Der ehemalige schottische Nationalspieler Scott Brown war auf und neben dem Platz ein absolutes Mentalitätsmonster. Bis zu seinem Karriereende im Jahr 2022 galt der in Dunfermline geborene Mittelfeldspieler als personifizierter Anführer seines Clubs Celtic FC und riss Fans und Mitspieler der Grün-Weißen gleichermaßen mit. In insgesamt vierzehn Celtic-Jahren trug der langjährige Mannschafts-Kapitän mit seiner bissigen Zweikampfführung und dem überdurchschnittlich ausgeprägten Einsatzwillen nicht unerheblich zum Gewinn von zehn Meisterschaften und sechs Pokalsiegen bei.
Auch die vermeintlich negativen Eigenschaften eines „Leaders“ verkörperte Brown wie kein zweiter. Speziell in den „Old-Firm“-Derbys gegen die Blauen des Rangers FC war sich der knochenharte Skipper seiner Rolle als Provokateur stets bewusst und sonnte sich gerne im Hass der gegnerischen Fans. Allerdings musste Brown auch gelegentlich Lehrgeld bezahlen. Als er vor ein paar Jahren von zwei Fans um ein gemeinsames Foto gebeten wurde, reagierte er sichtlich dünnhäutig, als sich die angeblichen Celtic-Anhänger während des Schnappschusses mit dem Rangers-Credo „We are the people“ völlig überraschend als Fans der Blauen outeten.
Mittlerweile hat der heute 39-jährige Brown die Fußballschuhe gegen das smarte Outfit eines Trainers eingetauscht und coacht seit dieser Saison den schottischen Zweitligisten Ayr United. Hier beweist er, dass Rivalität und grenzenlose Abneigung gegenüber dem verhassten Konkurrenten zumindest auf dem Platz oftmals nur eine gut gemachte Show sind. Sonst wäre eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit seinem jetzigen Co-Trainer Steven Whittaker auch nur schwer möglich. Der spielte zwar vier Jahre gemeinsam mit Brown beim schottischen Hauptstadtclub Hibernian Edinburgh, entschied sich allerdings für einen alternativen Karriereweg und wechselte -ebenfalls zu Beginn der Saison 2007/2008- zum ewigen Rivalen Rangers. Hier absolvierte er als Außenverteidiger in fünf Jahren ordentliche 150 Spiele und holte drei schottische Meisterschaften ins Ibrox-Stadium.
Nach sieben absolvierten Spieltagen durfte man konstatieren, dass diese höchst ungewöhnliche und irgendwie ungleiche Celtic-Rangers-Trainer-Mischung in der Scottish Championship tatsächlich funktioniert. Die sogenannten „aufrichtigen Männer“ von Ayr United standen Dank der Expertise ihres Trainer-Duos Brown/Whittaker auf einem hervorragenden zweiten Tabellenplatz und träumten bereits zaghaft von der Rückkehr in Schottlands Liga-Oberhaus. Hier spielte der 1910 gegründete Verein letztmals in der Saison 1977/1978.
Um die Euphorie in Ayr so richtig anzuheizen, musste am 8. Spieltag ein weiterer Sieg her. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, da man im Duell mit Aufsteiger Falkirk FC auf eine Mannschaft traf, die als Sensation-Tabellenführer noch ein wenig besser stand und sogar auf einen direkten Durchmarsch aus der dritten in die erste Liga hoffen kann.
Das ultimative Spitzenspiel im schottischen Zweitliga-Alltag zwischen „Eins und Zwei“ mobilisierte dann auch die Fans beider Vereine. Fast 7.000 Zuschauer sorgten dafür, dass in dem vor zwanzig Jahren eröffneten Falkirk-Stadium mit seinen charakteristischen drei Tribünen und dem damit verbundenen Panorama-Blick auf das angrenzende Industriegebiet einmal mehr richtig gute Stimmung war. Auch wenn die 22 Akteure in den folgenden neunzig Minuten nicht die ganz feine Klinge offenbarten, war dieses Spiel absolut bemerkenswert und dürfte vor allem die Gegner des modernen Fußballs vollends begeistern.
Dies lag an einer Normalität, die man im Profifußball der Gegenwart nicht mehr allzu häufig erlebt. Denn in Schottlands zweiter Liga fehlt das ganze „Brimbamborium“, das vor und während des Spieles mittlerweile obligatorisch ist. Bereits beim Einlauf beider Mannschaften musste der Entertainment-erprobte Zuschauer vom europäischen Festland auf Ligahymne, Licht-Show, Einlauf-Kinder und sogar das übliche Handschlag-Spalier beider Teams verzichten. Stattdessen ging es unter Führung des Schiedsrichtergespanns sofort „aufn Platz“, wo sich die Akteure beider Teams unverzüglich in ihrer Spielhälfte aufstellten und auf den Anpfiff der Partie warteten. Aber auch die vielen anderen modernen Begleiterscheinungen fehlten bei diesem Spitzenspiel gänzlich! Der konsequente Verzicht auf Torlinien-Technik, einen übereifrigen Video-Assistaent-Referee und den zwischen den Ersatzbänken herum tigernden vierten Offiziellen fühlte sich wie eine sehr angenehme Zeitreise in die Vergangenheit an!
Meine persönliche Szene des Tages, die zu der wohltuenden Normalität im schottischen Fußball passte und als eine Art Symbolbild taugt, ereignete sich in der Halbzeitpause. Auf dem Weg in die Kabine wurde Schiedsrichter Nick Walsh darum gebeten, das auf der Insel übliche Halbzeit-Gewinnspiel auszulosen. Walsh, der als FIFA-Referee in dieser Saison schon in der UEFA Champions- und Europa League eingesetzt wurde, machte diesen Spaß mit und zog als Glücksfee mehrere Lose aus der Tombola.
Da der Prellbock in Form des vierten Offiziellen an der Seitenlinie fehlte, musste Gäste-Trainer Scott Brown seinen ganzen Ärger bei Assistent Whittaker abladen. Grund war die schwache Leistung seiner Mannschaft, die auf dem Kunstrasen von Falkirk gegen gut eingestellte und spielfreudige Gastgeber nie so richtig ins Spiel kam. In einem sehr intensiv geführten Spiel mit knackigen Zweikämpfen und unzähligen Kopfball-Duellen im Mittelfeld siegten die Hausherren, welche übrigens den Spitznamen „Die Kinder“ besitzen, durch Doppelpacker Ethan Ross (8. und 51.) hoch verdient mit 2:0 (1:0).
Mit dem überzeugenden Sieg gegen die aufrichtigen Männer von Ayr bleiben die Kinder des Falkirk Football Club weiterhin auf Durchmarsch-Kurs in Richtung Scottish Premier League. Im Gegensatz zum Duell vor 89 Jahren gab es diesmal auch überhaupt keine Anzeichen für eine gezielte Spiel-Manipulation. Im Jahr 1935 drohte der mächtige Falkirk-Trainer Robert Orr dem starken Ayr United-Spieler Robert Russel den Verlust seines Jobs an, wenn er denn tatsächlich spielen sollte. Russel meldete sich daraufhin verletzt ab und nahm zudem glatte drei Pfund Schmiergeld an. Falkirk gewann den anschließenden Vergleich, musste aber ins Wiederholungsspiel, da sich Russel irgendwann der Öffentlichkeit anvertraute. Während Ayr das Wiederholungsspiel gewann, musste Russel umgerechnet 11,94 Euro Strafe bezahlen und wurde bis zum Saisonende gesperrt. Der gute Robert Orr kehrte derweil nie ins Fußballgeschäft zurück und wurde lebenslang gesperrt.
In den angeschlossenen Social-Media-Accounts bei Instagram und Facebook sind weitere Fotos und bewegte Story-Bilder vom Spiel in Falkirk verfügbar! Klickt Euch doch mal rein!
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