Nach einer ersten Stippvisite des Baltikums und einem Aufenthalt in der estnischen Hauptstadt Tallinn stand nun das Fußball-Oberhaus des Nachbarlandes Lettland auf dem Prüfstand! Für mich persönlich ein ganz wichtiger Meilenstein…schließlich ist die Zahl „27“ in Bezug auf das Projekt „UEFA 55“ gleichbedeutend mit den Begriffen „Halbzeit“ und „Bergfest“!
Genau deshalb sollte die „Halbzeit“-Ausgabe in Lettland auch entsprechend zelebriert werden. Auf dem Programm standen zwei Liga-Spiele sowie der Besuch eines VIP-Raumes…aber auch nur dann, wenn Preis und die zu erhaltene Leistung irgendwie miteinander korrespondieren würden!
Das erste Spiel fand in der lettischen Hauptstadt Riga statt! Die Metropole ist nicht nur geografisch das Zentrum des Baltikums, sondern stellt mit gut 700.000 Einwohnern auch die größte Gemeinde der drei baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland dar!
Während die Sportarten Eishockey und Basketball auch aufgrund der vorhandenen Erfolge (Teilnahme an A-Weltmeisterschaften bzw. einheimische Spieler in der nordamerikanischen NBA) äußerst populär sind, steht der lettische Fußball als Mauerblümchen eher in der 2. Reihe!
Bei einem Blick auf die Profile der neun teilnehmenden Mannschaften der einheimischen Optibet Virslīga fallen sofort die zwei vermeintlichen Hauptprobleme des lettischen Fußballs auf…fehlende Tradition und ständig wiederkehrende Finanzprobleme sorgen gerade bei unbelehrbaren Fußballenthusiasten und den Anhängern der einzelnen (Plastik-)Clubs für wenig Interesse und eine geringe seelische Bindung sowie Identifikation zum Club!
Nach der Unabhängigkeit des kleinen Landes von der Sowjetunion im Jahr 1991 startete der Spielbetrieb der „Virsliga“ nur ein Jahr später mit 10 teilnehmenden Teams. Von den insgesamt sieben Clubs, die seit dem Start die lettische Meisterschaft gewinnen konnten, existieren drei Vereine aufgrund finanzieller Probleme gar nicht mehr und mussten nach Lizenzentzügen aufgelöst werden! In dieser Reihe befindet sich auch der lettische Rekordmeister und Hauptstadtclub FC Skonto Riga, welcher 15 Titel gewinnen konnte und im Jahr 2014 sang- und klanglos pleite ging!
Ich entschied mich zunächst für eine Bestandsaufnahme beim „neuen“ Hauptstadtverein, dem Riga Football Club! Der geht zwar nicht als direkter Rechtsnachfolger des FC Skonto durch…wurde aber auch erst nach der Skonto-Pleite im Jahr 2014 gegründet! Nach dem systembedingten Start in der lettischen 3. Liga gab es den direkten Durchmarsch ins Oberhaus…hier gewann die Mannschaft unter der Führung des ehemaligen Bremer Trainers Viktor Skripnik in der Saison 2018 sofort das Double aus Meisterschaft und Pokal! Ein besseres Ergebnis als die Qualifikation zur UEFA Champions League kann man in der Premierensaison wohl nicht einfahren! Die anschließende Europapokal-Qualifikation nach meinem Besuch erlebte der gute Skripnik aus unbekannten Gründen aber schon nicht mehr mit. Nach dem Gewinn der ersten beiden Titel verließ er den Verein, wie man hört, nicht unbedingt in beidseitigem Einvernehmen!
Am 21. Spieltag der Virsliga 2019 traf die Mannschaft des neuen Trainers Mihails Konevs als Tabellenführer auf den FK Valmiera, der finanziell großzügig von einem Hersteller von Glasfaserprodukten unterstützt wird. Dies hat zur Folge, dass der Club aus dem Mittelfeld der Tabelle nun Valmiera Glass Via Futbols heißt!
Nach der Ankunft am Innenstadt-Stadion des Riga Football Club, welches übrigens immer noch den Namen „Skonto-Stadion“ trägt, gab es die erste große Überraschung! Die im Südosten der Arena avisierte Stahlrohr-Tribüne wurde offensichtlich zur Vergrößerung des Parkplatzes einfach abgebaut. Damit wäre es theoretisch möglich gewesen, das Spiel ganz bequem aus dem Auto zu verfolgen! Hierfür wäre nur ein günstiger Parkschein erforderlich gewesen…also eine Art Autokino mit Stadionatmosphäre!
Was bei den heutigen Eintrittspreisen in Westeuropa durchaus Sinn gemacht hätte, ist in Lettland keine wirkliche Alternative! Die Preisstruktur war mehr als fair…5 Euro mit freier Sitzplatzwahl oder 25 Euro im VIP-Bereich! Da war das gewünschte Angebot also….nur welche Annehmlichkeiten waren „hier mit drin“?
Neben einem Kino-Sofasitz, leckeren Snacks wie dem beliebten baltischen Knoblauchbrot „Kiploku Grauzdini“ hieß das Zauberwort FREIBIER! Das war rückblickend zur Steigerung der Laune auch erforderlich, da das torlose Spiel sicher nicht nachhaltig in meinem Gedächtnis bleiben wird.
Vor 874 Zuschauern zeigten die Gäste aus Valmiera gegen den Meister in der Defensive zwar eine reife Leistung…schossen in den 90 Minuten aber tatsächlich auch kein einziges Mal auf das gegnerische Tor! Das Team des Riga FC war bei 73 Prozent Ballbesitz und einem Torschuss-Verhältnis von 16:0 zwar weitaus engagierter, schaffte es in Person des Brasilianers Felipe Brisola aber auch noch, einen Foulelfmeter zu verschießen (83.).
So blieb es torlos, ich war leicht angetrunken und konnte mir nicht mal ansatzweise vorstellen, dass der Riga Football Club in der anstehenden Qualifikation zur Königsklasse gegen den irischen Meister Dundalk FC irgendeine Chance besitzen würde. Zwar sollte ich mit meiner Einschätzung temporär richtig liegen (Riga unterlag im Elfmeterschießen), hätte aber auch nicht erwartet, dass die Letten in der anschließenden Qualifikation zur UEFA Europa League bis in die Play-Offs vordringen. Hier stand man kurz vor dem Einzug in die Gruppenphase und scheiterte ganz knapp am dänischen Meister FC Kopenhagen! Mein Respekt und ich nehme wirklich alles zurück!
Nach dem torlosen Auftaktspiel in Riga war ich insgeheim sehr froh, noch ein zweites Spiel während meiner Lettland-Reise vorgeplant zu haben. Auch wenn es immer wieder taktisch interessante Nullnummern gibt, wünscht man sich als neutraler Fußballliebhaber doch eher ein Spiel mit offenem Visier, vielen Höhepunkten und schönen Toren!
Für das Spiel in Liepāja, der mit 76.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Lettlands, war aber erstmal die Anreise zu organisieren! Da die öffentlichen Verkehrsmittel wie Fernbus und lettische Eisenbahn leider nur einen sehr weit getakteten Fahrplan anbieten konnten und somit keine wirkliche Alternative darstellten, ging es letztlich mit dem Mietwagen auf die gut 220 km lange Strecke an die lettische Ostseeküste!
Während der deutsche Autofahrer für eine derartige Distanz aufgrund des gut ausgebauten Bundes-Autobahnnetzes zumeist nur ein müdes Lächeln übrig hat, kann die Reise in Lettland schonmal etwas beschwerlicher sein!
Obwohl die Strecke von Riga nach Liepāja mit dem Kürzel „A9“ versehen ist und als lettische Hauptverkehrsstraße gekennzeichnet wurde, handelt es sich am Ende lediglich um eine zweispurige Landstraße mit einer Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h und überhaupt keiner komfortablen Überholmöglichkeit!
Deshalb braucht man während der Fahrt in erster Linie gute Laune, innere Ruhe und noch mehr Gelassenheit! Sonst werden die vielen Überholmanöver schnell zur Qual!
Nach der Ankunft in Liepāja und einem ersten „Gang durch die Gemeinde“ stellte ich als Besucher sofort fest, dass alles zwei Nummern ruhiger und entspannter als in der Hauptstadt Riga abläuft! All das erinnerte eher an ein intensives Dorfleben als an eine sommerliche Küsten- und Urlaubsstadt mit Hafen!
Genau deshalb fiel das geplante Sightseeing etwas kürzer aus…ich hatte also noch viel mehr Zeit am Stadion bzw. Stadionumfeld!
Und das war wirklich beeindruckend und machte den Besuch in Liepāja besonders!
Das Daugava-Stadion von Liepāja fasst gut 5000 Zuschauer und befindet sich innerhalb einer großzügig angelegten Parkanlage direkt am Ostseestrand! Die charakteristischen Flutlichtmasten aus Metall sind vom Sandstrand zu sehen und stellen ein tolles Fotomotiv dar! Aber auch das Innere des 1922 erbauten und äußerst gepflegten Stadions bietet unzählige Fotomöglichkeiten an. Hier ist gerade diese Mischung aus neuer Haupttribüne und den vielen Einrichtungen mit Sowjet-Charme sehr interessant!
Leider hat auch dieses traditionsreiche Stadion in den letzten Jahren viel mit „seinem“ Club mitmachen müssen. Der FK Liepājas Metalurgs wurde bereits 1909 gegründet und errang nach der lettischen Unabhängigkeit zweimal den Landesmeister-Titel! Nach der Meisterschaft 2005 konnte der Verein im Jahr 2009 dank des Gelsenkirchener Trainer-Duos Rüdiger Abramczik und Werner Kasper den Titel erneut gewinnen!
Nur vier Jahre später war dann aber alles vorbei…der Verein war zahlungsunfähig und wurde vom lettischen Verband mit dem Lizenzentzug bestraft. Nach der Auflösung des gesamten Clubs ist letztlich ein Mann dafür verantwortlich, dass es wieder Profifußball in Liepāja gibt. Maris Verpakovskis ist so etwas wie der beste lettische Fußballer der Neuzeit. Der langjährige Nationalspieler, der das erste und bislang letzte Tor für sein Nationalteam bei einer UEFA-Europameisterschaft (EM 2004 in Portugal) erzielte, spielte unter anderem beim FC Dynamo Kiew, RC Celta de Vigo und HNK Hajduk Split. Zusammen mit wenigen anderen ehemaligen Mitgliedern von Metalurgs gründete er 2014 in seiner Heimatstadt den Nachfolgeverein FK Liepāja, welchem er heute als Präsident vorsteht!
Am 21. Spieltag der Optibet Virslīga 2019 trafen die Gastgeber vom FK Liepāja auf den FK Spartaks Jūrmala! Wer meinen Blog auf Facebook zu diesem Zeitpunkt gespannt verfolgt hat, wird wissen, dass es sich bei dieser Partie um das Duell zweier lettischer Küsten- und Urlaubsorte handelte!
Nach Anpfiff des lettischen FIFA-Schiedsrichters Andris Treimanis entwickelte sich ein richtig schöner, spannender und intensiver Kick!
Zum Glück war schon nach 16 Minuten klar, dass es kein weiteres 0:0 geben würde! Nach scharfer Freistoß-Flanke des guten Portugiesen Amancio Fortes sprang der Ball vom Oberkörper des Spartaks-Verteidigers Kramens ins Tor…Eigentor und Führung für den FK Liepāja!
Obwohl Liepāja klar überlegen war und eher aufs zweite Tor drückte, konnte der FK Spartaks das Spiel durch zwei schöne Einzelaktionen des Franzosen Charpentier (24.) und des Nigerianers Opara (28.) drehen!
In der zweiten Halbzeit war es vor 1000 Zuschauern eine absolute Regenschlacht in der sogenannten „Stadt des Windes“! Weitere dicke Chancen für Liepāja, unzählige Wahnsinnsparaden von Spartaks-Keeper Melnicenko und ein Ausgleichstreffer in der 5. Minute der Nachspielzeit durch den eingewechselten Vilumsons…Fußballherz, was willst Du bei 2 Euro Eintritt eigentlich mehr!?
Die Frage ist relativ leicht zu beantworten…das Wetter hätte etwas besser sein können. Kurz vor Ende des Spieles gesellte sich ein recht starker Regenschauer zum eiskalten Wind. Ich war völlig durchnässt und freute mich auf die anschließende Rückfahrt nach Riga bei „Heizung volle Pulle“.
Das war der zweite Teil im Baltikum, diesmal mit Schwerpunkt Riga! Die lettische Hauptstadt war wie ihr estnisches Pendant definitiv eine Reise wert. Im Gegensatz zu Tallinn ist sie vielleicht ein wenig mehr Großstadt bzw. Metropole und hält auch so einige Sehenswürdigkeiten vor. Die sind aber fast alle im näheren Umfeld der Altstadt beheimatet und fußläufig zu erreichen! Mit der guten osteuropäischen Küche und dem Ostseestrand vor der Tür kann die Stadt auch ein sehr schönes Lifestyle anbieten.
In meinem Instagram-Account https://www.instagram.com/Henning_loves_football/ gibt es wie gewohnt noch viele zusätzliche Eindrücke aus Lettland mit bewegten Bildern in der Story! Schaut mal rein!
STAY TUNED….Danke für das entgegengebrachte Interesse an meinem Blog!