Im März 2018 bestand meine „Road to Lyon“ bereits aus insgesamt 12 kräftezehrenden Spielen! Langsam aber sicher steckten die vielen kurzfristig aufeinanderfolgenden Europapokal-Reisen so richtig in meinen Knochen! Ich konnte die damit verbundene Müdigkeit bzw. die ersten Erschöpfungssymptome nicht mehr verleugnen und verspürte auch keine große Lust mehr auf die kommenden Runden meiner „Tour de Europe“!

Ok, Scherz beiseite, jetzt ging es doch erst so richtig los! Natürlich war ich hochmotiviert und richtig heiß auf die kommenden Wochen, in welchen wichtige Spiele im Achtel-, Viertel und Halbfinale auf dem Programm stehen sollten! Das absolute Ziel, meine persönliche „Road to Lyon“ am 16.05.2018 in Frankreich abzuschließen, war immer noch griffbereit!

Für das Achtelfinale der UEFA Europa League 2017/2018 sollte es mit der spanischen Hauptstadt Madrid mal wieder eine richtige Fußballstadt sein. Aber ist die Metropole mit ihren rund 3,2 Millionen Einwohnern vielleicht noch ein wenig mehr als „nur“ eine Fußballstadt? Wenn man es aus dem Blickwinkel des Erfolgs sieht, ist die drittgrößte Stadt der Europäischen Union momentan das Epizentrum des kontinentalen Vereinsfussballs. In Madrid sind nicht nur fünf aktuelle Erstligisten der vermeintlich besten Liga der Welt beheimatet, sie besitzt mit den beiden großen Clubs Atletico de Madrid und Real Madrid CF auch die zur Zeit erfolgreichsten Clubs Europas. Zu diesem Schluss muss man letztlich kommen, wenn man die zurückliegenden Erfolge der jüngeren Geschichte einmal Revue passieren lässt.

Der Real Madrid Club de Futbol ist so etwas wie eine Mischung aus aus Bayern München, Manchester United und dem AC Mailand. Nur irgendwie erfolgreicher.

Der im Jahr 1902 gegründete Verein aus dem wohlhabenden Norden Madrids besitzt seine Wurzeln in adeligen Kreisen und bezieht seine Anhänger nach wie vor aus dem Bereich der Mittel- und Oberschicht. Allein aufgrund des Beinamens „Die Königlichen“ ist auch der letzte Fußballmuffel in der Lage, den hohen Stellenwert des Vereins in Europas Fußball-Belletage vernünftig einzuschätzen. Dazu kommt bei Real Madrid CF die Auswahl einer doch eher speziellen (Heim-) Trikotfarbe. Die Mannschaft tritt im heimischen Estadio Bernabeu in blütenweißen Trikots, Hosen und Stutzen auf. Was bei einem lockeren Sieg und fehlender Verschmutzung der Spielkleidung zuerst einmal äußerst arrogant und überheblich wirkt, ist seit Vereinsgründung aber auch pure Tradition. Zu diesem Zeitpunkt konnte sicherlich niemand ahnen, wie erfolgreich man werden sollte.

Das „weiße Ballett“ sammelte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine enorme Anzahl von nationalen und vor allem internationalen Titeln. Allein aufgrund der Tatsache, dass man insgesamt 13mal den Europapokal der Landesmeister (UEFA Champions League) gewinnen konnte, ist man der erfolgreichste Verein Europas. Gerade in der jüngeren Vergangenheit konnte man die UEFA Champions League insgesamt viermal gewinnen (Saison 2013/2014, ab der Saison 2015/2016 dreimal in Folge). Diesbezüglich ist Real Madrid CF der erste Verein überhaupt, der seinen Königsklassen-Titel verteidigen konnte und zur Zeit eine Art Monopol in der europäischen Fußballwelt einnimmt.

Aufgrund dieser doch recht explosiven Mischung aus unfassbarem Erfolg, einem überaus stark ausgeprägten Selbstbewusstsein und einer dadurch vorhandenen gelebten Arroganz polarisiert der Club in Fankreisen sicher mehr als andere „vergleichbare“ Teams. Kurzum, man liebt oder hasst die „Königlichen“.

Da ich mit Hass äußerst wenig anfangen kann und grundsätzlich nur meinen Heimatverein VfL Bochum 1848 liebe, war ich einem Besuch des „Estadio Bernabeu“, der sagenumwobenen Heimat des Real Madrid CF, mehr als aufgeschlossen.

Obwohl ich vor 8 Jahren schon einmal die exklusive Gelegenheit erhielt, das Stadion anlässlich des UEFA Champions League-Finalspieles zwischen Inter Mailand und dem FC Bayern München im Spielbetrieb zu besuchen, ist eine ruhige Stadion-Tour nicht minder interessant.

Die Tour ist bei Real im Vergleich mit anderen Stadiontouren auf den ersten Blick zwar unverschämt teuer, aber auch tatsächlich eine Wucht! Die 25 Euro Eintritt, die zunächst einmal leichte Bauschmerzen verursachten, waren mit Sicherheit gut angelegt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen, bei welchen man in großen Personengruppen von einem „Guide“ durch die zumeist heiligen Hallen geführt wird, kann man das Estadio Bernabeu auf eigene Faust erkunden. In einem Rundkurs mit vielen Verweilmöglichkeiten und Cafés kriegt man alle wichtigen Einrichtungen (Ober- und Unterrang der Tribüne, Trainerbank, charakteristischer Spielertunnel, Heim- und Auswärtskabine, Presseraum) zu sehen. Dazu gibts mit dem Real Madrid-Museum eine imposante Mischung aus Multi-Media-Präsentation, einer großen Sammlung von Trikots und Devotionalien aus der Vergangenheit des Clubs und jede Menge Pokale, goldene Schuhe und Erinnerungsstücke. Allein die Präsentation der gewonnenen Europapokale der Landesmeister mit „goldenem Regen“ ist das Eintrittsgeld wert. Man hat den Eindruck, dass dieser Erfolg „räumlich“ gar nicht mehr zu stemmen ist. Warum sonst muss der frisch gewonnene Weltpokal der Klub-Weltmeisterschaft 2017 in einem schnöden Durchgang sein Dasein fristen? Kurz vor Ende meiner knapp 2stündigen Tour ging es dann noch in den Nachbau eines Mannschaftsbusses, wo die Ankunft der Real-Mannschaft am Estadio Bernabeu anlässlich eines wichtigen Europapokalspieles gegen den FC Bayern simuliert wird. Hierzu kann ich nur eines sagen: Welcher Spieler nach so einem in der Realität erlebten Wahnsinn nicht bis in die Haarspitzen motiviert ist, dem kann kein Trainer auf dieser Welt mehr helfen.

Insgesamt ein sehr interessanter und aufschlussreicher Besuch des Estadio Bernabeu, welches mit Sicherheit in die Kategorie „Fußball-Kathedralen Europas“ gehört. Ich kann nun verstehen, warum dieser Verein für viele gute Spieler auf dieser Welt das Nonplusultra darstellt, auch wenn gut dotierte Verträge bei „vergleichbaren“ Clubs bestehen. Die vielen Erfolge des Clubs, das traditionsreiche Stadion mit einem Fassungsvermögen von knapp 82.000 Zuschauern und die direkte Umgebung mit vielen Tavernen, Restaurants und Taps-Bars nötigen mir eine gehörige Portion Respekt ab. Auch wenn ich nie ein übermäßig großer Fan dieses Clubs werde, ziehe ich trotzdem meinen Hut vor diesem erfolgreichen, traditionsreichen und vor allem traditionsbewussten Verein. Vielleicht lassen es die Madrilenen auch mal wieder zu, dass jemand anderes die Königsklasse gewinnt! Wäre ein feiner Zug!

„Nächster Tag, neuer Verein“ hieß das Motto an meinem zweiten Tag in der spanischen Hauptstadt. Diesmal gehörte meine gesamte Aufmerksamkeit dem ewigen Stadtrivalen von Real Madrid, dem Club Atletico de Madrid.

Die „Rojiblancos“ mit ihren rot-weiß-längsgestreiften Shirts sind auf den ersten Blick das perfekte Gegenstück zum ungeliebten Stadtrivalen. Zumindest erfüllen sie zunächst einmal alle Klischees. Der Verein wurde nur geringfügig später im Jahre 1903 von baskischen Studenten im sozialschwächeren bzw. volkstümlicheren Süden der Stadt gegründet und gilt als „Arbeiter-Verein“, welcher gerade von vielen Migranten aus Lateinamerika unterstützt wird. Deshalb werden die „Rojiblancos“ auch gerne mal als „Indios“ bezeichnet. Dieser Spitzname ist natürlich auch das perfekte Gegenstück zum gerne genommenen Real-Nicknamen „Vikingos“, welcher in den 1970er-Jahren entstand, als die Königlichen vermehrt auf nordische Spieler mit blonden Haaren setzten.

Soviel zu den Standards, wem jetzt bereits die ersten Tränen eines weltverbessernden Fußball-Romantikers die Wange herunterliefen, den muss ich leider unverzüglich auf den harten Boden des Realität und des damit verbundenen (Fußball-)Kapitalismus zurückholen.

Während Atletico gerade in den 1980- und 1990-Jahren aufgrund des äußerst exzentrischen und skurrilen Mäzens Jesus Gil y Gil den Ruf eines insolventen Skandalvereines besaß, sieht die Sache heute etwas anders aus. Auch wenn man sein Image als Arbeiterverein weiterhin pflegt, dürfte es niemand entgangen sein, dass man mittlerweile in der Liga der Großen mitspielt. Allein ein Blick in die Umsatztabelle der  finanzstarken Clubs verrät, dass Atletico im Jahr 2017 knapp 300 Millionen Euro Umsatz machte und im Ranking auf Platz 13 nur knapp hinter dem deutschen Spitzenclub Borussia Dortmund landete.

Gerade die Investitionen von externen Geldgebern wie der chinesischen „Wanda“-Gruppe sorgten gerade in den letzten Jahren für ein doch recht imposantes „Comeback“. Neben dem spanischen Meistertitel und Pokal (2014 und 2013)  konnte man die UEFA Europa League 2010 und 2012 gewinnen. Dazu gab es 2014 und 2016 zwei Finalteilnahmen in der großen UEFA Champions League, welche aber bezeichnenderweise gegen den Stadtrivalen Real Madrid verloren gingen.

Zumindest eine Sache können die Königlichen von Real Madrid ihrem Stadtrivalen von Atletico nie nehmen. Kein Geringerer als der spanische König Felipe VI selbst ist seit seiner Kindheit glühender Fan der „Rojiblancos“ und wird mit Sicherheit schon das ein oder andere Mal die traditionelle Atletico-Hymne gebrüllt haben.

Ob der König zum Hinspiel des Achtelfinales der UEFA Europa League 2017/2018 live vor Ort war, wurde mir leider nicht überliefert. Dennoch gab es offenbar einen Menschen, der genau wie ich die vorherige Zwischenrunde in Pilsen erleben durfte und in der Doosan-Arena ebenfalls anwesend war. Zugegeben, auf mich hätte man in Tschechien verzichten können, auf den dänischen Schiedsrichter Jakob Kehlet wohl nicht. Der wurde von der UEFA diesmal für das anstehende Duell zwischen Club Atletico de Madrid und dem zu dieser Zeit amtierenden russischen Pokalsieger Lokomotive Moskau angesetzt.

Die Mannschaft des ehemaligen Weltklassespielers Diego Simeone hat ihre alte Heimat, das ruhmreiche Estadio Vicente Calderón im Süden des Stadtzentrums mittlerweile verlassen und spielt seit Beginn der Saison 2017/2018 im vom chinesischen Investor neu erbauten Stadion Wanda Metropolitano! Das im Osten der Stadt befindliche Stadion fasst über 67.000 Zuschauer und wird das Finale der UEFA Champions League 2019 ausrichten! Eine in allen Belangen hochmoderne und luxuriöse Arena mit guten Verkehrswegen! Das bezieht sich in erster Linie auf die An- und Abreise der Fans. Die direkt am Stadion vorhandene Metro-Station ist großräumig und durchdacht konzipiert, an Spieltagen werden die Menschenmassen durch viele Mitarbeiter der Madrider Verkehrsbetriebe auf die einzelnen Bahnsteige gelenkt! Optimal, habe ich so lange nicht mehr erlebt! Es geht auch ohne Gedrängel und überfüllte Züge, wo der Stärkere zumeist gewinnt!

Im Spiel zeigten die aus der Champions League „abgestiegenen“ Rojiblancos äußerst eindrucksvoll, warum sie von Beginn der Finalrunde der große Favorit auf den Titel der UEFA Europa League waren! In einem einseitigen Spiel schlug man die sichtlich überforderten Russen leicht und locker mit 3:0 (1:0)! Vor 42.000 Zuschauern erzielten Saul Niguez (22.), Diego Costa (47.) und Koke (90.) die Tore für die Indios! So konnten die Spieler um Superstar Antoine Griezmann recht gelassen zum Rückspiel ins 4.168 km entfernte Moskau reisen. Dort wurde es nur eine Woche später noch schlimmer für die Russen, als Altstar Fernando Torres (demnächst Sagan Tosu/JP) mit zwei Toren zu einem 5:1-Auswärtssieg seiner Rot-Weißen beitrug.

Für Atletico de Madrid ging die Europa-Reise im Viertelfinale mit zwei Duellen gegen den portugiesischen Kontrahenten Sporting Club de Portugal weiter. Komisch, da war ich dann auch. Mehr dazu im nächsten Blog!

Der insgesamt sehr schöne Fußballabend mit meinem Begleiter Michael Hiller hatte nur einen traurigen Moment. Mit einer Schweigeminute vor Anpfiff gedachten alle Fans dem kurz zuvor verstorbenen italienischen Nationalspieler Davide Astori. Ein Augenblick, der mal wieder zeigte, wie kurz das Leben sein kann. Deshalb sollte man das Beste daraus machen! Jetzt, morgen oder in der Zukunft, man hat schließlich  nur ein Leben! Das sollte man genießen!

Natürlich gab es in Madrid auch wieder mein berüchtigtes Power-Sightseeing. Leider fällt das in der spanischen Hauptstadt etwas spartanischer aus als in vergleichbaren europäischen Hauptstädten. Obwohl die iberische Metropole mit absoluter Sicherheit eine kosmopolitische und pulsierende Weltstadt ist, viele alte interessante Gebäude besitzt und ein überragendes Lifestyle auf dem Ausgeh- und Gourmetsektor aufweist, fehlen doch irgendwie die absoluten Zugpferde der Sehenswürdigkeiten-Industrie. Gerade in meiner Vorbereitung auf diesen Trip fielen mir des öfteren die Schlagworte „Schöne Stadt ohne Sehenswürdigkeiten“ auf.

Ganz so weit würde ich nun nicht gehen, man kann sich durchaus intensiv in der Stadt beschäftigen. Jeder Madrid-Besucher sollte meines Erachtens zuerst den zentralen Platz „Sol“ in der Innenstadt aufsuchen. Ein Ausgangspunkt für die Innenstadt mit vielen Shoppingmöglichkeiten und der wirklich umfangreichen bzw. hervorragenden Restaurant- bzw. Kneipenszene. Bei meiner Ankunft befanden sich übrigens ca. 10.000 Frauen und Mädchen auf dem „Sol“, schließlich war ja Weltfrauentag 2018.

Bei einem gemütlichen Spaziergang und einem hungrigen Magen sollte man an zwei Lokalitäten unbedingt „Halt“ machen. Zunächst wäre da der Mercado San Miguel, eine Markthalle mit einer schier unfassbaren Auswahl an Tapas und anderen Köstlichkeiten. Dazu gibts eine gute Auswahl an Wein und Cocktails, wenn man nicht vorsichtig ist, gibts da ein böses Erwachen. Die zweite Lokalität wirkt dagegen lammfromm, ist meiner Meinung aber in jedem Fall zu besuchen. Die Chocolateria San Gines offeriert seit 1894 die weltbekannten spanischen „Churros“. Hierbei handelt es sich um ein frittiertes Fettgebäck, welches vorzugsweise mit flüssiger Schokolade genossen wird und absolut süchtig macht. Ja, ich weiss, die Weight Watchers wären nicht stolz auf mich, vermutlich genauso wenig wie mein Body-Mass-Index, aber was solls!

Natürlich gibts auch noch Sehenswürdigkeiten, die unbedingt gemacht werden müssen. Neben dem königlichen Palast (Palacio Real), dem Plaza Mayor, dem Plaza de la Villa, der ehemaligen Stierkampfarena am Plaza Las Ventas sind das in erster Linie die Almudena-Kathedrale, der Retiro-Park und der Brunnen am Plaza de Cibeles, an welchem Real Madrid seine Erfolge feiert. Bei der Aufzählung merkt man schon, dass in Madrid in erster Linie historische Gebäude warten. Zudem befinden sich in der Stadt viele Museen (Museo del Prado), welche kulturell interessierten Menschen Kunstsammlungen der Weltklasse anbieten.

Das war Madrid auf meiner „Road to Lyon“ im Jahr 2018. Insgesamt geht der Daumen für diesen Citytrip ganz klar nach oben, es hat richtig Spass gemacht!

In Kürze gehts weiter mit dem Viertelfinale 2017/2018 und der zweiten Hauptstadt der iberischen Halbinsel. Danke fürs Lesen, bleibt auf Empfang!

STAY TUNED!