Nach meinem Roadtrip durch den Norden Italiens und einem Spiel des ACF Fiorentina ging es bereits Ende November ansatzlos mit der Gruppenphase der UEFA Europa-League weiter.

Für den 5. Spieltag wählte ich schon allein aufgrund des in Deutschland langsam eintretenden Winterwetters ein Spiel im südlichen Teil unseres Kontinents aus. Zum Einen macht ein Stadionbesuch bei Temperaturen oberhalb des Gefrierpunktes einfach mehr Spass, zum Zweiten kann man im oftmals beschränkten Handgepäck auf platznehmende Winterkleidung verzichten. Bei der Wahl des Reiseziels fühlte ich mich diesmal ein wenig wie der Kapitän des Raumschiffs Enterprise, ihr wisst schon, das Erforschen von unentdeckten Welten und so weiter.

Nach Sichtung des Spiel- und Flugplans fiel die Stecknadel auf die griechische Hauptstadt Athen. Für mich wieder einmal eine Premiere, Griechenland mit all seinen Facetten und Urlaubsinseln stand bei mir aus unerfindlichen Gründen noch nie auf dem Programm.

Deshalb war die Planung für diese Fuballreise auch ein kleines bißchen umfangreicher, da mir nicht ganz bewusst war, was mich dort erwarten würde. Als interessierter und aufmerksamer Mensch hört man über Griechenland eigentlich nur Horrormeldungen mit Stichwörtern wie Rezession, Euroverfall, Armut und Regierungs- bzw. Flüchtlingskrise. Dazu kamen in der jüngeren Vergangenheit diverse TV-Bilder mit gewalttätigen Demonstrationen vor dem griechischen Parlament oder langen Menschenschlangen vor Geldautomaten, die in Panik ihre letzten Ersparnisse abheben wollten. Selbst wenn man die vorgenannten Probleme politisch unkorrekt einfach mal ausblendet, hört man aus Griechenland aufgrund der Eurokrise immer wieder von einer enormen Abneigung gegenüber Deutschland und seinen Bewohnern.

Die in Griechenland bestehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme wirken sich natürlich auch auf den Fußball aus. Wenn ich in meinem letzten Blog die vorhandenen Probleme im italienischen Fußball als besorgniserregend beschrieben habe, so kann ich Euch für Griechenland eigentlich kein Wort anbieten, welches den momentanen Zustand der griechischen Fußballwelt beschreibt. Bei unserem König Fußball handelt es sich in Griechenland um einen Komapatienten, der nur noch von Maschinen am Leben gehalten wird.

Der griechische Profifussball mit seiner ersten Liga, der Super League, ist durchzogen von Korruption, Spielmanipulationen und Fangewalt. Dazu kommt ein Verband, der mittlerweile unter eine Art Verwaltung des Weltverbandes FIFA gestellt wurde, da er mit all den Problemen nicht mehr klar kommt. Bei den Zugpferden und wohl bekanntesten Vereinen Griechenlands handelt es sich um den Serien- und Rekordmeister Olympiacos Piräus FC sowie seine Athener Lokalrivalen Panathinaikos und AEK. Die Dominanz dieser Vereine konnten in den letzten Jahren und Jahrzehnten lediglich die Clubs aus der griechischen Hafenstadt Thessaloniki, PAOK und Aris, gelegentlich durchbrechen. Weitere Clubs wie Skoda Xanthi oder Panionios Athen sind bislang nur gern gesehenes Beiwerk.

Die bereits genannten großen Vereine werden nach guter alter Sitte zumeist von schwerreichen, aber auch recht zwielichtigen, Patriarchen geführt. Leider sind sich die mit Unterweltkontakten ausgestatteten Clubeigner untereinander überhaupt nicht grün und zweifelten zunächst die Schiedsrichteransetzungen der ersten Spieltage im Hinblick auf mögliche Spielmanipulationen an. Was in Deutschland einen wohl erdrutschartigen Skandal auslösen würde, interessierte in Hellas nicht wirklich. Griechische Ermittler gehen sogar davon aus, dass diverse Spiele aufgrund von völlig zweifelhaften Schiedsrichterentscheidungen manipuliert wurden. Diese „Uneinigkeit“ war ein Grund, warum die 1. Liga Griechenlands erst zwei Wochen später in die Saison 2016/2017 startete. Ein weiterer Grund waren die anhaltenden Ausschreitungen unter den absolut gewaltbereiten Anhängern der Vereine, leider auch oft außerhalb der Spieltage. Hier wird vermutet, dass die Hooligans der Vereine von den Clubbesitzern als eine Art Armee eingesetzt werden, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Damit vertreibt der griechische Fußball seine normalen Fans aus den Stadien, da bei Derbys wie Piräus gegen Panathinaikos oftmals bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollen und Spielabbrüche sowie Punktabzüge die Normalität sind.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die alltäglichen Probleme in Griechenland auch auf den Fußball zu übertragen sind. Ein paar Superreiche machen das, was sie wollen und der Rest muss darunter leiden. Trotz dieser recht trostlosen Einschätzung zum griechischen Profifussball bzw. zur allgemeinen Stimmung in Griechenland hatte ich richtig Lust auf den Trip nach Athen!

Bezüglich der vorgenannten Probleme entschied ich mich für ein Spiel des Rekordmeisters Olympiacos FC in der UEFA Europa-League. Die spielten am 24.11.2016 in der Gruppenphase gegen den Berner Sport-Club Young Boys. Ein Spiel im Europapokal sollte allein aufgrund der höheren Präsenz von Sicherheitskräften bzw. der erhöhten Sicherheitsanforderungen der perfekte Einstieg für ein Spiel in Griechenland sein, ohne sofort in den Kampf ziehen zu müssen.

Nach Einschalten meines Computers hieß das Motto daraufhin „Augen auf beim Kartenkauf“. Diesbezüglich überlege ich schon länger, ob ich dem Thema Ticketing mal einen eigenen Blog widmen sollte. Denn der Online-Kartenkauf ist überall auf der Welt so unterschiedlich, von „einfach bis geht gar nicht“ war wirklich alles dabei. In Sachen Piräus war der Ticketkauf so semi-einfach. Zunächst gerät man auf eine Homepage, die es zwar in Englisch gibt, aber nicht allzu einfach zu bedienen ist. Man gibt allerlei Daten ein (Name, Reisepassnummer, Geburtsdatum, Kreditkartendaten) und denkt, man hat es geschafft. Weit gefehlt, es ging erst los. Auf der kommenden Seite wurde eine Fehlermeldung angezeigt, ich sollte doch jetzt bitte meine personalisierten Fancarddaten eingeben. Da ich bislang keine Fancard hatte, musste ich mir eine bestellen. Kostenpreis 10 Euro, bestellbar auf einer anderen Internetseite. Nach virtuellem Empfang der Karte konnte ich nun eine weitere Nummer meiner Bestellung hinzufügen. Nach kurzer Wartezeit kam bereits die nächste Fehlermeldung, da jetzt meine griechische 11stellige Steuer-ID erforderlich war. Zu diesem Zeitpunkt war ich leicht angesäuert, da ich mehrfach eingegeben hatte, aus Deutschland zu kommen! Da in Griechenland offensichtlich ungerne Steuern entrichtet werden, versuchte ich, das System mit einem Trick zu überlisten. Ich gab einfach 11mal die Zahl 0 ein. Das sollte oberflächlich erst einmal klappen. Zumindest so lange, bis ich die Meldung erhielt, dass diese Nummer bereits genutzt wurde. Nach Nutzung der völlig innovativen Steuernummer 12345678901 klappte es dann. Ich hoffe nur, dass der echte Besitzer dieser Steuernummer kein Olympiacos-Fan ist.

So ging es mit der Kartenzusage am 23.11.2016 auf die Reise in Richtung Athen. Vorgeplant war ein Flug mit Lufthansa von Düsseldorf über München nach Athen. Leider konnte ich den Flug nicht wahrnehmen, da ich einmal mehr in den Pilotenstreik der Vereinigung Cockpit geriet. Nach einer Wartezeit von knapp einer Stunde konnte mir die Mitarbeiterin der Lufthansa-Hotline am Vorabend vor dem Abflug aber weiterhelfen. Warum nicht einmal über den hohen Norden nach Athen reisen? So ging es zunächst mit der skandinavischen Airline SAS in die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Ein netter Airport, auch wenn der Zwischenstopp aufgrund der doch recht starken dänischen Krone und der damit verbundenen hohen Preise im Flughafen nicht zu lange dauern sollte. Nach Weiterflug in Richtung Griechenland traf ich nur knapp eine Stunde nach der geplanten Lufthansa-Zeit am Flughafen Eleftherios-Venizelos ein.

Ich hatte es tatsächlich geschafft, über Kopenhagen war ich in Athen. Bevor ich jetzt mit meinem üblichen Sightseeing-Programm beginne, möchte ich aufgrund meiner zuvor genannten Befürchtungen eine erste Bewertung vornehmen. Sicher gibt es dort genug wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme im normalen Leben sowie dem Sport. Trotzdem ist Athen eine tolle, sehenswerte und einladende Stadt. Die netten und offenen Menschen hatten, welch Wunder, so gar nichts gegen Deutschland. Na gut, vielleicht mochten sie unsere Bundeskanzlerin nicht wirklich, aber das soll hier ja auch manchmal so sein.

In Sachen Sightseeing thront in Athen über allem natürlich die weltbekannte Akropolis. Die ist für einen vergleichsweise niedrigen Eintrittspreis von 10 Euro auch hautnah zu besichtigen. Der Aufstieg zur Akropolis ist gut ausgebaut und kann selbst von untrainierten Menschen wie dem SV-Vöde-Spieler Michael Hiller leicht geschafft werden. Von der Akropolis aus hat man einen nahezu fantastischen Blick über die gesamte Stadt. Wer sich den Eintrittspreis sparen möchte, der sollte aber zumindest den nahe der Akropolis befindlichen Areopagus Hill (Mars Hill) besuchen. Hierbei handelt es sich um eine Art Aussichtsplattform mit Blick über die Stadt und auf die Akropolis. Aber Vorsicht, aufgrund der vorhandenen großen und rutschigen Steine sollte man festes Schuhwerk tragen und die Flip-Flops zuhause lassen. Stichwort Aussicht, der beste Blick auf die Stadt und die Akropolis am Abend erhält man auf dem Athener Stadtberg Lykabettus. Der 277 Meter hohe Berg kann mit einer Standseilbahn bezwungen werden und bietet ebenfalls ein unglaubliches Panorama.

Ein weiteres „Must-Do“ des antiken Griechenlands sind die Überreste des Olympieion (Tempel des olympischen Zeus). Das Areal kann man bereits von der Akropolis bewundern und ist nur einen kurzen Spaziergang entfernt.

Im Zentrum Athens sollte man sich immer an den drei großen Plätzen orientieren. Der Syntagma-Platz ist mit seiner zentralen U-Bahn-Station und dem griechischen Parlamentsgebäudes vielleicht der wichtigste Platz, welcher so ein bisschen das Tor zur Innenstadt mit vielen Shoppingmöglichkeiten darstellt. Der Monastiraki-Platz stellte für mich so etwas wie das Tor zur sehenswerten Altstadt Plaka dar. Dort befanden sich neben unzähligen Restaurants mit leckerer einheimischer Küche mehrere sehr schöne Straßenmärkte wie dem Flea-Markt. Hier soll es unbestätigten Berichten meines Mitreisenden Howie Sievers zufolge sogar Second-Hand-Lederjacken geben, in welchen der ehemalige Besitzer seine Kondome vergaß.

Last but not least möchte ich den Omonoia-Platz nennen, zu welchem man nach dem Besuch des sehr interessanten Varvakios-Market (große Markthalle mit Fisch-Fleisch und Gewürzmarkt) gelangt. Das Omonoia-Viertel ist ebenfalls sehr lebendig und interessant, auch wenn man nachts das andere Gesicht dieser Stadt dort erleben kann. Zur Nachtzeit fallen in dem eher armen Viertel die vielen obdachlosen Flüchtlinge und vor allem der wenig charmante Drogen- und Straßenstrich auf.

Das absolute Highlight des Lifestyle war für mich die bereits kurz angesprochene Altstadt „Plaka“ mit ihren vielen Tavernen, die leckeres Essen für einen dann doch recht günstigen Preis offerierten. Meine Empfehlung ist hier die Taverne „Anafiotika Café“. Aber auch der Ausgehbezirk „Gazi“ war mehr als intensiv und verursachte einen nicht unerheblichen Kater am nächsten Tag.

Nach dem Warmmachen im genannten Café in der Plaka ging es zum Spiel. Die Anreise zum Georgios-Karaiskakis-Stadion im Athener Hafenviertel Piräus erfolgte recht einfach mit der U-Bahn vom Monastiraki-Platz und dauerte ca. 10-15 Minuten. Nach Ankunft ging es zunächst einmal darum, unsere virtuellen Clubkarten in richtige Plastikarten umzutauschen. Nach Erhalt dieser Fankarten und unserer Eintrittskarten ging es in eine kurze Stadionbesichtigung.

Das Stadion des Olympiacos FC existiert an diesem Ort seit 1895 und wurde erst vor knapp 12 Jahren grundlegend saniert. Nach Abriss und einem nahezu kompletten Neubau fasst es nun 33.296 Zuschauer. Die Arena bietet alle von der UEFA geforderten Einrichtungen und wurde für die olympischen Spiele 2004 in Athen genutzt. Bei Umrundung des Stadions fiel mir auf, dass auch die übrigen Abteilungen des Vereines im Stadion eine Heimat fanden (z.B. die Kampfsportabteilung mit Fitnessbereich). Rund um das Stadion befanden sich die üblichen Straßenköche, welche die griechische Version der Stadionwurst zubereiteten. In Piräus handelte es sich um einen Fleischspieß im Brot. Lecker, aber auch sehr magenfüllend.

Das Spiel des 5. Spieltages in der Gruppe B der UEFA Europa-League gegen den BSC Young Boys wurde pünktlich um 22.05 Uhr Ortszeit durch den tschechischen Schiedsrichter Miroslav Zelinka angepfiffen. Nach einem recht engagierten Beginn der Heimmannschaft verflachte die Partie gegen den schweizer Hauptstadtclub bis zum Halbzeitpfiff. Drei Minuten nach Wiederanpfiff brachte der ehemalige Kaiserslauterer Kostas Fortounis die Griechen mit einem sehenswerten Freistoß in den rechten Winkel in Führung. Die Führung hielt aus Sicht der Olympioniken aber nur knapp 10 Minuten, bis der Berner Stoßstürmer Guillaume Hoarau bei einem Zuspiel von Lecjaks perfekt seinen Körper einsetzte und in der Folge eiskalt abschloß.

In der Folge konnten die bis dahin spielbestimmenden Griechen froh sein, das Spiel nicht noch verloren zu haben. Dies lag in erster Linie an dem indisponiert wirkenden italienischen Torhüter Nicola Leali, der die ein oder andere Einladung für die Schweizer hinterließ.

Mit dem Unentschieden zog Olympiacos FC in das Sechzehntelfinale der UEFA Europa-League im Februar 2017 ein. Dort messen sich die Griechen dann mit dem möglicherweise ungeliebten türkischen Vertreter Osmanlispor FK aus der Hauptstadt Ankara.

Die Stimmung unter den 24.131 Zuschauern war jedenfalls richtig gut und stimmgewaltig. Obwohl es nur die Partie gegen einen für die Griechen unwichtigen Gegner war, kann man erahnen, was in diesem Stadion bei Lokalderbys los sein kann. Aufgrund der großen Anzahl an vermummten Ultra-Fans kann ich mir aber auch vorstellen, was dort auf dem Gewaltsektor möglich sein kann.

Abschließen möchte ich diesen Bericht aus Griechenland mit meiner Reise in der Reise. Nach dem völlig unkomplizierten Hinweg mit der Metro sollte es auch genau so zurück gehen. Das sollte aufgrund der späten Anstoßzeit aber nichts werden. Bereits bei Verlassen des Stadions gegen Mitternacht fiel mir auf, dass ein Großteil der Fans mit Fahrrädern und Mofas den Bereich verließ. Entgegen unserer einheimischen Gewohnheiten ging kaum ein Mensch in Richtung Metro-Haltestelle Faliro. Bei Ankunft an der Haltestelle wusste ich auch warum, die U-Bahn fährt nur bis 0.00 Uhr. Egal, ob ein internationales Fußballspiel stattfindet, 24.000 Menschen nach Hause wollen oder der Papst kommt. Als Alternative wurde uns die nahe gelegene Straßenbahnhaltestelle ans Herz gelegt. Hört sich gut an, war es aber schon aufgrund des eher skurrilen Weges durch eine menschenleere Passage nicht. Nach einer Fahrtzeit von knapp 25 Minuten waren wir an der Küste der Hafenstadt Piräus. Toller Ausblick, aber die falsche Richtung. Gut, dass es hilfsbereite Menschen gibt. Dank eines ehemaligen Flüchtlings aus Kenia, welcher in einem Hotel arbeitete und uns den Weg zu einer Art Schnellbus in die City wies, kamen wir nur knapp drei Stunden später dort an. Im wahrsten Sinne des Wortes eine magische Europapokalnacht!!!

Danke fürs Lesen, STAY TUNED!!!