Die Legenden von „David gegen Goliath“ oder dem kleinen gallischen Dorf inmitten der römischen Besatzungszone stehen sinnbildlich für das speziell im Fußball äußerst beliebte Duell „Klein gegen Groß“!

Im Fall der vergangenen UEFA Europa League-Saison fiel die angesagte Rolle des Underdogs auf den amtierenden luxemburgischen Meister F91 Dudelange!

Die Mannschaft aus dem luxemburgisch-französischen Grenzgebiet hat in der Saison 2018/2019 in beeindruckender Art und Weise für Furore gesorgt…und das zu einem Zeitpunkt, als man nicht unbedingt mehr auf ein europäisches Abenteuer hoffen durfte!

Nach dem insgesamt 14. Meistertitel zum Ende der Saison 2017/2018 startete man voller Euphorie in der 1. Qualifikationsrunde zur UEFA Champions League mit einem Duell gegen den ungarischen Meister MOL Vidi FC aus der „Zungenbrecherstadt“ Székesfehérvár…nach zwei Spielen und einem 2:3 in Addition war das Europa-Abenteuer aber schon vorbei, bevor es richtig beginnen konnte!

Zum Glück gab es aufgrund einer Neuerung der UEFA noch eine zweite Chance. Die Verlierer der ersten Champions-League-Qualifikationsrunde durften fortan in der 2. Runde der Qualifikation zur UEFA Europa League starten. Zugegeben, für ein Team aus dem kleinen Luxemburg immer noch ein ganz weiter Weg bis zur Gruppenphase…mit starken und normal nicht zu bezwingenden Gegnern!

Nach einem mühevollen 3:2 (2:1, 1:1) gegen den noch etwas kleineren kosovarischen Fußball-Zwerg KF Drita Gjilan traf man in der 3. Runde auf den polnischen Meister Legia Warschau. Hier siegte man durchaus überraschend mit 4:3 (2:1, 2:2) und stand plötzlich und unerwartet in der Play-Off-Runde zur Gruppenphase…also noch zwei Spiele bis zur Ewigkeit und dem größten Erfolg eines luxemburgischen Teams aller Zeiten….irgendwie nur dumm, dass nun der rumänische Meister CFR 1907 Cluj wartete, der mit geschlossenen Augen einfach nur schnell weiterkommen wollte! 

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Die Luxemburger machten zwei überragende Spiele, siegten mit 2:0 und 3:2 und sorgten beim etwas arroganten Gegner für großes Kopfschütteln!

Das Team des deutschen Trainers Dino Toppmöller hatte das Unmögliche tatsächlich möglich gemacht…nie zuvor hat ein Verein aus dem Großherzogtum Luxemburg die Gruppenphase eines europäischen Pokalwettbewerbs erreicht…dazu gewann man den exklusiven Titel der kleinsten Europa-League-Stadt…der Ort Dudelange besitzt „nur“ gut 20.000 Einwohner!

Trotz der recht überschaubaren Grösse kommt der Ort aber sehr charmant rüber und dürfte aufgrund seiner drei Namen bei dem einen oder anderen Auswärtsfan für Verwirrung im Navigationsgerät sorgen. Da in Luxemburg drei Amtssprachen existieren, haben Stadt und Verein natürlich auch drei offizielle Namen! Neben der französischen Variante Dudelange gibts natürlich den luxemburgischen Namen Diddeleng sowie die deutsche Schreibweise Düdelingen!

In der Gruppenphase der UEFA Europa League war das Märchen leider aber auch schnell wieder vorbei…sechs Spiele gegen die arrivierten Gegner Real Betis Balompié (besser bekannt als Betis Sevilla), AC Milan und Olympiakos Piräus können mit einem Wort zusammengefasst werden: „Lehrgeld“…5 Niederlagen bei 3:16 Toren sprechen eine deutliche Sprache. Trotz der mageren, aber auch zu erwartenden Ausbeute sorgte die Mannschaft im letzten Spiel für eine faustdicke Überraschung…das torlose Remis gegen Betis kann mit Fug und Recht als Happy-End einer fantastischen Europapokal-Saison bezeichnet werden!

Mich hat diese kurze Geschichte über Außenseiter im großen europäischen Fußball jedenfalls derartig gepackt, dass die luxemburgische Station bei UEFA55 nur Dudelange heißen konnte!

In der luxemburgischen BGL Ligue nehmen 14 Mannschaften am Spielbetrieb teil…bei insgesamt 600.000 Luxemburgern eine vergleichsweise hohe Teamanzahl. Ich stelle mir gerade vor, dass die Stadt Essen ähnlich vorgeht und 14 halbprofessionelle Teams ins Rennen um die Meisterschaft schickt!

Trotz dieser hohen Teamanzahl stechen vier Teams ein wenig heraus…die Mannschaften von Progres Niederkorn, CS Fola Esch, Rekordmeister Jeunesse Esch und eben F91 Dudelange dominieren seit Jahren den einheimischen Fußball!

Für mich stand an diesem angenehmen März-Nachmittag eine echte Spitzenpartie auf dem Programm. Das Duell zwischen dem Dritten und dem Ersten führte mit F91 und Fola Esch zwei Mannschaften zusammen, die den luxemburgischen Meistertitel bis zur Saison 2018/2019 untereinander aufteilten. Auch wenn das Verhältnis mit 6:2 Meistertiteln zu Gunsten von F91 nicht ganz ausgewogen ist!

Obwohl sich die Mannschaft von F91 auf ihrer Facebook-Seite als Amateurmannschaft bezeichnet, dürften professionelle Strukturen vorhanden sein. Das erschließt sich allein aus dem finanziellen Engagement des allgegenwärtigen Sponsors und Mäzen, dem luxemburgischen Milliardär Flavio Becca, der unlängst auch den „benachbarten“ deutschen Traditionsverein 1. FC Kaiserslautern mit dringend benötigtem Bargeld versorgt.

Neben dem ehemaligen Profi Dino Toppmöller auf der Trainerbank standen mit dem 27fachen georgischen Nationalspieler Levan Kenia (ehemals FC Schalke 04), dem ehemaligen Sandhäuser Zweitligaprofi Dominik Stolz und dem Castrop-Rauxeler Marc-André Kruska (98 Bundesligaspiele für Borussia Dortmund) gestandene Profis im Kader! Zudem schnürten fünf aktuelle Nationalspieler Luxemburgs ihre bunten Fußballschuhe für F91…Spieler wie Stürmer David Turpel, die mit ihrem Nationalteam in den letzten Jahren mehrfach gute Ergebnisse erreichten (z.B. 0:0 beim späteren Weltmeister Frankreich).

Vor knapp 1000 Zuschauern endete das Spiel nach der frühen Fola-Führung durch Corral (3.) und dem schnellen Ausgleich des jungen und äußerst interessanten Stürmers Danel Sinani (15.) unentschieden 1:1 (1:1). Ein insgesamt flottes und interessantes Spiel auf einer gemütlichen Anlage…das Jos-Nosbaum-Stadion mit einem Fassungsvermögen von 4.500 Zuschauern ist eine Mischung aus Bezirkssportanlage und einem kleinen Hexenkessel! Aber auch das Spielniveau konnte sich durchaus sehen lassen…ich würde es im Vergleich zu Deutschland irgendwo zwischen gehobenen Regionalliga-Ansprüchen und einem durchschnittlichen Drittligisten einordnen.

Mit dem insgesamt gerechten Remis endete ein Spiel, in dem die Gastgeber von F91 speziell in der Schlussphase mit zwei Lattentreffern sehr viel Pech besaßen. Die Fola-Mannschaft des ehemaligen Lauterer Trainers Jeff Strasser blieb mit dem Remis Tabellenführer der BGL Ligue und war weiterhin auf Meisterschaftskurs!

Hier liegt die Betonung ganz klar auf dem Wörtchen „war“. Obwohl sich bei F91 am Saisonende speziell im Kader einiges änderte, so hatte eine Sache weiterhin Bestand…der F91 Dudelange holte erneut den Meistertitel und baute seine Führung gegenüber CS Fola Esch auf 7:2 aus. Ein gelungener Abschluss für Trainer Dino Toppmöller, der den nächsten Schritt gehen wollte und mittlerweile den belgischen Zweitligisten Royal Excelsior Virton trainiert. Auch für den Castroper Marc-André Kruska war der Meistertitel ein schöner Abschied vom „aktiven“ Profifussball…nochmal Landesmeister und fortan bereit für das neue Leben beim Landesligisten FC Frohlinde bzw. als neuer Jugendtrainer bei meinem VfL Bochum 1848.

Das Erlebnis des Tages war aber das Treffen mit Klaus Toppmöller, der seinen Sohn und F91-Trainer Dino Toppmöller unter die Lupe nehmen wollte!

Der offizielle „Legenden-Trainer“ des VfL Bochum 1848 sorgte im Jahr 1997 für die erste Europapokal-Teilnahme der Mannschaft von der Castroper Straße! Sein Konterfei befindet sich auf einer Säule unterhalb des Stadioncenters!

Zum Abschluss noch zwei Kuriositäten…leider konnte ich im kleinen Fanshop diesmal keinen Fan-Schal erwerben…nach dem Europapokal-Abenteuer griffen Fans aus der ganzen Welt zu…der Fanartikel ist bis auf weiteres vergriffen. Das nennt man wohl Verein von Welt!

Die Sicherheitsbestimmungen werden in luxemburgischen Stadien offensichtlich etwas lockerer genommen. Wo sonst kann die aktive Fanszene auf der Tribüne beim Ansingen auf einen gut gekühlten Kasten Bier zurückgreifen? Prost!

Das war UEFA 55 in Luxemburg…es geht immer weiter…versprochen!

STAY TUNED!