Bei einem Blick auf die europäischen Fußballmeister des Jahres 2024 ist es vergleichsweise einfach, den einwohnerstärksten „Meisterort der Saison“ zu identifizieren. Die türkische Weltstadt Istanbul, Heimat des Süper Lig-Champions Galatasaray, besitzt über 15 Millionen Einwohner und führt dieses Ranking deutlich vor der Metropolregion der französischen Hauptstadt Paris mit ihren 12,5 Millionen Menschen an.
Im Gegensatz zum recht eindeutigen Ergebnis bei den großen Fußball-Metropolen war das Rennen um den „kleinsten Fußball-Meisterort Europas“ weitaus offener. Auch wenn es bis zum Schlussspurt hochspannend blieb, krönte sich der Gewinner dann doch ohne das millimetergenaue „Foto-Finish“ beim Zieleinlauf. Dies lag an einem exklusiven Alleinstellungsmerkmal, das der potentielle Favorit seinen starken Konkurrenten in jedem Fall voraus hatte: Eine dreistellige Einwohnerzahl!
Dementsprechend scheiterten hoffnungsvolle Anwärter wie der san-marinesische Meister AC Virtus Aquaviva (2.119 Einwohner), der montenegrinische Champion FK Decic Tuzi (3.700 Einwohner) oder die Albaner von KF Egnatia Rrogozhina (5.000 Einwohner) kurz vor Erreichen des Gipfels.
Strahlender Gewinner war am Ende die färöische Gemeinde Nordragota, welche am Ufer des wirklich malerischen Gotuvik-Fjords insgesamt 609 Menschen ein Zuhause gibt und selbst dann den Spitzenplatz einnehmen würde, wenn man die gesamte „Eystur“-Kommune mit den dazugehörigen Nachbarorten Leirvik, Sydrugota, Gotugjogv und Gotueidi ins Ranking einfließen lässt.
Der kleine Ort auf der Insel Eysturoy ist die Heimat des amtierenden färöischen Fußballmeisters Vikingur Gota, welcher durch eine Fusion von GI Gota und LIF Leirvik im Jahr 2007 gegründet wurde und in seinem noch jungen Vereinsleben bereits sechs Pokalsiege und drei färöische Fußballmeisterschaften einfahren konnte. Dementsprechend gilt man als Dauergast in den verschiedenen europäischen Pokalwettbewerben, in denen man allerdings noch nie über die 3. Qualifikationsrunde hinauskam und oftmals sogar richtig Lehrgeld zahlen musste!
Obwohl das am Ortseingang befindliche „Sarpugerdi“-Stadion mit einem Fassungsvermögen von 3.000 Zuschauern theoretisch sämtliche Einwohner der angesprochenen Kommune entspannt aufnehmen könnte, musste der Club in der Auftaktrunde der Qualifikation zur UEFA Champions League auf Anordnung der UEFA umziehen. Zum Duell mit dem gibraltarischen Meister Lincoln Red Imps FC ging es in die nur 15 Kilometer entfernte Spielstätte des Ligakonkurrenten KI Klaksvik, der in der jüngeren Vergangenheit als größter Gegenspieler um die färöische Meisterschaft galt.
Fünf Tage vor dem „Spiel des Jahres“ in der Königsklasse musste Vikingur aber erstmal in der heimischen Liga seine Hausaufgaben machen, da man im aktuellen „Kalender“-Spieljahr 2025 zur Hälfte der Saison nur auf einem enttäuschenden vierten Tabellenplatz stand. Da kam der aktuelle Tabellenführer und Nachbar aus Klaksvik am 16. Spieltag doch gerade recht, um den auf satte 19 Punkte angewachsenen Abstand wenigstens ein wenig zu verkürzen.
Bei Ankunft am bereits angesprochenen Stadion „Sarpugerdi“ wurde schnell klar, warum der Spielort vom europäischen Fußballverband nicht für internationale Spiele freigegeben wurde. Obwohl die UEFA die Mindestanforderungen in den ersten beiden Qualifikationsrunden mit einem Stadion der Kategorie 2 schon recht einfach hielt, konnte das „Sarpugerdi“ weder die geforderten 1500 Sitzplätze noch einen gesonderten Gäste-Sektor anbieten. Auch die funzelige Flutlichtanlage sowie die stark beschränkten Arbeitsmöglichkeiten für TV, Medien und Presse dürften dazu beigetragen haben, dass internationaler Champions League-Fußball momentan noch einen Umweg um das kleine Örtchen Nordragota machen muss!
Die fehlende Genehmigung für internationale Spiele soll jetzt aber nichts über die tatsächlichen Qualitäten dieses wirklich wunderschönen Spielortes aussagen, in dem UEFA-Präsident Aleksandar Ceferin mit Sicherheit auch glänzende Augen bekommen hätte. Dies liegt in erster Linie an dem Panorama im Hintergrund, welches aus nahezu jeder Position zum Fotografieren anregt.
Im Alltag des färöischen Liga-Oberhauses „Betri Deildin“ spielen all die Sicherheits-Regularien der UEFA überhaupt keine Rolle. Die Fan-Lager beider Teams zeigten sich zum Spitzenspiel zwischen Vikingur und Klaksvik nicht nur sehr stimmungsvoll, sondern auch beeindruckend respektvoll gegenüber gegnerischen Fans und Spielern.
Vom Anpfiff weg präsentierten sich die Gastgeber sehr entschlossen und erspielten sich vor ordentlichen 800 Zuschauern gleich mehrere gute (Halb-)Chancen. Besonders auffällig war hierbei Spielgestalter Solvi Vatnhamar, der sich als Zehner immer wieder fallen ließ und das Spiel seiner Mannschaft ankurbelte. Der mittlerweile 39-jährige färöische Nationalspieler spielt seit 2003 für den Club aus Nordragota (inklusive des Vorgängerclubs LIF Leirvik) und absolvierte neben 77 Länderspielen bislang unglaubliche 493 Partien für die Wickinger, in welchen er 170 Tore erzielen konnte. Irgendwie schade, dass Vatnhamar nie den Schritt ins Ausland wagte, gerade im Ruhrgebiet hätten ihn die Fans sicher mehr als geliebt, wenn er den Ball aus 25 Metern in den Winkel gejagt hätte…“Wat´n Hammer vom Vatnhamar“!
Nach einer torlosen ersten Halbzeit zeigte der Gast aus Klaksvik in der 2. Halbzeit, warum er momentan der angesagteste Fußball-Export der Färöer Inseln ist. Der 21-fache Landesmeister, der den Titel zuletzt in den Jahren 2021 bis 2023 gewinnen und sich als erster färöischer Club überhaupt für die Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbes qualifizieren konnte, zog das Tempo nun merklich an und brachte den amtierenden Meister aus Nordragota ein ums andere Mal in Verlegenheit. Am Ende reichte das Tor von Daniel Johansen (64.) für den knappsten aller Siege, mit dem man einen großen Schritt in Richtung 22. Meisterschaft machen konnte.
In meinen Social-Media-Netzwerken bei Instagram und Facebook gibt’s bewegte Story-Bilder und weitere Eindrücke vom Spiel in Nordragota. Zudem findet Ihr dort viele Eindrücke vom Europapokalspiel in Klaksvik! Klickt Euch doch gerne mal durch!
STAY TUNED…BLEIBT AUF EMPFANG!