Nach einem ausgedehnten Adria-Strandtag in Durres ging es erneut ins Air Albania-Stadion von Tirana, wo das große Meisterschaftsfinale der albanischen „Kategoria Superiore“ stattfinden sollte. Hier trafen mit dem amtierenden Meister FK Partizani und KF Egnatia Rrogozhina passenderweise die zwei punktbesten Mannschaften der Hauptrunde aufeinander.

Das nach der nationalen Fluglinie benannte Air Albania Stadium ist das grösste Stadion des Balkanlandes und besitzt ein Fassungsvermögen von etwas mehr als 22.000 Zuschauern. Der markante Bau hebt sich wohltuend von den vielen neuen Wellblechpalästen dieser Welt ab und ist mit Sicherheit kein Stadion von der Stange! Gerade im Außenbereich kann man sich nicht unbedingt vorstellen, dass es sich bei dem achteckigen Gebäudekomplex tatsächlich um ein Stadion handelt. Neben einer abendlich beleuchteten Glasfassade besticht das 2019 eröffnete Nationalstadion Albaniens vor allem durch seine hervorragende Infrastruktur. Im Umlauf des Stadions befinden sich viele Bars und Restaurants, die eine sofortige Abreise nach Spielende erst einmal unsinnig erscheinen lassen.

Bei dem absoluten Highlight der Arena handelt es sich allerdings um den integrierten „Arena Center Tower“, dem mit 112 Metern höchsten Gebäude Albaniens. In dem 25-stöckigen Hochaus befindet sich seit 2022 das örtliche Marriott-Hotel, das dem Fußballfan aus seinen „Twin-Räumen“ zu jeder Tages- und vor allem Nachtzeit einen perfekten Blick ins Innere des Stadions bietet. Auch ich wollte diesen nicht alltäglichen Einblick genießen und gönnte mir eine vergleichsweise teure, aber durchaus bezahlbare Nacht in dem Fünf-Sterne-Haus, aus welchem sogar ein direkter Zugang ins Stadion möglich ist! Ein weiterer Stadion-Höhepunkt fällt dem Besucher unweigerlich im Bereich der Haupttribüne auf. Hier wurde die altehrwürdige Fassade des 2016 an gleicher Stelle abgerissenen Vorgängerstadions, dem „Qemal Stafa“, in die neue Arena eingefügt und rundet den besonderen Charme dieser hochmodernen Arena ab!

Zum großen Meisterschaftsfinale fanden sich knapp 11.000 Zuschauer im „Air Albania“ ein. Eine Zuschauerzahl, die bei einem möglichen Tirana-Derby sicherlich größer gewesen wäre, aufgrund der geringen Anhängerschaft aus der gut 75 Kilometer entfernten 7000-Einwohner-Kleinstadt Rrogozhina aber mehr als ordentlich war. Schließlich gehören drei-oder vierstellige Zuschauerzahlen eher zur bitteren Wahrheit im albanischen Ligaalltag als gut ausgelastete Stadien!

Kurz vor dem Spiel gab es bei den Mannschaftsaufstellungen eine erste faustdicke Überraschung. Die bezog sich ausnahmsweise mal nicht auf das kickende Personal, sondern beschäftigte sich mit dem angesetzten Schiedsrichter-Quartett. Obwohl es selbstverständlich auch in Albanien unparteiische Schiedsrichter gibt, die auf einem ordentlichen internationalen Niveau pfeifen, wollte man das Meisterschaftsfinale keinem einheimischen Spielleiter anvertrauen. Dies allerdings nicht aufgrund einer verminderten Leistungsfähigkeit, sondern um den Schiedsrichter im Nachgang vor möglichen Bestechungsvorwürfen bzw. Vorwürfen der Parteilichkeit zu schützen. Dementsprechend wurde das Finalspiel vom erfahrenen englischen Premier- und Champions League-Referee Anthony Taylor geleitet, der für solch ein wichtiges Finale die Akzeptanz des albanischen Publikums genoss und tatsächlich eine hervorragende Schiedsrichter-Leistung bot.

Die anschließenden 90 Minuten waren das typische Finalspiel. Hohe Intensität, heißblütige Zuschauer, aber auch zwei Mannschaften, die nicht das ganz große Risiko gehen wollten und erst einmal defensive Stabilität in den Vordergrund stellten. Obwohl die von einem Großteil der 11.000 Zuschauer unterstützte Hauptstadt-Mannschaft des FK Partizani optisch überlegen war und ihr Herz förmlich auf dem Platz ließ, zeigten sich die Egnatia-Akteure mit ihrem brasilianischen Mittelfeldmotor Fernando in Sachen Spielanlage weitaus abgeklärter und ballsicherer. Deshalb war es nur folgerichtig, dass die Mannschaft aus Rrogozhina nach 35 Minuten in Führung ging, als der Türke Ibrahimoglu eine Flanke des Belgiers Spahiu ins lange Eck finalisierte.

Auch in der 2. Halbzeit änderte sich am Gesamtbild nur wenig. Das Partizani-Team agierte in seinen Angriffsbemühungen zunehmend wilder, ohne allerdings einfach mal den „spielerischen“ Kopf einzuschalten. Dementsprechend vermittelten die vielen Angriffsversuche von Partizani beim neutralen Beobachter den Eindruck, dass die Mannschaft von Trainer Orges Shehi zwar will, aber auch nicht wirklich kann!

Am Ende blieb es beim knappen und verdienten Sieg für den Fußballclub Egnatia, der damit die erste albanische Meisterschaft in seiner 60-jährigen Vereinsgeschichte feiern konnte und sich in der kommenden Spielzeit erstmals in der Qualifikation zur UEFA Champions League messen darf. Während die Mannschaft diesen Triumph ausgiebig auf dem Platz feierte, starteten die vielen helfenden Hände direkt vor meinen Augen mit den Vorbereitungen für die Siegerehrung. In Windeseile wurde der übliche Aufsteller des Hauptsponsors auf die Tribüne gehoben, die Sieger-Medaillen auf einem Podest drapiert und zwei Konfetti-Kanonen samt diverser Pyro-Fontänen zur Jubelexplosion vorbereitet. Spätestens als der albanische Meisterpokal so platziert wurde, dass ich gar nicht mehr weg konnte, wusste ich, dass die Siegerehrung nur mit mir stattfinden kann. Rückblickend ein Erlebnis, das aus einem Mann für einen kurzen Moment wieder einen Jungen machte!

Als Egnatia-Mannschaftskapitän Renato Malota den Meisterpokal um genau 21.13 Uhr in den Nachthimmel von Tirana streckte, war es für viele Spieler an der Zeit, eines Mitspielers zu gedenken, der beim grössten Erfolg des Clubs nicht mehr dabei sein konnte. Hierzu wurde das verwaiste Trikot mit der Rückennummer 7 als Symbol für einen schweren Verlust präsentiert, den die Mannschaft im November 2023 erleiden musste.

Am 13. Spieltag der „Superiore“ traf Egnatia auf den späteren Finalgegner Partizani. In der 24. Spielminute brach der 28-jährige Mittelstürmer Raphael Dwamena ohne Fremdeinwirkung auf dem Spielfeld zusammen und verstarb trotz sofortiger Reanimation später in einem Krankenhaus. Auch wenn der tragische Tod des ehemaligen ghanaischen Nationalspielers die europäische Fußballwelt schockierte, war sie nicht ganz unschuldig an dem Vorfall. Schließlich bekam Dwamena aufgrund seiner dauerhaften Herz-Rhythmus-Störungen vor vier Jahren einen Defibrillator eingesetzt, den er sich auf eigene Gefahr im Jahr 2022 wieder entfernen ließ. Trotz eindringlicher Aufforderung der Ärzte, vom professionellen Fußball zurückzutreten, unterschrieb der talentierte Stürmer (zuvor u.a. beim FC Zürich und Levante UD) einen Vertrag bei KF Egnatia. Der Club war glücklich, einen Spieler verpflichtet zu haben, der normalerweise nicht zu bezahlen gewesen wäre und sportlich in anderen Sphären unterwegs war. Leider sollte es für Dwamena, der zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs die albanische Torschützenliste anführte, der letzte Vertrag seines Lebens sein.

„Ans Aufhören habe ich nie gedacht. Ich bin ein gläubiger Mensch, ich habe Vertrauen in Gott. Er hat einen Plan mit mir. Wenn Gott mir sagt, dass ich aufhören muss, dann höre ich auf. Ich nehme das ganze Risiko auf mich. Wenn was passiert, bin ich schuld.“ (Raphael Dwamena, gestorben am 11.11.2023 im Krankenhaus Kavaja, Albanien)

Das war ein Wochenende in Tirana. Auf den ersten Blick ist die albanische Hauptstadt definitiv keine atemberaubende Schönheit, auf den Zweiten aber durchaus aufregend, charmant und abwechslungsreich! Wie in so vielen vergleichbaren Städten auf der Balkan-Halbinsel muss man auch in Tirana Lust darauf haben, sich auf dieses sehr spezielle und manchmal auch anstrengende südosteuropäische Lifestyle einzulassen! Wenn man aber erstmal diese unvergleichliche Mischung aus entspannter Lebensfreude und oft irrsinnigem Chaos mit etwas Nachsicht verinnerlicht hat, wird man die albanische Metropole mit ihren 560.000 Einwohnern lieben!

Natürlich gibts in meinen Social-Media-Accounts bei Instagram und Facebook weitere Fotos und bewegte Story-Bilder vom Finalspiel um die albanische Meisterschaft, der anschließenden Siegerehrung und dem wirklich spannenden Air Albania-Stadion. Klickt Euch mal rein!

STAY TUNED…BLEIBT AUF EMPFANG!