Über die Osterfeiertage 2017 ging es mit Kind und Kegel in einen Kurzurlaub an die spanische Costa Blanca. Hier standen für meine beiden Mitreisenden folgende Freizeitaktivitäten ganz klar im Vordergrund: Relaxen, Sonne, Meer und Pool! Kann ich den beiden nicht einmal verdenken, Reisen an die Costa Blanca sind nun einmal genau auf Entspannung ausgelegt.

Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich mit diesem Umstand nicht ganz zufrieden geben konnte. Für mich ist es eher Tortur als Erholung, den ganzen Tag in der prallen Sonne zu schmoren und mich hierbei wie ein halbes Hähnchen im Grillwagen zu fühlen. Ein Kompromiss musste schnellstens gefunden werden!

Zu meinem Glück lief die Saison 2016/2017 im spanischen Vereinsfussball noch. Nach den Erfolgen der spanischen Nationalmannschaft bei den zurückliegenden Europa- und Weltmeisterschaften kann der ja nicht ganz so schlecht sein.

Bei den Vorbereitungen bzw. der Spielplansichtung musste ich zunächst feststellen, dass ich in Sachen spanischer Geographie sicher noch ein wenig Luft nach oben habe. Dies galt auch für das spanische Ligensystem, welches für ein recht großes europäisches Land mit viel Fußballtradition und vor allem Fußballbegeisterung doch recht angestaubt wirkt.

Bei dem Oberbegriff „Fußball in Spanien“ denkt jeder fußballinteressierte Mensch zunächst einmal an die großen und vor allem erfolgreichen Clubs wie Real Madrid, FC Barcelona, Atletico Madrid oder auch den FC Sevilla. Alles Vereine, die in den letzten Jahren viele wichtige Wettbewerbe wie die UEFA Champions-League oder die UEFA Europa-League gewinnen konnten und weltweit über eine unfassbar große Fan-Community verfügen. Dazu kommen Weltstars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Antoine Griezmann, die der Liga einen gewissen Glanz verleihen. Fertig ist das perfekte „Produkt“ mit dem Namen „La Liga“. Allein dieser Name hört sich schon nach Rioja-Wein, Tapas und spanischer Lebensfreude an.

Ist „La Liga“ jetzt aber auch die beste Liga der Welt? Oder sind berechtigte Zweifel angebracht, wenn man sich das gesamte System einmal genauer anschaut?

Die 1. Liga, auch „La Liga 1“ genannt, ist mit Sicherheit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen die bereits genannten Schwergewichte, die trotz erheblicher Schuldenberge über nicht endende finanzielle Mittel verfügen und diese zu Beginn jeder Saison auch investieren können. Demgegenüber stehen kleinere Vereine und Fahrstuhlmannschaften wie Levante, Gijon oder Granada, die ebenfalls finanzielle Probleme besitzen, aber kurioserweise keine neuen Geldquellen erschließen können. Die genannten kleineren Vereine sind den Großen in der 1. Liga teilweise so unterlegen, dass es im direkten Vergleich nicht selten zu deftigen Niederlagen kommt. Beispielhaft sind hier Gijons´s 0:5-Niederlagen gegen Atletico Madrid und Barcelona sowie Granadas 1:7 bei Atletico Madrid aus der Saison 2016/2017.

Aber auch die 2. und 3.Liga sind für ein Land wie Spanien mit Sicherheit nur bedingt zukunftsfähig aufgestellt. Im Gegensatz zu Nationen wie Deutschland und England, die über drei bzw. vier professionelle Fußballligen verfügen, habe ich in Spanien schon bei den Kellerkindern der zweiten Liga so meine Zweifel.

Denn in der zweithöchsten Spielklasse Spaniens ist es durchaus üblich, dass die Nachwuchsmannschaften bzw. zweiten Teams der großen Erstligateams dort mitspielen. So kann es zu einem Duell mit der zweiten Mannschaft des FC Barcelona kommen, die aber natürlich nicht in die 1.Liga aufsteigen kann. Für die zweithöchste Spielklasse einer großen Fußballnation finde ich das eher peinlich. Zudem denke ich, daß der  Modus für die dritthöchste Spielklasse Spaniens, der „Segunda B bzw. „La Liga 3“ ebenfalls äußerst grenzwertig ist. Die 3.Liga Spaniens besteht nämlich aus 80 Mannschaften, aufgeteilt in vier regionale Gruppen. Nach 38 Spielen gehen die jeweils vier erstplatzierten Teams jeder Gruppe, also auch die Meister, in eine umfangreiche Relegation. Hier spielen zunächst die vier Meister zwei direkte Aufsteiger aus, dann spielen die zwölf Mannschaften auf den Plätzen 2-4 eine „Vor“-Relegation aus, bei welcher naturgemäß sechs Mannschaften übrig bleiben. Zu diesen „Gewinnern“ kommen die zwei Verlierer der „Meisterrunde“ und man spielt nochmal gegeneinander. Die verbliebenen acht Mannschaften spielen die letzten zwei Aufsteiger aus. Diese Monster-Relegation dauert übrigens an und endet erst am 25.06.2017. Das nennt man dann wohl Saison in der Saison und würde hier in Deutschland wohl nur mit erheblichen Zahnschmerzen angenommen werden.

Bereits vor der Landung am Airport „Alicante/Elche“ lotete ich meine Möglichkeiten aus, ein spanisches Fußballspiel der ersten drei Ligen zu sehen. Hier galt das Motto, „umso höher desto besser“! Leider bietet die gerade bei Deutschen und Briten beliebte Urlaubsregion an der Costa Blanca zur Zeit keinen spanischen Erstliga-Fußball an. Für den nächsten Erstliga-Ground muss man sich 170 km in Richtung Norden begeben, wo mit dem FC Valencia allerdings ein absoluter Traditionsverein wartet. Zudem eine schöne Fahrt über die mautpflichtige Küstenautobahn AP7, wahlweise die kostenfreie A7 durch die Berge.

Ich widmete mich bei diesem Aufenthalt jedenfalls ganz dem spanischen Zweitliga-Fußball, aufgrund des Spielplans sogar in doppelter Ausführung.

Zunächst ging es Samstags zur besten Anstoßzeit um 16.00 Uhr zum Estadio Martinez Valero des Erstliga-Absteigers CF Elche. Dort spielten die „Franjiverdes“, die Grüngestreiften, am 34. Spieltag der La Liga 2 gegen die Mannschaft von CD Numancia de Soria, auch ein ehemaliger Erstligist.

Der Star des hoch verschuldeten Vereines, welcher zum Ende der Saison 2015/2016 nur aufgrund finanzieller Verbindlichkeiten aus der ersten Liga verbannt wurde, ist mit Sicherheit das Stadion. Das Estadio Martinez Valero mit einem Fassungsvermögen von 36.000 Zuschauern ist ein großer grauer Betonklotz aus den 70er-Jahren, welcher für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 1982 erbaut wurde. In dem Stadion fanden drei Gruppenspiele der Gruppe 3 mit den Mannschaften aus Ungarn, El Salvador und Belgien statt. Der Kracher dürfte damals das Spiel zwischen Ungarn und El Salvador gewesen sein, als die Magyaren das Team aus Mittelamerika mit 10:1 recht torreich abfertigten. Selbst ein spanisches Pokalendspiel fand schon im „Martinez Valero“ statt. In der Saison 2002/2003 gewann der RCD Mallorca durch ein 3:0 gegen Recreativo Huelva die „Copa del Rey“. Gerade weil an dem Stadion augenscheinlich seit zwei Jahrzehnten nichts mehr renoviert oder verbessert wurde, wirkte es von außen irgendwie erschlagend und ein wenig monumental. Das Innere des Stadions zeigte sich mit seinem Unter- und Oberrang allerdings weitaus gepflegter und in einem guten Zustand. Trotzdem wäre es für Deutschland unbrauchbar, es besitzt kein Dach.

In dem anschließenden Spiel gegen CD Numancia fielen zunächst die spärlich besetzten Ränge auf. Lediglich 5745 Zuschauern verloren sich im weiten „Rund“ des Stadions, ein „harter“ Kern von Heimfans war zudem gar nicht erkennbar. Weiterhin war es auffällig, dass die wenigen Gesänge der einheimischen Fans von englischen Elche-Supportern ausgingen, vermutlich Dauer-Urlauber aus Benidorm, die nicht auf Fußball verzichten können.

Das Spiel hätte auch nicht unbedingt mehr Zuschauer verdient, die im Mittelfeld der Tabelle platzierten Mannschaften boten ohne Druck das perfekte Beispiel für Sommerfußball. Die Akteure beider Teams machten einen technisch gut ausgebildeten Eindruck, zumindest dann, wenn man Kombinationsspiel über die Flügel punktuell anbot. In diesem Spiel entschlossen sich beide Mannschaften aber eher dazu, mit „Kick and Rush“ zu agieren. Lange und hohe Bälle erinnerten definitiv an die britische Insel, vielleicht war genau dieser Spielstil aber auch aufgrund der anwesenden britischen Fans gewünscht.

Die Mannschaft aus Numancia war an diesem Tag das etwas bessere Team und entführte die Punkte mit einem am Ende verdienten 3:1 (1:0)-Sieg aus dem Stadion Martinez Valero. Die knapp 15 mitgereisten Anhänger aus dem gut 600 km entfernten Numancia zeigten sich jedenfalls überaus beglückt.

Das kulinarische Highlight des Spieltages in Elche war übrigens ein Baguette mit frisch gebratenem Hähnchenfleisch, Salat und einem eiskalten Estrella-Bier. Und das für den Selbstkostenpreis von 5 Euro. Erstklassig!

Am Sonntag ging es dann weiter nach Murcia, der in Spanien komplett gepflückte Spielplan machte es möglich. Zu Gunsten der Pay-TV-Sender finden die Spiele von Samstag bis Montag nahezu einzeln hintereinander statt. Diese Anstoßzeiten würden in Deutschland vermutlich Guerilla-Aktionen der von mir öfter angesprochenen Initiative „Pro 1530“ hervorrufen.

So ging es Sonntags auf die Autobahn in Richtung Murcia, die Großstadt mit ihren 441.000 Zuschauen liegt bereits im Landesinneren, eine knappe Autostunde von der Küste entfernt. Bei dem Namen Murcia fällt vielen Fans natürlich erstmal der Name Real Murcia ein. Eine Mannschaft, die lange Jahre erstklassig agierte und viele bekannte Spieler und Trainer beschäftigte. Dabei handelte es sich unter anderem um den deutschen Torhüter Andreas Reinke und den walisischen Trainer John Toshack. Leider schlugen auch hier die bereits angesprochenen finanziellen Probleme durch, der Club spielt mittlerweile in der 3.Liga. Obwohl alles auf den Wiederaufstieg ausgerichtet ist und sogar ein neues modernes Stadion mit einem Fassungsvermögen von 31.000 Zuschauern errichtet wurde, hat es aufgrund des beschriebenen wahnsinnigen Aufstiegsmodus bislang nicht gereicht. Auch dieses Jahr scheiterte man spät in der Relegation.

Das Scheitern des „Großen“ ist aber auch immer eine Chance des kleineren Vereines in der Stadt. Das Team von UCAM Murcia CF (Universidad Católica de Murcia Club de Fútbol), ein Studententeam der örtlichen katholischen Universität, wurde erst 1999 gegründet und stieg zur Saison 2015/2016 in die 2. Liga auf. Die Studenten haben einfach das alte Stadion des ehemaligen Stadtrivalen im Stadtzentrum übernommen und spielten zum Zeitpunkt meines Besuches trotz der vorhandenen Abstiegsgefahr eine recht gute Saison. Die Arena „La Condomina“ ist ein klassisches Innenstadtstadion mit all seinen Vor- und Nachteilen. Bedeutete für mich konkret, dass ich arge Probleme hatte, meinen Mietwagen zu parken, aber auch wirklich leckere Tapas in den unzähligen Bars rund ums Stadion genießen durfte. Das Stadion mit einem Fassungsvermögen von 6500 Zuschauern besitzt eine überdachte Haupttribüne, die restlichen Plätze waren mehr oder weniger sonnenüberflutet.

Das erste kleine, aber lustige Missverständnis gab es an der Stadionkasse. Meine Frage nach dem Eintrittspreis wurde mit dem englischen Wort „Fifty“ gekontert. Ich war erstaunt und fragte auch „Fifty“? Sollte das der Preis für einen aufstrebenden Verein in der 2. spanischen Liga sein? Nachdem das Wort von der Verkäuferin und mir noch gefühlte dreimal wiederholt wurde, mischte sich eine Kollegin ein und sagte das Wort „Fifteen“. Ich war beruhigt und zahlte.

Das anschließende Spiel zwischen UCAM und Rayo Vallecano bot zwei völlig verschiedene Teammodelle auf. Die Heimmannschaft bestand aus jungen, hungrigen und zumeist einheimischen Spielern. Hier verfolgt die Universität Murcia offenbar eine Idee nach dem amerikanischen Vorbild eines College-Teams. Der langjährige Erstligist aus der Vorstadt Madrids setzte eher auf Erfahrung und Legionäre. Hierbei handelte es sich zum Beispiel um den ehemaligen Hertha-BSC-Spieler Patrick Ebert (30), der die linke Außenbahn von Rayo beackerte. Aber auch die weiteren Legionäre wie Manucho (ehemals Manchester United) oder der Rumäne Rat (ehemals FC Shakhtar Donezk) gehen schon stark auf die 40 zu.

In einem insgesamt sehr guten Spiel, welches Ostersonntags um 18 Uhr angepfiffen wurde, sah es lange so aus, als würde sich die Spielidee Murcia´s eher durchsetzen. Die Mannschaft der Universität war über die 90 Minuten hoch überlegen, hatte Chancen in Hülle und Fülle, machte das Tor aber einfach nicht. Deshalb ließen sich die alten Rayo-Herren bei einer ihrer wenigen Chancen nicht lange bitten, der ehemalige Cardiff-City-Spieler Guerra (35) köpfte nach einem Ebert-Freistoß ein und sorgte für einen glücklichen Auswärtssieg.

Zwei insgesamt nette Fußball-Erlebnisse ohne viel Stress, das nennt man wohl iberische Gelassenheit. Leider konnte ich beiden Heimteams kein Glück mitbringen. Am Ende der Saison stiegen beide Mannschaften in die 3. Liga ab. Die Jungs aus Elche gewannen mehr oder weniger nichts mehr, wurden durchgereicht und stiegen bereits am vorletzten Spieltag durch ein 1:2 in Cadiz ab. Für UCAM war es richtig dramatisch. Vor dem letzten Spieltag stand man über dem Strich und spielte am letzten Spieltag bei der bereits geretteten Mannschaft von Gimnastik Tarragona. Dieses Spiel verlor man durch ein Gegentor in der 90. Minute mit 0:1 und musste zudem feststellen, dass nahezu alle Konkurrenten gewannen und den Klassenerhalt damit sichern konnten. Bitterer kann man nicht absteigen. Alles Gute für die neue Saison!

Stay tuned! Muchas gracias!