Woran erkennt man eigentlich, dass man in einem typischen Ferien- oder Urlaubsflieger der Fluggesellschaft Condor sitzt? Nun ja, das ist ganz einfach. Zunächst benötigt man eine größere Anzahl von deutschen Rentnern, die zur Winterzeit außerhalb der Ferien einfach mal ein wenig Wärme benötigen. Diese meist sehr beleibten Mitmenschen müssen sich im Flugzeug so ungeschickt anstellen, dass selbst der Gelegenheitsflieger nur noch mit dem Kopf schüttelt. Und zu guter Letzt der absolute Klassiker: Es wird nach der Landung frenetisch applaudiert. Ein Erlebnis, welches ich schon lange nicht mehr fühlen konnte.

Nach erfolgter Landung des Airbus A320 auf dem Flughafen Funchal musste ich zunächst feststellen, dass der Anflug am heutigen Tag als absolut gelungen bezeichnet werden kann. Dies war eigentlich anders zu erwarten, da der Airport FNC aufgrund der vorherrschenden Scherwinde und des fehlenden Instrumentenlandesystemes als äußerst schwierig anzufliegen gilt. Extrem wackelnde Flugzeuge über dem Airport Funchal kann man sich bei YouTube hundertfach anschauen. Vor einem Flug in diese Richtung sollte man es aber besser sein lassen, da schlechtes Fernsehprogramm bei ungeübten Passagieren ein flaues Bauchgefühl verursacht.

Nach Ankunft in unserer Pension „Residencial Pina“ war aber sofort jeglicher Reisestress mit meinen älteren Mitbürgern vergessen, da der Ausblick auf die Inselhauptstadt entschädigte und als traumhaft beschrieben werden kann. Auch bei dem anschließenden ersten Sightseeing-Trip muss ich zugeben, dass ein klassisches Urlaubsziel wie Madeira diesmal die absolut richtige Wahl war. Neben dem natürlich vorhandenen südeuropäischen Lifestyle mit vielen Cafés und Restaurants ist die Altstadt, der Hafen und auch die Promenade sehr schön und gepflegt. Die Stadt Funchal verfügt neben diesen Sachen zur „Erholung“ aber auch über eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten, die zwar nicht immer ganz günstig, aber unbedingt zu machen sind. Dazu gehören für mich ein Besuch der Markthalle Dos Lavradores, des Forte de Sao Tiago, der Kathedrale und des etwas oberhalb liegenden Ortes Monte. Dieser ist mit einem Cable Car (Seilbahn) erreichbar und verschafft dem Benutzer nochmals einen atemberaubenden Ausblick. Nach einer ca. 15-20minütigen Fahrt kommt man in dem Ort der ehemals Reichen und Schönen, Monte, an. Dort gibt es einen interessanten tropischen Garten und die Kirche bzw. den Grabort des letzten österreichischen Kaisers, Karl I.! Mit anderen Worten, Dinge die man sich zum Runterkommen mal anschauen kann. Dies ist auch bitter nötig, da die Rückfahrt aus Monte zumeist mit dem bekannten Madeira-Korbschlitten erfolgt. Das ist letztlich ein recht baufälliger Schlitten aus Holz und zwei Portugiesisch sprechenden „Fahrern“ des Schlittens. Auf der anschließenden ca. 2 km langen Strecke in Richtung Funchal muss man den Kutschern hinsichtlich eines maßvollen vorabendlichen Alkoholkonsumes  einfach vertrauen, da der Schlitten locker auf 30 km/h kommt und man unterwegs über fehlende Knautschzonen nachdenkt.

Und da ich ja grundsätzlich als kulturell interessierter Mensch gelte, habe ich natürlich auch ein Museum besucht. Diesmal das Museum des berühmten Sohnes der Insel, dem Fußballer Cristiano Ronaldo von Real Madrid. Dies hat Ronaldo im Jahre 2013 eröffnet. Nach dem Besuch muss ich sagen, dass das Museum für einen Fußballfan ein „Must Do“ ist. Man muss Ronaldo nicht unbedingt mögen, um trotzdem zu sehen, was ein 31jähriger Sportler alles gewonnen hat. Neben unzähligen Medaillen und Pokalen (u.a. FA-Cup, CL-Cup) werden alle originalen Spielbälle gezeigt, die Ronaldo für mindestens 3 Treffer in dem jeweiligen Spiel erhalten hat. Dazu noch die bekannte Bronze-Statue von Ronaldo auf der Promenade und fertig ist die Laube.

Aber auch außerhalb der Hauptstadt warten an der Nord- und Südküste (Mietwagen wäre von Vorteil) viele Attraktionen. Als Beispiel möchte ich die Städte Calheta (Brennerei mit leckerem Zuckerrohrsaft), Cabo Girao/Faja dos Padres (Skywalk in 500 Meter Höhe/Panoramaaufzug auf 250 Höhenmetern), Porto Moniz (Atlantikküste mit hohen Wellen und Naturschwimmbad) und Sao Vicente mit seinem Höhlensystem nennen.

Aber nun genug Vorgeplänkel…warum bin ich eigentlich hier? Richtig, zum Fußball. Und da wurde ich vor der Reise mehrfach gefragt „Was willst du denn im Urlaubsparadies Madeira?“. Das ist recht einfach zu beantworten. Die Insel ist völlig fußballverrückt und besitzt insgesamt drei Vereine in der ersten portugiesischen Liga. Dies finde ich für eine Insel (von der Fläche etwas kleiner als Berlin, aber nur 235.000 Einwohner, knapp 1000 km vom portugiesischen Festland entfernt) mehr als beachtlich. Zwar hat die nach einem Mobilfunkunternehmen benannte 1. Liga (Liga NOS) in Westeuropa bislang so niemand wirklich vom Sitz gehauen, trotzdem stehen die drei Großen Benfica, Sporting und Porto für guten Fußball und internationale Erfolge.

Bei den von mir ins Auge gefassten Mannschaften handelte es sich um die Inselteams CD Nacional da Madeira (Jugendverein von Cristiano Ronaldo), CS Maritimo Funchal (mutmaßlich beliebtester Verein der Insel) und Uniao Madeira (Erstliga-Aufsteiger). Der Spielplan meinte es, wenn auch ein wenig geplant, sehr gut mit mir und bescherte Heimspiele der Mannschaften von Nacional und Maritimo. Und da der portugiesische Fußballverband tatsächlich 5 Tage vor dem Spieltag alle Spiele terminierte, konnte ich sogar beide Spiele am Wochenende sehen. Ich befürchte, diese Art der Terminierung hätte in Deutschland zumindest eine kleine Demo der Aktion „15.30“ hervorgerufen.

Starten wir mit dem Spiel am Samstag, Nacional da Madeira gegen den Spitzenverein Sporting Lissabon. Das Spiel fand im Estadio da Madeira statt, dass in ca. 800 Metern Höhe über der Stadt Funchal thront und ca. 5500 Zuschauern Platz bietet (anders gesagt, das Ding stand außerhalb jeglicher Bevölkerungszentren in der absoluten Prärie, direkt neben der Wüste Sahara). Das Stadion und die angrenzenden Trainingsplätze wurden vom berühmten Sohn Cristiano Ronaldo finanziert und teilweise nach ihm benannt. Der Ausflug auf diesen Berg war wirklich als abenteuerlich zu bezeichnen. Mir muss niemand mehr etwas vom Mythos Betzenberg erzählen, der ist gegen das Stadion da Madeira ein lustiger Hühnerhaufen. Die meist nur einspurig zu befahrenen Straßen führen nahezu senkrecht zum Stadion. Dies hat zur Folge, dass es für das Fahrzeug eine absolute Materialschlacht ist, da Kupplung und Bremsen stark beansprucht werden. Teilweise war der Berg nur im 1. Gang zu bezwingen und ich hatte durchgängig das Gefühl, dass mein Auto jeden Augenblick nach hinten über kippt. Es war wirklich einfach nur Wahnsinn und für mich unvorstellbar, dass in diesem Stadion bei eventuellem sportlichen Erfolg europäische Spiele stattfinden könnten.

Nach Ankunft am Stadion fiel mir auf, dass der wenige Platz perfekt genutzt wird. Neben und gegenüber dem Stadion befinden sich insgesamt drei Trainingsplätze. Der nötige Parkraum befindet sich in Form von Tiefgaragen (700 Stellplätze) unter dem Stadion bzw. Spielfeld. Apropos Parken…da ich bereits einen Tag vorher schon mal Probegucken am Stadion war, wusste ich, dass ein frühes Erscheinen erforderlich war. Nur so konnte ich mir einen der 700 Plätze in der Tiefgarage für 5 Euro sichern. Der Rest vom Schützenfest musste an der einspurig zu befahrenen Straße parken, immer doof, wenn man ein neuwertiges Auto in Portugal fährt.

Vor dem Spiel fiel auf, dass im angrenzenden Trainingsstadion „Cristiano-Ronaldo-Campus-Futbol“ ein Spiel der alten Herren lief. Eine gute Idee, direkt vor dem Meisterschaftsspiel der ersten Mannschaft. So genossen ca. 200 Menschen das Gepöhle der grauhaarigen Füchse. Der anschließende kurzfristige Besuch im Fanshop kann als insgesamt ernüchternd beschrieben werden, im Bereich Merchandising ist Portugal so weit von Deutschland entfernt, wie die Erde vom Mond. Neben wenigen Fanartikeln wie einem Fanschal gab es das Trikot der Fa. Hummel ebenfalls nur in einer teuren abgeschwächten Replika-Version.

Das anschließende Spiel ist schnell zusammengefasst. Nacional war dem Gast aus der Hauptstadt derart unterlegen, dass es fast keinen Spass gemacht hat und das Spiel an ein Pokalspiel erinnerte. Der mit zahlreichen Stars und Nationalspielern gespickte Gast aus Lissabon gewann 4:0 und konnte sich von den vielen mitgereisten Fans feiern lassen. Ich gehe allerdings davon aus, dass ein Großteil der Sporting-Fans ebenfalls aus Madeira kam, da die 1000-km Reise zuvor auf der Sporting-Homepage im Paket (Karte und Flug) für teure 300 Euro angeboten wurde. Und da von den insgesamt 4500 Zuschauern bestimmt 3000 Menschen die Grün-Weißen von Sporting unterstützten, kam beim spärlich anwesenden Heimanhang keine Stimmung auf.

Ich möchte meinen Besuch bei Nacional mit 3 Bemerkungen abschließen. Da sich hinter beiden Toren keine Tribünen befinden, kann man bei gutem Wetter während des Spiels den Atlantik sehen. Mit einem gleichzeitigen Sonnenuntergang kommt definitiv eine gewisse Romantik bei dem rot schillernden Himmel auf. Ich hoffe weiterhin darauf, dass sich Sporting einen neuen Co-Sponsor beschafft. Der Name SUPER BOCK (Brauerei) über jedem Spielernamen hat schon eine gewisse Komik und würde in Deutschland nur für einen gewissen Timo Moschner gelten. Und bitte übernehmt in Deutschland den portugiesischen Snack während des Spiels. Ein frisch gebackenes Brot (Bolo do Caco) mit Füllung nach Wahl, ein Genuss!!!

Schon einen Tag später, und zwar Sonntags, ging es zum Spiel CS Maritimo gegen den Europa-League-Finalisten von 2011, den SC Braga aus Nordportugal. Bei Maritimo handelt es sich um den beliebtesten Club der Insel, das Team der Fischer und Arbeiter. Das Spiel wurde um 19.15 Uhr im Estadio dos Barreiros angepfiffen. Hierzu ist zu sagen, dass es sich bei dem „O Caldeirao“ (deutsch „der Kessel“) mehr oder weniger um ein Innenstadtstadion handelt, welches gut erreichbar ist. Das Gut bezieht sich in diesem Fall auf die eigenen Füße, ein Taxi oder den Bus. Parkplätze sind so gut wie nicht vorhanden. Das Stadion befindet sich zur Zeit im Umbau, aus einer Schüssel mit Laufbahn wurde ein reines Fußballstadion mit Überdachung gezaubert. Lediglich die Tribüne mit den VIP-Logen ist derzeit noch nicht fertiggestellt. Laut Wikipedia sollte es 2015 soweit sein, wir wissen alle, dass das nichts mehr wird. Wenn es fertig ist, soll es 10.000 Plätze haben.

Nach Ankunft wurde zunächst der Fanshop aufgesucht, diesmal war es Ausrüster Nike, der nichts besonderes bot (man siehe meine Ausführungen zum Nacional-Fanshop). Wenigstens gab es aufgrund des andauernden Valentins-Tages einen Maritimo-Schal zum Kampfpreis von 2 Euro. Das anschließende Spiel war auf der einen Seite absolut unterhaltsam, aber leider auch bedrückend und ein wenig traurig. Zunächst möchte ich den Stadionsprecher hervorheben. Ein absoluter Meister seines Faches, totaler Fan und Motivator. Er stand mit Schal und DJ-Mischpult vor der Tribüne und hat alles selbst gemacht. Chapeau!!!

Die wenigen Ultra-Fans waren ebenfalls sehr stimmgewaltig, aber noch ein wenig musikalischer als andere. Während des Spieles wurde ein eindringliches Fanlied mit Trompeten- und Gitarrenuntermalung gesungen.

Das Spiel war ebenfalls sehr gut und bot letztlich alles. 4 Tore, eine Rote Karte für die Gastgeber, einen daraus resultierenden Foulelfmeter, Torwartwechsel wegen Verletzung, skandalöse Schiedsrichterentscheidungen und mehrere ungeahndete Becherwürfe (voll) auf den Linienrichter. Mit anderen Worten, am Ende stand ein 3:1 für die Gäste aus Braga. Dies hat nicht allen Fans während des Spiels gefallen, da die 10 Auswärtsfans aus Braga während des Spiels von augenscheinlichen Normalbürgern angegriffen und vermöbelt wurden.

Der traurige Aspekt war ein älterer Herr, der leicht versetzt ca. 10 Reihen hinter mir saß. Er hatte während des Spiels offensichtlich einen Herzinfarkt. Ich befürchte, dass die lange Herzmassage und der donnernde Applaus bei Abtransport nichts mehr gebracht haben. Trotzdem wünsche ich alles Gute…

Obrigado für wirklich schöne Tage, am Mittwoch gehts weiter nach Lissabon….STAY TUNED….