Nach dem Finalspiel der Football League Two im Wembley-Stadium von London ging ich davon aus, dass mir trotz der UEFA Euro 2016 eine ausgedehnte Sommerpause bevorsteht. Wer sich je die Mühe gemacht hat, das von mir verfasste Vorwort auf dieser Webpage zu lesen, der kann meine Zurückhaltung beim Kartenkauf für das Großereignis in Frankreich verstehen. Die Spiele von Nationalmannschaften elektrisieren mich aufgrund des oftmals vorhandenen und übermäßig ausgeprägten Eventcharakters einfach nicht mehr. Anders gesagt, im Gegensatz zum Nordiren Will Grigg brennt mein Feuer hier nur noch auf mittlerer Flamme.
Da diese Homepage aber schon im Namen auf meine unstillbare Leidenschaft hinweist, konnte ich dem unschlagbaren Angebot des bekannten Bochumer Fußballfunktionärs und Trainers, Timo Moschner, einmal mehr nicht widerstehen. Mit dem bereits beschriebenen weltbesten Reisedienst für die Straße, Schumi-Tours, ging es zum Achtelfinale der Euro 2016 in das nordfranzösische Lille Metropole. Dort spielte das Team von Bundestrainer Joachim Löw gegen die Mannschaft der Slowakei, in welcher der ehemalige Bochumer Bundesligastürmer Stanislav Sestak im Kader stand.
Also ging es am Sonntag, dem 26.06.2016, nach einem kleinen Frühstück auf die Reise in das ca. 350 km entfernte Lille. Nach Ankunft in Frankreich zur Mittagszeit begaben wir uns mehr oder weniger direkt zum Stadion Pierre Mauroy, welches normalerweise die Spiele des örtlichen Vereines Lille OSC in der Ligue 1 oder UEFA Europa-League beherbergt. Das Stadion wurde im Jahre 2012 erbaut und fasst 50.000 Zuschauer. Ich durfte die Atmosphäre der Arena bereits am 23.10.2012 genießen, als sich der FC Bayern München dank eines Elfmetertreffers von Thomas Müller mit 1:0 in der UEFA Champions League gegen die Gastgeber durchsetzte.
Der anschließende Besuch in der Innenstadt von Lille war letztlich das Highlight der Kurzreise. Hier konnte man erleben, dass die europäische Einigkeit trotz der bestehenden politischen Probleme keine Utopie sein muss. Eine tolle Atmosphäre mit EM-Besuchern aus Deutschland, Belgien, Frankreich, der Slowakei, England und Schottland. Sogar ein paar Fans der Niederlande waren mit einer eigenen „Fanzone“ am Start, obwohl ihr Oranje-Team bekanntermaßen nicht mitspielt. Das nennt man dann wohl Spass am Fußball und vor allem am Leben. Eine der besten Stimmungen, die ich je vor einem Spiel erlebt habe. Es machte einfach nur Lust mit all den Fans aus unterschiedlichen Nationen ins Gespräch zu kommen und sich über Fußball auszutauschen. Nur die spärlich vorhandenen Toiletten rund um den Place de General de Gaulle machten das Biertrinken nicht durchgehend zum Genuss.
Nach nochmaliger Ankunft am Stade Pierre Mauroy ging es nach dem Verzehr eines Hamburgers zum „Selbstkostenpreis“ von 6 Euro und der Absolvierung von diversen Sicherheitskontrollen ins Stadioninnere. Trotz unserer reichlich vorhandenen Stadionerfahrung glich die Suche nach unseren Plätzen in der Folge einer Komödie. Es ging von einem Ordner zum nächsten Ordner, es ging vom Unterrang auf den Oberrang und zurück. Dies lag daran, dass uns von der UEFA trotz der eher „günstigen“ Preiskategorie 3 insgesamt vier Sitzplätze in einem nicht genutzten VIP-Bereich zugewiesen wurden. Der Bereich besaß natürlich einen separaten Eingang und war gar nicht so einfach zu finden. Zumindest nicht, wenn man etwas getrunken hat.
Das Spiel ist in der Folge eigentlich recht schnell abgearbeitet. Es war das erwartete Spiel mit all seinen Begleiterscheinungen. Eine perfekt inszenierte Show vor dem Spiel mit dem EM-Song von David Guetta, unsere Nationalhymne, die immer etwas Besonderes ist und ein Spiel, dass „Die Mannschaft“ locker und leicht mit 3:0 gewann.
Ansonsten hat sich meine Meinung zum Nationalmannschaftsfussball leider bestätigt. Mir fehlen einfach die gewachsenen Strukturen und Besonderheiten des Vereinsfussballs. Ich habe immer den Eindruck, dass ein Spiel der Nationalmannschaft ein gut gemachtes „Produkt“ ist.
Fangen wir mit dem Thema Stimmung und der Fanszene bei der Nationalmannschaft an. Über allem thront zunächst einmal der kostenpflichtige Fanclub Nationalmannschaft, ein vom DFB organisierter Fanverbund. Die dezentralen Mitarbeiter der einzelnen Sektionen (Ruhrgebiet, Rheinland, Bayern etc.) organisieren Anreise und Ticketvergabe. Zudem organisiert der Fanclub vor nahezu jedem Spiel eine monströse Choreografie. Obwohl die beschriebene Organisation der ehrenamtlichen Mitarbeiter nahezu perfekt ist und sicher auch die Investition von viel Zeit verlangt, habe ich vermehrt schlechte Erfahrungen gemacht. Das bezieht sich in erster Linie auf die vom Fanclub Nationalmannschaft angebotene Fankurve. Dort stehen die Mitglieder der einzelnen Sektionen, die teilweise so gar nicht miteinander können. Denn auch bei Spielen der Nationalmannschaft werden bestehende Vereinsrivalitäten weiterhin gepflegt, nicht immer nur verbal. Weiterhin besteht kein einheitliches Verhalten bei Fangesängen, da sich die meisten Supporter nicht kennen und aus „ihren“ Clubs eigene Gesänge haben. Dementsprechend ist lediglich der Schlachtruf „Deutschland“ oder der Textauszug des Liedes „Mexico“ von den Böhsen Onkelz öfters zu hören.
Weiterhin komme ich bei der Nationalmannschaft nicht wirklich „auf Touren“. Der Besuch eines Livespieles meines Herzensvereins VfL Bochum 1848 bedeutet für mich in erster Linie eines: Absolute ANSPANNUNG!
Die beginnt bereits morgens nach dem Aufstehen und steigert sich bis zum Anpfiff. Ich denke, die folgenden Wörter können einen echten Stadionbesuch bei seinem Verein gut beschreiben: Hoher Blutdruck, Anspannung, Tunnelblick, Ekstase, Erleichterung, Enttäuschung und Wut!
Zudem halte ich es ein wenig mit dem englischen Schriftsteller und Arsenal-Fan Nick Hornby. Als Fan einer Mannschaft im Clubfussball ist es meines Erachtens immer schwierig, Spieler zu mögen, die man mehr oder minder die gesamte Saison „verachtet“, da sie zum Beispiel für einen Rivalen spielen. Hier können Anhänger von Borussia Dortmund, Schalke 04 oder auch Bayern München sicher ein Lied von singen.
Ich denke einfach, dass Spiele der Nationalmannschaft ein unterhaltsames Ereignis für die ganze Familie ohne jegliche Anspannung darstellen. Man kann zusammen geniessen, zusammen feiern, zusammen eine Fanmeile besuchen und auch mit normal uninteressierten Mitmenschen über Fußball diskutieren. Das ist ab Sonntag zunächst einmal wieder für 2 Jahre vorbei. Denn dann kriegen die übrigen Fußballfans, die sehr viel Geld und noch mehr Zeit investieren, ihren Sport auf Clubebene zurück.
Obwohl sich meine Einstellung ein wenig fatalistisch anhört, so war der Ausflug an die französisch-belgische Grenze insgesamt gesehen eine tolle Sache. Hat sehr viel Spass gemacht, mein Dank an Schumi-Tours für den sicheren und günstigen Transport, an Timo Moschner für zwei wahnsinnig ansprechende Taxifahrten und einen leckeren McDonalds-Besuch und an den sagenumwobenen Howie Sievers für den leckeren Weißwein der Firma Käfer! Bis zum nächsten Mal, Jungs….
Wie immer, danke fürs Lesen, Stay Tuned. Mein nächster Blog handelt von meinem Trip ins benachbarte Großherzogtum Luxemburg. Der Start in die UEFA Europa-League 2016/2017!!!