Im Profifußball der Gegenwart bleiben die unfassbaren Fußballsensationen unter Beteiligung eines krassen Außenseiters aufgrund der großen finanziellen Abstände zunehmend aus. Auch wenn sich die folgende Begebenheit als Paradebeispiel für ein märchenhaftes Fußballwunder eignen würde, ist sie letztlich nur der Ausfluss einer modernen Fußballwelt, die sich nicht unbedingt zum Besseren verändert hat.

Stell Dir vor, Du trainierst einen ambitionierten Zweitligisten, gewinnst die ersten neun Saisonspiele und stehst mit 27 Punkten unangefochten an der Tabellenspitze. Von jetzt auf gleich läuft in Deiner Mannschaft aber gar nichts mehr zusammen. In den folgenden 29 Spielen gelingen nur noch drei Unentschieden, mit welchen die mental angeschlagene Truppe am Saisonende mit nur 30 Punkten und satten 26 Niederlagen auf dem letzten Tabellenplatz der Liga landet. Statt des durchaus verdienten Abstieges in Liga 3 darfst Du trotzdem an den abschließenden Play-Off-Spielen der besten sechs Teams teilnehmen und steigst am Ende sogar noch in die erste Liga auf.

Spätestens jetzt würde X-Factor-Gastgeber Jonathan Frakes vermutlich die weltberühmte Frage stellen, ob dieser sporthistorische Moment tatsächlich der Wahrheit entspricht oder letztlich frei erfunden ist. Zwar ist diese durchaus fußballromantische Erzählung aktuell noch rein fiktiv, könnte aber schnell zur Realität werden, wenn man sich den Spielmodus der zweiten niederländischen Fußball-Liga etwas genauer anschaut.

Die von Küchenhersteller „Keuken Kampioen“ gesponserte Liga verfügt nämlich über den vielleicht skurrilsten und kompliziertesten Spielmodus Europas, welcher auch dem grössten Underdog eine Aufstiegsschance schenkt und speziell im spannenden Saisonendspurt nur mit der passenden Computer-Software transparent und vor allem schnell zu durchschauen ist.

Zunächst läuft alles völlig normal ab. Die 20 teilnehmenden Mannschaften spielen in einer Doppelrunde die zwei Direktaufsteiger in die „Eredivisie“ aus. Der dritte Aufstiegsplatz ins niederländische Fußball-Oberhaus wird -wie in vielen anderen europäischen Ligen auch- nach Ablauf der Saison in diversen Play-Off-Spielen ermittelt. An der Auf- und Abstiegs-Relegation des niederländischen Fußballs nehmen insgesamt sechs Zweitligisten sowie der Tabellen-16. der „Eredivisie“ teil.

Was sich vordergründig recht einfach anhört, wird allerdings jetzt schon ein wenig kniffelig, da sich die Zweitliga-Teilnehmer nicht unbedingt aus der Abschlusstabelle ergeben. Teilnahmeberechtigt an den Play-Offs sind nämlich in erster Linie die sogenannten Periodenmeister. Um die zu finden, ist die Gesamtsaison der „Keuken Kampioen Divisie“ in vier unabhängige Abschnitte unterteilt (1. Periode: 1. bis 9. Spieltag, 2. Periode: 10. bis 19. Spieltag, 3. Periode: 20. bis 28. Spieltag, 4. Periode: 29. bis 38. Spieltag).

In diesen vergleichsweise kurzen Perioden oder Phasen, die selbstverständlich in die Gesamttabelle einfließen, starten alle Teams bei „Null“. Dementsprechend ist es möglich, dass sich ein bis dato völlig erfolgloses Team aus dem grauen Mittelfeld der Tabelle mit einer guten, formstarken und vor allem punktreichen Phase am Ende doch noch in die Aufstiegs-Play-Offs wuchtet.

Das Play-Off-Teilnahmefeld wird übrigens durch die beiden punktbesten Teams der Gesamttabelle nach den beiden Direktaufsteigern komplettiert. Was sich immer noch relativ verständlich anhört, wird genau jetzt fast schon abstrus. Was passiert eigentlich, wenn zwei Periodenmeister schon direkt aufgestiegen sind oder eine Mannschaft alle Perioden gewonnen hat? Dann rücken nicht die Mannschaften der Gesamttabelle nach, sondern die Zweitplatzierten der Periodentabellen. Genau diese Komplexität dürfte in der Aufstiegskonferenz des letzten Spieltages nur dem Gehirn eines Mathematik-Professors Spaß bereiten und könnte dafür sorgen, dass man nach Abpfiff nur noch Fragezeichen in den Augen hat.

Aber auch die Abstiegsfrage aus der zweiten niederländischen Liga ist ein echter Klassiker. Da das professionelle Fußballsystem unseres Nachbarlandes ein geschlossenes System ist, gibt es keinen sportlichen Austausch mit der höchsten Amateurliga, der drittklassigen „Tweede Division“. Deshalb könnte auch der zu Beginn angesprochene Tabellenletzte der zweiten Liga, der aufgrund des fehlenden Abstiegs „unsterblich“ ist, über eine späte Periodenmeisterschaft noch in die erste Liga aufsteigen. Allerdings gibts auch hier wieder eine Ausnahme mit Schmunzelpotential, die zu dem ganz normalen Modus-Wahnsinn der Niederlande passt. Die in der „Keuken Kampioen Division“ startenden vier Nachwuchsmannschaften der Erstligisten FC Utrecht, AFC Ajax, AZ Alkmaar und PSV Eindhoven können zwar nicht in die „Eredivisie“ aufsteigen, dafür aber sehr wohl in die 3. Liga absteigen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu müsste die schlechteste der vier Nachwuchsmannschaften unterhalb des 10. Tabellenplatzes landen und das Nachwuchsteam eines anderen Erstligisten in der dritten Liga auf dem 1. Tabellenplatz platziert sein. Falls jetzt tatsächlich noch offene Fragen bestehen, wendet Euch einfach an die offiziellen Stellen des niederländischen Fußballverbandes KNVB.

Die südholländische Hafenstadt Rotterdam steht aus fußballerischer Sicht vor allem für ihr absolutes Aushängeschild Feyenoord und das wirklich sehr stimmungsvolle und heißblütige Publikum im altehrwürdigen Stadion „De Kuip“.

Dabei vergisst man schnell, dass Rotterdam die einzige niederländische Stadt ist, die sich insgesamt drei professionelle Fußballvereine gönnt. Neben dem bereits erwähnten 16-fachen Landesmeister handelt es sich hierbei um die weitaus kleineren Clubs Sparta und Excelsior, die ebenfalls um die Gunst der 630.000 Einwohner Rotterdams buhlen. Nachdem alle drei Clubs in der vergangenen Saison gemeinsam erstklassig waren und diverse Stadtderbys bestreiten durften, müssen Sparta und Feyenoord in der aktuellen Spielzeit vorerst auf den Rivalen Excelsior verzichten, der den bitteren Gang in die zweite Spielklasse antreten musste.

Am 2. Spieltag der „Keuken Kampioen Divisie“ traf Erstliga-Absteiger Excelsior im heimischen Stadion Woudestein auf die Mannschaft von BV De Graafschap. Das vor 122 Jahren eröffnete und zuletzt 2016 komplett modernisierte Stadion befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Ufer der „Neuen Maas“ und besitzt ein äußerst limitiertes Fassungsvermögen von nur 4.400 Zuschauern. Während es zu Erstliga-Zeiten dauerhaft ausverkauft war, fanden sich an diesem lauen Spätsommerabend trotz Abstieg ordentliche 3.461 Zuschauer im Rotterdamer Stadtteil Kralingen-Crooswijk ein.

Nach Anpfiff von Schiedsrichter Alex Bos ließen die Gastgeber überhaupt keine Zweifel aufkommen, dass man den bitteren Abstieg schnell ungeschehen machen möchte. In einem äußerst einseitigen und überlegen geführten Spiel ließ man den Gast aus Doetinchem nur punktuell zum Zuge kommen und siegte am Ende durch die Tore von Zagre (13.), Donkor (59.) und Omorowa (66.) mit 3:1 (1:0). Die selbsternannten Bauern aus Gelderland konnten lediglich in der Nachspielzeit durch den Treffer von Brittijn etwas Ergebniskosmetik betreiben.

Das absolute Highlight des Abends war übrigens der Sonnenuntergang hinter der Haupttribüne, welcher den Himmel feuerrot einfärbte und mit der Silhouette der charakteristischen Flutlichtmasten doch noch die gewünschte Fußballromantik versprühte. Wenn jetzt noch der berühmteste Spieler auf dem Platz gestanden hätte, den Excelsior je hervor brachte, wäre der Moment perfekt gewesen. Leider ist Robin van Persie mittlerweile 41 Jahre alt und Fußball-Pensionär.

In den angeschlossenen Social-Media-Accounts bei Instagram und Facebook sind weitere Fotos und bewegte Story-Bilder vom Spiel in Rotterdam verfügbar! Klickt Euch doch mal rein!

STAY TUNED…BLEIBT AUF EMPFANG!