Die Tschechische Republik ist tatsächlich das letzte verbliebene deutsche Nachbarland, welches aus unerfindlichen Gründen noch nie auf meiner (Fußball-)Reiseroute lag. Rückblickend mit Sicherheit sehr unglücklich, da man seine Nachbarn eigentlich kennengelernt haben sollte, bevor man die große weite Welt bereist.

Obwohl es die UEFA-Auslosung mit meinem persönlichen Terminkalender und den damit verbundenen Reiseplänen nicht übermäßig gut meinte, wählte ich das ehemalige Königreich Böhmen und Mähren ganz bewusst für das Rückspiel der Zwischenrunde in der UEFA Europa League 2017/2018  aus. Für die Partie zwischen dem tschechischen Spitzenclub FC Viktoria Pilsen und dem serbischen Meister Fudbalski klub Partizan war vorab nur noch ein „kleines Problemchen“ zu lösen.

Das zu Beginn der Reiseplanung völlig unwichtig erscheinende „Problemchen“ wurde am Ende immer größer und hieß in diesem Fall mal wieder „Kartenvorverkauf“. Weil es sich bei der Spielpaarung offensichtlich um ein „Hochrisikospiel mit hohem Gewaltpotential der Gästefans“ handelte, durfte der FC Viktoria für dieses Spiel zum freien Verkaufsbeginn kurzfrisitig keine Online-Tickets anbieten! Etwas unerwartet, da ich mit dieser Hürde nicht unbedingt rechnete und bereits Flüge und Unterkunft in Tschechien gebucht hatte. Da sich die genannte Problematik nicht innerhalb kürzester Zeit lösen ließ und einige Formalitäten zu erledigen waren, musste ich zur Sicherheit das bereits behandelte „Notfall-Hinspiel“ in Bukarest einbauen.

Nach meiner Rückkehr aus Rumänien wurde dann aber alles gut, die Kartenzusage aus Pilsen war doch noch rechtzeitig eingetroffen! Obwohl ich mit dem Match in Bukarest das sogenannte Sechzehntelfinale der UEFA Europa League 2017/2018 bereits erfolgreich abhaken konnte, wollte ich mir das Bonusspiel nicht entgehen lassen. So ging es „Knall auf Fall“ nur eine Woche später zunächst in die tschechische Hauptstadt Prag.

Nach meiner Ankunft am Vaclav-Havel-Airport ging es mit dem Flughafenbus direkt zum Prager Hauptbahnhof. Dort sollte mich ein Intercity der tschechischen Staatsbahn „Ceske Drahy“ in die knapp 100 km entfernte Stadt Pilsen bringen. Bei Verlassen des Terminals erhielt ich einen ersten Vorgeschmack auf das tschechische Wetter im Februar, angenehme minus 10 Grad Celsius fühlten sich in etwa so an, als wenn man gar keine Unterhose trägt.

Die westböhmische Universitätsstadt Pilsen, in der Landessprache Plzen genannt, befindet sich nur eine knappe Autostunde von der Grenze zum Freistaat Bayern entfernt und ist mit ihren 168.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Tschechiens. Die durchaus sportbegeisterte Stadt besitzt mit dem Erstligisten HC Skoda Pilsen (tschechischer Meister 2013) nicht nur ein hervorragendes Eishockey-Team, sondern legt mit dem örtlichen Fußballclub FC Viktoria Pilsen noch einen drauf.

Nachdem die Mannschaft des FC Viktoria gerade in den 1980er und 2000er-Jahren als Inbegriff einer grauen, uninteressanten und limitierten Fahrstuhlmannschaft galt, durchbrach man ab dem Jahr 2010 fast durchgehend die Vorherrschaft der großen tschechischen Hauptstadtclubs AC Sparta und Slavia Prag!

Dies lag in erster Linie an der im Jahr 2010 durchgeführten Übernahme der Eigentumsrechte des Clubs durch den tschechischen Unternehmer Tomas Paclik und der damit verbundenen finanziellen Verbesserung des Etats. Seitdem gelang es dem Verein nicht nur, die tschechische Fußballmeisterschaft insgesamt fünfmal zu gewinnen (2011, 2013, 2015, 2016 und 2018), man investierte auch in „Steine“ und sorgte mit der kleinen aber feinen „Doosan-Arena“ für ein erstklassiges Stadion (Fassungsvermögen 11.700 Zuschauer). Zudem fällt auf, dass der Erfolg nicht nur kurzfristig mit gutverdienenden ausländischen Altstars aus größeren Ligen erkauft wurde, der aktuelle Kader des FC Viktoria besteht fast ausschließlich aus einheimischen Spielern mit Stallgeruch. Hierbei handelt es sich um eine gute Mischung aus erfahrenen Spielern wie David Limbersky (34, ehemals Tottenham Hotspur), Roman Hubnik (33, ehemals Hertha BSC), Milan Petrzela (34, ehemals FC Augsburg) und jungen entwicklungsfähigen Spielern wie Stürmer Michael Krmencik oder Ales Cermak.

Aufgrund der genannten nationalen Titel des FC Viktoria und der durchgehenden Teilnahmen an der UEFA Champions- und Europa League in den letzten Jahren kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es sich bei der Stadt Pilsen um die aktuelle tschechische Fußball-Hauptstadt handelt.

Und die hat sogar noch ein wenig mehr zu bieten. Neben dem erfolgreichsten tschechischen Fußballteam der letzten Jahre ist die Stadt vor allem für eine auch in Fankreisen äußerst beliebte Angelegenheit weltbekannt: Das Bier!

Im Stadtzentrum befindet sich die monumentale „Plzensky Prazdroj“-Brauerei, welche seit 1842 das wohlbekannte „Pilsner Urquell“-Bier herstellt. Das Pilsner Urquell war das erste nach Pilsner Brauart hergestellte Bier, nahezu alle daraufhin hergestellten (Pils-)Biere basieren auf dem originalen Rezept aus Pilsen. Somit handelt es sich bei der Brauerei um den ultimativen Geburtsort des weltberühmten Bieres aus Pilsener Brauart!

Aufgrund dieser Tatsache war ich nun gar nicht mehr so weit von unserer fußballerischen Ruhrpott-Tradition entfernt. Gerade in meiner Heimat sind Pils-Bier und Brat- bzw. Currywurst ein nicht verhandelbares Muss für einen Fußballzuschauer. Gerade der Stadion-Geruchsmix aus Bratwurst, Bier und Zigarettenrauch begleitet mich seit meiner Kindheit und meinen ersten Besuchen des Bochumer Ruhrstadions. Auch wenn der Zigarettenqualm heute nicht mehr wirklich politisch korrekt ist, so gehört er doch irgendwie dazu.

Am Abend ging es dann in das „Stadion der Stadt Pilsen“ (Stadion města Plzně), welches seit 2011 den Namen des südkoreanischen Sponsors Doosan trägt. Insgesamt eine sehr schöne Anlage, auch wenn es der angrenzende und leicht unübersichtliche Strunc-Park der einheimischen Polizei in Sachen Fangewalt nicht immer einfach machen dürfte. Gut, dass ein äußert antiquierter Wasserwerfer ebenfalls im Einsatz war.

Für die Mannschaft des FC Viktoria waren die Vorzeichen auf ein Erreichen des Achtelfinales äußerst positiv. Nach einem 1:1 im Hinspiel von Belgrad waren nun alle Uhren auf Weiterkommen gestellt!

Das sollte am Ende klappen, vor 10.185 Zuschauern in der fast ausverkauften Doosan-Arena gewannen die Hausherren äusserst mühelos mit 2:0 (0:0)! Die Tore für Viktoria erzielten der tschechische Nationalspieler Krmencik (67.) und Cermak in der Nachspielzeit (90+4)!

Leider muss man festhalten, dass der serbische Meister so ziemlich die schlechteste Mannschaft war, die ich in dieser Europapokal-Saison sehen durfte! In 90 Minuten hatte man nie den Eindruck, dass man das zum Weiterkommen benötigte Tor überhaupt schießen wollte. Lediglich zwei (halb)gefährliche Schüsse von Tosic (72.) und dem eingewechselten Soumah (82.) deuteten auf einen absolut lustlosen, einschläferndern und blutleeren Auftritt bei sanften minus 4 Grad Celsius hin!

Irgendwie passte dieser Auftritt des serbischen Meisters auch zu den mitgereisten 500 Anhängern. Zwar ein richtig guter Support, aber auch eine äußerst aggressive bzw. negative Grundstimmung bei den komplett schwarz gekleideten Serben!

Ein schöner Fußballabend im Schatten der Pilsner Urquell-Brauerei, die nur durch den Fluss Radbuza vom Stadion getrennt wird! Im Stadionumfeld ist der typische Malz- und Hopfengeruch überall wahrnehmbar! Das ist wirklich authentisch und gibt dem ganzen Umfeld einen ganz besonderen Charme.

Abschließend ein Wort zum Fortschritt! Wie schon im National-Stadion von Bukarest offerierte auch der FC Viktoria seinen Zuschauern in der Doosan-Arena ein kostenloses und schnelles Wifi-Netz!!! Da fragt man sich immer wieder, was in Deutschland bei der Digitalisierung eigentlich schief läuft!

Nach zwei hervorragenden Gin-Tonic und einer kurzen Nacht im Hotel Vienna House Easy ging es am nächsten Tag schon wieder zurück in die Hauptstadt Prag.

Dort sollte neben dem üblichen Sightseeing-Programm ein weiteres Fußballspiel auf dem Programm stehen. Am 18. Spieltag der tschechischen ersten Liga („HET-Liga 2017/2018“) traf der FK Dukla Praha auf den FK Jablonec aus der nordböhmischen Stadt Gablonz an der Neiße! Ein Mittelfeldduell zwischen dem Zehnten und Siebten der Tabelle!

Bevor ich jetzt auf dieses Spiel eingehe, möchte ich zunächst den FK Dukla Praha ein wenig näher beleuchten. Auf den ersten Blick erscheint der Verein aus dem nordwestlichen Prager Stadtteil Dejvice wie eine erfolglose graue Maus, welche in der Fan-Rangliste der Prager Clubs hinter Sparta, Slavia und Bohemians maximal die vierte Position einnimmt. Das ist im Prinzip alles richtig, wenn es in diesem Land nicht auch andere Zeiten gegeben hätte. Zu Zeiten des kalten Krieges, des eisernen Vorhangs und des Kommunismus, als die Länder noch Namen wie CSSR, DDR oder UDSSR trugen, war der FK Dukla Praha der erfolgreichste Verein der ehemaligen Czechoslowakei (CSSR, Staatenbund der heute eigenständigen Länder Tschechien und Slowakei). Der Verein war zwischen 1953 und 1982 insgesamt 11mal CSSR-Meister, gewann 12mal den Pokal und erreichte zweimal das Halbfinale eines Europapokals. Leider war der Verein in der Bevölkerung überhaupt nicht angesagt, schließlich handelte es sich bei Dukla um den staatlichen Armeeclub des ungeliebten Regimes. Obwohl man bis zum Jahre 1989 sehr erfolgreich war, konnte man bei Heimspielen maximal 9.500 Zuschauer begrüßen, das Fußballherz der Prager schlug halt schon immer für die vorgenannten Konkurrenten Dukla´s. Direkt nach Zusammenbruch des Kommunismus blieb dann auch die finanzielle Unterstützung des Verteidigungsministeriums für den Club aus. Da man zudem auch nicht mehr die besten Spieler des Landes erhielt, ging es fortan steil bergab. Sozusagen das Pendant zum ehemaligen DDR-Meister BFC Dynamo Berlin.

Nach diversen Abstiegen bis in die 5. tschechische Liga, Fusionen mit anderen Clubs, Namensänderungen, zwielichtigen Sponsoren und dem Erwerb von Lizenzen anderer Clubs sind die Gelb-Roten seit der Saison 2010/2011 zurück in der höchsten tschechischen Spielklasse.

Dort nutzt man nach wie vor das traditionelle „Stadion Juliska“, welches tatsächlich wie ein Relikt aus dem kalten Krieg wirkt und sich weiterhin im Besitz des tschechischen Verteidigungsministeriums befindet. Wie auch immer, das Stadion ist ein echter und völlig authentischer „Oldschool“-Ground mit einem theoretischen Fassungsvermögen von 20.000 Zuschauern. Allein die Bauweise des Stadions, in welchem die überdimensionierte Haupttribüne in einen Abhang eingebaut wurde, ist absolut einzigartig.

Das insgesamt ereignislose und recht zähe Spiel konnten die Gäste durch einen Kopfballtreffer von David Lischka am Ende verdient für sich entscheiden (64.). Mit dem Sieg schoben sich die Gäste auf Platz 6 vor und unterstrichen damit ihre berechtigten Hoffnungen auf einen Europapokal-Platz! Die handgezählten 18 Fans im Gästeblock waren jedenfalls völlig aus dem Häuschen!

Trotzdem ist es am Ende ein Spiel, an das ich mich gerne erinnern werde! Der unschlagbare Eintrittspreis lag bei umgerechnet 6 Euro! Leider scheint er immer noch viele Fans von einem Stadionbesuch abzuhalten. Bei einer Zuschauerzahl von 827 Besuchern muss man sich fragen, ob das noch erste Liga ist?!

Der absolute Klassiker war aber ein zweifacher Ausfall von Flutlicht und elektronischer Anzeigetafel, der uns eine Spielunterbrechung von 27 Minuten bescherte! Bei einer Außentemperatur von am Ende minus 6 Grad Celsius eine absolute Tortur für den Körper! Deshalb befanden sich beim Abpfiff des Spieles maximal noch 100 Zuschauer im Stadion!

Ich benötigte nach Abpfiff des Spiels jedenfalls eine Strecke von 1,5 km, um wieder Leben in meine Füße zu kriegen!

Am darauffolgenden Tag musste Prag natürlich noch ausgiebig erkundet werden, schließlich soll es sich bei der Metropole an der Moldau um eine der schönsten Städte Europas handeln. Nach Besuch der „Must do“-Sehenswürdigkeiten wie der Karlsbrücke, der Prager Burg- und Altstadt, dem goldenen Gässchen, dem Altstädter Ring, dem Wenzelsplatz, dem tanzenden Haus, der Moldau mit ihrem Hügel Petrin, dem Prager Fernsehturm, dem jüdischen Viertel, der Franz-Kafka-Statuen und der ganz vielen anderen sehenswerten Gebäude bleiben folgende zwei Eindrücke hängen: Ja, es ist vollkommen richtig, Prag ist eine absolut schöne, eindrucksvolle und lohnenswerte Stadt für einen Citytrip! Leider ist Prag aber auch so etwas von überlaufen, dass es teilweise keinen Spass mehr macht! Für einen Citytrip nach Prag benötigt man viel Zeit, mal eben geht so was aufgrund der vielen Menschen und des teilweise erheblichen Andrangs nicht!

Trotzdem stieß ich zufällig noch auf eine höchst interessante Sehenswürdigkeit für Fußballfans. Beim Besuch des Moldau-Hügels Petrin war es nicht weit zum Prager Strahov-Stadion…mit einem Fassungsvermögen von 250.000 Zuschauern die ehemals größte Arena der Welt!

Sie wurde in der Vergangenheit vor allem für Turn- und Massenveranstaltungen genutzt und sieht beim „Google-Maps“-Überblick einfach nur riesig aus!

Im Stadioninnenraum finden bis zu 9 Fußballfelder ganz locker ihren Platz! Die Anlage wirkt von außen höchst imposant, aber auch total heruntergekommen und verrottet!

Umso mehr überrascht, was sich im Inneren der Arena befindet…das supermoderne Trainingszentrum des tschechischen Traditionsvereines AC Sparta Prag! Mehrere Trainingsplätze, Funktionsgebäude und eine Traglufthalle für den Winter…das nennt man wohl Wolf im Schafspelz!

Das war mein erster Besuch in der tschechischen Republik! Bislang kann ich das Land nur aus dem Fernsehen, da gerade in meiner Jugendzeit tschechische Fernsehserien wie „Pan Tau“, „Die Besucher“ oder auch das Weihnachtsmärchen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ äußerst angesagt waren.

Tschechien besitzt wunderschöne und gepflegte Städte mit leckerer Hausmannskost und äußert gastfreundlichen Menschen! Das hat wirklich Spass gemacht! Mein besonderer Dank geht hier auch nochmal an den Ticketmanager des FC Viktoria Plzen, Miroslav Bezdeka, für seinen überragenden Kundenservice! DEKUJI!

Der FC Viktoria Pilsen gewann am letzten Spieltag übrigens mit 5:1 beim FK Dukla Praha und holte seinen fünften Meistertitel. In der nächsten Saison spielt die Mannschaft von Trainer Pavel Vrba in der UEFA Champions League. Der FK Dukla Praha landete am Ende auf einem 11. Tabellenplatz und hofft weiterhin auf einen erhöhten Zuschauerzuspruch! Gegner FK Jablonec konnte sich einen Traum erfüllen und spielt Dank der Platzierung auf Tabellenplatz 3 in der nächsten Saison in der UEFA Europa League! Herzlichen Glückwunsch!

Herzlichen Dank für das weiterhin entgegengebrachte Interesse, bleibt auf Empfang!