausrechnen.

An diesem recht kühlen Freitagabend stand Liechtensteiner Live-Fußball auf dem Programm. Am 20. Spieltag der Saison 2018/2019 traf der von den Fans genannte FCV auf den FC Lausanne-Sport, immerhin siebenfacher Schweizer Meister und Heimatclub eines gewissen Lucien Favre! Beim Duell des Tabellen-7. gegen den 3. könnte man anfänglich noch auf die Idee kommen, dass sich zwei Spitzenteams gegenüber stehen…da das Schweizer Unterhaus mit dem Namen Challenge League aber nur aus insgesamt 10 Mannschaften besteht, hieß das Motto Abstiegskampf gegen Aufstiegshoffnung.

Das Match fand im Rheinpark Stadion Vaduz statt, welches zugleich auch als Nationalstadion dient und dem ein recht großes Trainingszentrum angegliedert ist. Der Ground befindet sich etwas außerhalb des Stadtzentrums, direkt an unserem „Vater Rhein“, welcher zugleich auch als „Grenzfluss“ zwischen der Schweiz und Liechtenstein fungiert. Das wirklich äußerst neuwertige und gepflegte „Schmuckkästchen“ fasst knapp 8.000 Zuschauer und wurde 1998 mit einer 0:8-Freundschaftsspiel-Niederlage des FC Vaduz gegen den damaligen deutschen Spitzenclub 1. FC Kaiserslautern eingeweiht…ja, liebe Kinder…der FCK aus der Pfalz war mal ein richtig guter Verein.

Nach Anpfiff von Schiedsrichter Schärer entwickelte sich ein Spiel, welches oberflächlich betrachtet nichts mit Fußball zu tun hatte, aber irgendwie trotzdem unterhaltsam und letztlich auch dramatisch verlief.

Nach viel Ballgestocher, unkonzentriertem Pass-Spiel und der ein oder anderen Zufallschance sah es sechs Minuten vor der Halbzeit dann doch erstmalig nach Profifußball aus, als Lausannes Mittelfeldspieler Stjepan Kukuruzovic einen Freistoß mit dem linken Fuß aus gut 25 Metern zur Führung in den Winkel streichelte. Diese Führung konnte man durchaus als verdient beschreiben, da die Truppe aus dem französisch sprachigen Teil der Schweiz das Bessere von zwei schlechten Teams in der 1. Hälfte war. 

In der 2. Halbzeit änderte sich am Spielniveau leider nicht übermäßig viel. Lausanne wirkte allein aufgrund des Tabellenstandes etwas reifer und routinierter. Deshalb kann ich den Doppelschlag des FC Vaduz nur in die Kategorie „schöne Einzelaktion“ packen…erst traf der kurz vor der Halbzeit eingewechselte Tadic eiskalt zum Ausgleich (49.)…dann rammte Milan Gajic den Ball mit dem Kopf zur Führung in die Maschen (66.)…Spiel gedreht, keiner wusste warum!

Letztlich gab es in der Folge zwei Sachen, die noch ein wenig unverständlicher waren:

1.) Der Ausgleich des FC Lausanne-Sport in der 4. Minute der Nachspielzeit. Nach der Vaduzer Führung kam von den Gästen nichts mehr, auch in der Nachspielzeit hatte der FCV das Match voll im Griff. Manchmal reicht aber eine Verzweifelungs-Flanke zum Ausgleich aus…diesmal traf der völlig freistehende Sancidino Silva doch noch zum unerwarteten Ausgleich.

2.) Die Zuschauerzahl wurde vom Stadionsprecher mit 1388 zahlenden Fans beziffert. Da tut sich für mich die Frage auf, wo die Zuschauer nach Kauf ihrer nicht mal günstigen Karte eigentlich hingegangen sind? Neben den beiden kleinen aktiven Fanszenen hinter den Toren (jeweils ca. 20-30 Menschen) befanden sich auf der Haupttribüne vielleicht noch 400 Zuschauer!

Am Ende war es ein schöner Ausflug in die Berge…idyllisch ist es dort wirklich! Für mich ging es mit meinem Leihwagen direkt zurück ins knapp 120 km entfernte Zürich. Dort stand der 2. Programmpunkt meiner Reise zu den Eidgenossen an…das 273. Zürcher Derby!

Zürich…die größte Stadt der Schweiz und globales Zentrum der Banken- und Finanzwirtschaft wirkt auf den ersten Blick ebenfalls sehr idyllisch und geordnet!

Obwohl die Stadt im Kern „nur“ knapp 410.000 Einwohner besitzt, zählt sie aufgrund ihrer Wirtschaftskraft, ihrem kulturellen und kosmopolitischen Anspruch sowie der überdurchschnittlich hohen Lebensqualität als Weltstadt!

Aber woran macht man diese Lebensqualität während eines Kurzaufenthaltes eigentlich fest?? Ich möchte dies mit zwei Worten beschreiben, die in der Schweiz schon immer von größter Bedeutung waren und in allen Bereichen nach wie vor Bestand haben: Effizienz und Service!

Allein beim Thema „Öffentlicher Personen-Nahverkehr“ dürfte jeder deutsche Verkehrsplaner feuchte Augen bekommen: Ein gut durchdachter bzw. vernetzter Linienplan (Straßenbahn und Bus), kurze Taktungen mit einem digitalen Informationssystem…dazu mit mehreren Elektro-Bus-Linien noch umweltfreundlich…da war das oft benötigte Taxi nach Spielende diesmal überflüssig!

Die hohe Lebensqualität hat allerdings auch ihren Preis…eine einfache Fahrt mit der Straßenbahn kostet ca. 4 Euro, eine Bratwurst 7 Euro und der Kaffee mit einer kleinen Flasche Wasser schnell mal über 10 Euro…damit belegt man im Bereich der Lebenshaltungskosten ebenfalls einen absoluten Spitzenplatz!

Natürlich kommt die Stadt auch im Bereich des (Fußball-)Sports ihrem hohen Statuswert nach. Mit dem FC Zürich und dem Grasshopper Club Zürich spielten in der Saison 2018/2019 zwei Vereine in der höchsten schweizer Spielklasse, der Super League. 

Umso schöner und absolut passend, dass beide Clubs während meines Aufenthaltes im 273. Zürcher Derby aufeinander trafen. Böse Zungen behaupten sogar, dass ich das genauso geplant haben soll!

Das Spiel fand im „neuen“ Stadion Letzigrund statt, welches anlässlich der UEFA-Europameisterschaft 2008 an gleicher Stelle des zuvor abgerissenen „alten“ Letzigrund errichtet wurde! Das Stadion fasst gut 26.000 Zuschauer und dient beiden Clubs als Heimspielstätte…wenn man meinen Sitznachbarn Glauben schenken darf, ist die Arena aufgrund der weitläufigen Leichtathletik-Laufbahn in Fankreisen aber eher unbeliebt!

Wie so oft auf der Welt ist das Zürcher Stadtderby auch eine Frage der sozialen Herkunft. Während der Grasshopper Club, kurz GC, lange als Verein der Zürcher Oberschicht galt, haftet am FC Zürich das Image des kleinen Arbeitervereins! Obwohl dies heute nicht mehr so sein soll, skandieren die Fans des FCZ gerne „GC, GC, die Scheisse vom See“! 

Auch im sportlichen Bereich hat sich der Wind mittlerweile gedreht. Obwohl der Grasshopper Club mit 27 Titeln immer noch Schweizer Rekordmeister ist, sah es vor Anpfiff äußerst trist aus. Nach 19 Spielen stand man in der 10er-Super League nur auf dem 9. und damit vorletzten Platz…dies bedeutete für das Team des deutschen Trainers Thorsten Fink akute Abstiegsgefahr!

Auch wenn der FC Zürich mit dem letztjährigen Erreichen der UEFA Europa League und dem Überwintern in diesem Wettbewerb weitaus erfolgreicher erscheint, kann er die anhaltende Dominanz des FC Basel 1893 oder dem Berner SC Young Boys in Bezug auf den Meistertitel momentan nicht durchbrechen!

Das Stadtderby konnte der FC Zürich an diesem kühlen Samstagabend jedenfalls mit 3:1 (1:1) für sich entscheiden. Insgesamt ein verdienter Erfolg gegen gerade in der 2. Halbzeit harmlose Grasshopper! Mit dem Sieg blieb der FCZ auf Europapokalkurs, während die Grasshopper weiterhin zittern und hoffen mussten, dass Konkurrent Neuchâtel Xamax nicht allzu oft gewinnt!

In diesem Blog möchte ich aber weniger aufs Spiel selbst eingehen, sondern eher über das „Drumherum“ schreiben.

Das Derby wurde von 11.013 Zuschauern besucht…fand ich insgesamt etwas enttäuschend, soll aber nach nochmaliger Auskunft meiner GC-Sitznachbarn in der Schweiz normal sein…“Zürich ist halt keine echte Fußballstadt“ war der Tenor!

Obwohl der Besuch zahlenmäßig eher enttäuschend war, offerierten die Anhänger des FCZ vor dem Spiel eine sehr schöne Choreografie! Überraschend war hier nur der übermäßige und beidseitige Gebrauch von auch in der Schweiz verbotener Pyrotechnik, welcher während des Spiels andauerte und das Spielfeld fortlaufend in Rauch einhüllte.

Apropos Rauch…vor dem Spiel roch es vor dem Stadion überall nach Marihuana! Dies wirkte gerade in der ordnungsliebenden Schweiz eher befremdlich! Oder war es nur ein weiterer Aspekt einer hohen Lebensqualität? Dies liegt wie immer im Auge des Betrachters!

Am Ende der Saison gewann die Mannschaft des FC Vaduz natürlich den Liechtensteiner Pokal…im Finale wurde der Konkurrent FC Ruggell aus der 6. Schweizer Liga mit 3:2 besiegt. Damit startet man in der Saison 2019/2020 wieder mal in der Qualifikation zur UEFA Europa League mit einem Vergleich gegen den isländischen Club Breidablik UBK. Auch in der Liga war am Ende übrigens alles in Ordnung…mit dem 6. Tabellenplatz landete man im gesicherten Mittelfeld der Tabelle.

Für die beiden Zürcher Konkurrenten ist die Saison 2018/2019 wohl nur mit den Worten „ausbaufähig“, „enttäuschend“ und „desaströs“ zu beschreiben. Während der FC Zürich am Ende „nur“ den 7. Platz in der Super League einnahm und damit die Qualifikation zum Europapokal verballerte, stiegen die Grasshopper am Ende sang- und klanglos in die 2. Schweizer Liga ab…nach 70 Jahren Erstligazugehörigkeit! Den Abstieg erlebte Coach Thorsten Fink übrigens nicht mehr mit…er wurde bereits im März, kurz nach meinem Besuch, entlassen. Insgesamt eine schwarze Saison für die Sportstadt Zürich!

Zum Abschluss meines Besuches ging es am Hauptsitz der FIFA noch in das offizielle FIFA-Museum…um es vorab zu sagen…die Themen „Korruption“, „Menschenrechte“ und „WM-Vergaben“ wurden nicht angesprochen! Dafür gab es eine sehr nette Sammlung von Fußball-Devotionalien aus aller Welt…mehr hatte ich auch nicht erwartet!

STAY TUNED…vielen Dank für das entgegengebrachte Interesse…es geht immer weiter!