Nach einer recht kurzen und intensiven Reise zum VfL-Auswärtsspiel nach Leipzig stand für mich bereits das nächste Highlight auf dem Programm. Schon knapp drei Tage später ging es nach Spanien zum Viertelfinale der UEFA Europa-League 2015/2016, einem Wettbewerb der mir bekanntermaßen sehr am Fußballherzen liegt.

Diesbezüglich werde ich oft gefragt, warum ich für eine Liga mit Teams wie Molde FK, Vitoria Guimaraes oder auch Istanbul Basaksehir FK eine besondere Schwäche entwickelt habe bzw. was das Besondere an der angeblich so unattraktiven „2. Liga Europas“ sei? Zur Beantwortung dieser Frage muss ich ein wenig weiter ausholen. Die Liebe zum europäischen Vereinsfussball begann im Jahr 1997, als sich mein Lieblingsverein mit dem 5. Platz in der Fußball-Bundesliga für die Ausscheidungsspiele im damaligen UEFA-Pokal qualifizierte. Es folgten drei unvergessliche Reisen nach Trabzon, Brügge und Amsterdam, welche aufgrund ihrer besonderen Stimmung Lust auf mehr entfachten. Die beschriebene Herzensangelegenheit hat sich bis zum heutigen Tag gehalten, obwohl ich im Jahre 2004 den vielleicht bittersten Moment meines Fanlebens im UEFA-Pokal erleiden musste. Die Schlagworte „Nachspielzeit“, „Lüttich“ und „Edu“ dürften einigen Menschen etwas sagen. Falls nicht, schreibt mich bitte nicht an.

Ich denke, dass es etwas ganz besonderes ist, wenn unterschiedliche Fußballkulturen auf der Tribüne und dem Platz aufeinandertreffen. Hier gibt es so viele spannende und landestypische Unterschiede zu beobachten, die sich trotz einer mittlerweile vorhandenen „Globalisierung“ nicht geändert haben. Das beginnt bei den unterschiedlichen Fangesängen, geht über die Pyro ja/nein-Diskussion bis zur im Stadion angebotenen Verpflegung. Selbst das lokal vorhandene Merchandising-Angebot ist immer wieder mit Spass zu beobachten, da vom Bauchladen bis zum Super-Mega-Store alles möglich ist.

Aber warum die UEFA Europa-League und nicht die Königsklasse, die UEFA Champions League? Natürlich bin ich nie abgeneigt, ein Spiel in der Königsklasse zu besuchen. Das ist immer etwas Besonderes und elektrisiert die Menschen schon allein mit der CL-Hymne, die live einfach nur bombastisch wirkt. Gleichzeitig bedeutet Fußball in der Königsklasse zumeist aber auch, dass man „nur“ die großen und altbekannten Zugpferde im europäischen Fußball zu Gesicht bekommt. Eine Reise nach Paris, Madrid, Barcelona, London oder München mit ihren großen Kathedralen des Fußballs ist zwar erstrebenswert, aber wer kommt schon nach Braga, Alkmaar, Kasan oder Aberdeen? Auch diese etwas kleineren Vereine haben oft jede Menge Tradition, Flair und interessante Stadien wie das Felsenstadion von Braga.

Zum anstehenden Viertelfinale entschied ich mich für das Spiel zwischen dem spanischen Spitzenverein Villarreal CF und dem tschechischen Rekordmeister AC Sparta Prag. Das spanische Team ist auch unter seinem Spitznamen „Das gelbe U-Boot“ bekannt, welcher aufgrund der quietschgelben Spielkleidung vergeben wurde. Dazu gibts Maskottchen „Groguet“, das weltweit wohl einzige U-Boot als Glücksbringer eines Fußballclubs.

Der Trip stand aufgrund der zu erwartenden sommerlichen Temperaturen in Spanien diesmal unter dem Motto „Ein wenig relaxen und Sonne tanken, aber Fußball ist immer wichtiger“.

So ging es am Dienstag morgen mit einem Airbus A320 der Eurowings in spanische Alicante. Dort hatte ich für diesen Kurztrip meine Basis eingerichtet. Ein nettes Ferienhaus mit Terrasse und Wettergarantie im Ort Ciudad Quesada.

Wer mich kennt, der kann sich nun lebhaft vorstellen, dass ich beim Sonnenbad aufgrund meines mediterranen Aussehens schnell ungeduldig agiere. Deshalb besann ich mich auf meine eigentliche Bestimmung und führte eine erste Ground-Besichtigung durch. Hierzu ging es in die nahe gelegene Großstadt Elche.

In der 230.000-Einwohner-Stadt befindet sich das Estadio Manuel Martinez Valero, Heimat des spanischen Erstliga-Absteigers Elche CF. Das Stadion fasst 36.000 Zuschauer und wurde für die Fußballweltmeisterschaft 1982 erbaut. In dem Stadion fanden damals insgesamt 3 Vorrundenspiele der Mannschaften aus Belgien, Ungarn und El Salvador statt. Bemerkenswert ist hierbei das torreichste WM-Spiel aller Zeiten, Ungarn gegen El Salvador 10:1.

Nach Ankunft am Stadion beabsichtigte ich zunächst den Fanshop des Clubs aufzusuchen. Aber wer schon mal in Spanien war und weiss, was das Wort „Siesta“ bedeutet, dem muss ich nicht erzählen, dass das Geschäft um 15 Uhr verriegelt und verrammelt war. Zum Glück fand ich eine geöffnete Tür zum offiziellen Bürobereich des Vereins. Hier traf ich auf einen netten Menschen, der mit einem Elche-Trainingsanzug bekleidet war und offensichtlich eine Art Pförtner darstellte. In dem anschließend geführten Gespräch in englischer (ich) und spanischer Sprache (er) verstanden wir uns beide nicht. Ich packte noch ein wenig Deutsch in das Gespräch und fragte nach den Öffnungszeiten des Fanshop (spanisch „Tienda“), mein Gegenüber antwortete in akzentfreiem Spanisch und wunderte sich, dass ich ihn nicht verstehe. Dies deutete er vermutlich an den klar ersichtlichen Fragezeichen in meinen Augen. Was normalerweise zu einem Gesprächsabbruch führt, endete in Elche mit dem recht skurrilen Besuch des Innenraumes und Kabinenbereiches des Stadions. Da wir in dem genannten Gespräch einfach nicht weiterkamen, ging der Pförtner irgendwann angenervt vor, signalisierte mir ihm zu folgen und öffnete eine Tür zum Allerheiligsten des Grounds. Dann gab er mir mittels Zeichensprache zu verstehen, dass ich den Rasen nicht betreten und später die Tür wieder zuziehen solle. Dann war er weg und ich stand im WM-Stadion von Elche. Das dann natürlich diverse Fotos an und auf der Trainerbank gemacht wurden, dürfte euch klar sein. Ich genoß die Stimmung und entfernte mich nach 20 Minuten mit einem kräftigen „Gracias“ vom Ort des Geschehens.

Aber auch mein kultureller Anspruch kam in Elche nicht zu kurz. In direkter Nachbarschaft zueinander befinden sich die Top-Sehenswürdigkeiten der Stadt. Dabei handelt es sich um die Basilica de Santa Maria, den Palacio da Altamira und den wirklich sehenswerten Palmengarten „El Palmeral“, welcher im Jahr 2000 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Am Donnerstag, dem Matchday und Hauptgrund der Reise, war dann die 286 km-lange Reise zum Spielort Vila-Real zu absolvieren. Die führte mich bei Benutzung der mautpflichtigen Küstenautobahn AP7 von Alicante über die britische „Urlaubsenklave“ Benidorm zunächst in die Metropole Valencia.

Hier war Zeit für einen kleinen Stadtrundgang und das Beschnuppern der vorhandenen Sehenswürdigkeiten. Ich würde dieser Stadt aber ein wenig Unrecht tun, wenn ich die eilig besichtigten Sehenswürdigkeiten hier großmundig beschreiben würde. Dies wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt, wenn ich mehr Zeit für diese wirklich schöne und lebhafte Stadt besitze.

Am späten Nachmittag ging es dann zum Spielort in die 50.000-Einwohner-Stadt Vila-Real, ca. 60 km nördlich von Valencia. Dort befindet sich das Stadion El Madrigal, ein Ground der 1923 erbaut wurde und eine große Tradition aufweist. Das Stadion mit einem Fassungsvermögen von knapp 25.000 Zuschauern befindet sich innerhalb einer Wohnsiedlung und ist von außen nicht überall als Stadion zu erkennen. Dies bezieht sich in erster Linie auf die „Südtribüne“, die komplett hinter einer Häuserzeile versteckt ist. Das Stadion wirkt von innen und außen tatsächlich sehr baufällig, hat im Inneren aber gleichzeitig auch ein tolles Ambiente und eine nahezu legendäre Sicht. Zudem wirkt der „draufgesetzte“ Gästeblock sehr imposant. Am interessantesten fand ich aber das an der Außenfassade angebrachte „V“ aus dem Vereinswappen. Dies wurde in Treppenform installiert und dürfte bei jedem kurzen Gang schwere und müde Beine verursachen.

Nach Ankunft ca. 2 Stunden vor Spielbeginn wollte ich in einer der umliegenden Tapas-Bars eigentlich eine Kleinigkeit essen. Leider war die zeitgleich eingetroffene Hundertschaft der Policia Nacional ein wenig schneller und belagerte sämtliche Geschäfte. Ich kann aber gönnen, wünschte den Herren einen guten Appetit und suchte mir ein Restaurant in der ca. 1 km entfernten Innenstadt von Vila-Real. Andere Länder, andere Sitten…verbunden mit der Erkenntnis, dass Polizeibeamte außerhalb Deutschlands noch als Menschen gelten und während des Dienstes auch eine Kleinigkeit essen dürfen. Dies ist in Deutschland aufgrund der weit verbreiteten Neid- und Missgunst-Debatte leider nicht mehr so einfach möglich.

Vor dem Spiel schaute ich mir zunächst die Ankunft beide Mannschaftsbusse an, welche sich durch eine dichte Zuschauermasse von Fans des CF Villarreal quälen mussten. Ein recht kurzweiliges und lustiges Schauspiel mit sehr viel guter und ausgelassener Stimmung, aber ohne jegliche Aggressionen!

Nach Einnahme unserer wirklich hervorragenden Plätze musste ich feststellen, dass ich inmitten älterer Mitbürger saß. Nahezu alle älteren Herren waren sehr nett, kommunikativ und rauchten dicke geruchsintensive Zigarren. Für jemand, der erst seit kurzem versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen, eine eher unangenehme Einheit.

Das anschließende Spiel unter der Leitung des rumänischen Schiedsrichters Ovidiu Alan Hategan begann für die Mannschaft von Villarreal CF nach Maß. Nach 3 Minuten bewies Sparta-Torhüter Bicik, dass er nicht zu der mittlerweile bevorzugten Gattung eines spielenden Torhüters gehört. Bei einem Rückpass brauchte er gefühlte 2 Minuten um den hart gespielten Ball zu verarbeiten. Das bemerkte Villarreal-Stürmer Bakambu, der den Keeper anlief, stark unter Druck setzte und den anschließenden Abschlagsversuch ins gegnerische Tor blockte. In der Folge wurde die Hintermannschaft aus Prag durch die Jungs vom gelben U-Boot weiterhin stark beansprucht. Hierbei besaß Villarreal mehrere 100-%-Chancen, bei welchen der zuvor düpierte Sparta-Torhüter Bicik aber nun zeigte, dass er auf der Linie ein richtig Guter seines Faches ist. Dank ihm stand es nach 45 Minuten nicht schon 4:0 für die Gastgeber. Die Krönung der 1. Halbzeit stand mir aber noch bevor. Für die sorgte Prag-Verteidiger Brabec, als er einen Eckball in der Nachspielzeit der 1. Halbzeit einfach mal unhaltbar einköpfte. Die gut 200 mitgereisten Fans aus Tschechiens Hauptstadt drehten förmlich durch, die restlichen Zuschauer waren mehr als konsterniert.

Nach Anpfiff der zweiten Halbzeit setzte sich das Spiel wie erwartet fort. Das gelbe U-Boot machte da weiter, wo es aufgehört hatte. Sie überrannten den Gegner, ohne ein Tor zu erzielen. Das am Ende vorhandene Torschussergebnis von 27:8 sprach Bände. Doch trotz der weiterhin vorhandenen Chancen gelang nur noch das Tor zum 2:1-Endergnis, welches wieder durch den kongolesischen Nationalspieler und Leverkusen-Schreck Cedric Bakambu erzielt wurde. Ein schwieriges Ergebnis für das Rückspiel am Donnerstag, es bleibt also spannend.

Für mich ging es nach einer sehr kurzen Nacht im Hotel Plana Parc Vila-Real zurück. Für das Halbfinale habe ich bislang noch nichts geplant. Vielleicht geht ja noch was. Danke fürs lesen, stay tuned….