Das Meisterrennen in der ersten Liga des jugoslawischen Staatenbundes war nach dem zweiten Weltkrieg zumeist ein Duell zwischen den teilnehmenden kroatischen und serbischen Vereinen.

Während populäre Vereine wie die Belgrader Clubs FK Crvena Zvezda (18) und Partizan (11) oder die kroatischen Teilnehmer HNK Hajduk Split (7) und GNK Dinamo Zagreb (4) viele Titel hamsterten, gingen die Clubs aus den slowenischen, montenegrinischen, (nord-)mazedonischen oder kosovarischen Landesteilen in den gemeinsamen 45 Spielzeiten völlig leer aus. Lediglich die bosnischen Vertreter FK Sarajevo (1967 und 1985) und FK Željezničar (1972) konnten die serbo-kroatische Dominanz insgesamt dreimal durchbrechen.

Mit dem Zerfall des Staatenbundes und der lang ersehnten Souveränität musste auch der Fußball Anfang der 1990er-Jahre komplett neu organisiert werden. Am Beispiel Kroatien entstand zu Beginn der Saison 1991/1992 eine Liga, die heutzutage im völligen Gegensatz zur äußerst erfolgreichen Nationalmannschaft steht. Die „Liga des Vize-Weltmeisters“ mit ihren 10 Vereinen nimmt im internationalen europäischen Vergleich lediglich einen grauen Mittelfeldplatz ein. In der laufenden Saison 2021/2022 schafften es die Europapokal-Teilnehmer NK Rijeka und NK Osijek nicht einmal in die Gruppenphase der neuen UEFA Europa Conference League und schieden schon in der Qualifikation aus. Einzig der amtierende Meister Dinamo Zagreb durfte nach dem späten Scheitern in der Qualifikation zur Königsklasse in der Gruppenphase der UEFA Europa League starten und schaffte es wenigstens in die Playoffs zur Finalrunde.

Allerdings muss man die sportliche Lage der „Hrvatski Nogometni Liga“ auch ein wenig relativieren und vom sportlichen Erfolg der kroatischen Nationalmannschaft abkapseln. Dies liegt daran, dass gute kroatische Fußballer nach ihrer hervorragenden Ausbildung im eigenen Land ein absoluter Exportschlager sind und schnell in die weite Fußball-Welt ziehen, um Geld zu verdienen und Erfolge zu feiern. Dementsprechend gibt es die bereits angesprochenen drei bis vier führenden Clubs, die mit den Transfererlösen neue einheimische Talente ausbilden können und den mitspielenden „Rest der Liga“, der finanziell überhaupt nicht auf Rosen gebettet ist und gerne auf einen eher kostengünstigen Mix aus ausländischen und einheimischen Spielern setzt.

In der beschriebenen Zwei-Klassen-Gesellschaft führte mich mein Weg in der vergangenen Woche in die Vorstadt der kroatischen Hauptstadt Zagreb. In Velika Gorica befindet sich nicht nur der Hauptstadt-Flughafen, sondern auch das Stadion Radnik, welches zur Universiade 1987 erbaut wurde und heute 8000 Zuschauer fasst. Hier traf der heimische HNK Gorica am 34. Spieltag der 1. HNL im kleinen „Stadtderby“ auf Hauptstadtclub NK Lokomotiva Zagreb.

Das Duell war das klassische Mittelfeldduell des Tabellen-Sechsten gegen den Fünften. Vor durchaus ausbaufähigen 500 Zuschauern zeigten beide Teams in der Folge, dass es in der Tabelle nicht mehr nach oben und schon gar nicht mehr nach unten gehen kann. Sprich…man spielte völlig befreit auf und bot den wenigen Zuschauern ein absolutes Spektakel.

Zunächst gingen die Hausherren durch ihren Spieler mit dem schönen Namen Atiemwen Believe in Führung (24.), welche kurz vor der Pause durch Mitspieler Kalik sogar noch ausgebaut wurde (40.). Im Gegenzug gab es bei regnerischem Wetter allerdings die kalte Dusche durch den Anschlusstreffer von Pivaric (42.). Die Dusche wurde in der 2. Hälfte sogar noch kälter, als die Gäste das Spiel durch Treffer von Aliyu (63.) und Kulenovic (85.) komplett drehten. In der Nachspielzeit gelang aber tatsächlich noch der Ausgleich, als Kalik mit einem berechtigten Elfmeter seinen zweiten Treffer markierte und zum 3:3 (2:1)-Endstand traf. Dazu gab es kurz vor Ende für beide Teams noch jeweils eine Gelb-Rote Karte.

Das absolute Highlight war neben der gemütlichen Stadiongaststätte mit Kegelbahn das Treffen mit Samir Toplak, Trainer des HNK Gorica. Der spielte von 1998 bis 2002 für meinen VfL Bochum 1848 und ist ein äußerst sympathischer und gastfreundlicher Mensch. Mir kam es fast wie gestern vor, als Toplak vor knapp 24 Jahren beim 2:0-Sieg gegen Werder Bremen den gegnerischen Keeper Frank Rost bezwang und sein einziges Bundesligator erzielte. Ich war übrigens genauso alt und kann mich an das Tor zumindest schemenhaft erinnern.

Trainer Samir Toplak vom HNK Gorica (rechts)

Die kroatische Hauptstadt Zagreb ist auch abseits des runden Leders in jedem Fall eine Reise wert. Neben Sehenswürdigkeiten wie dem äußerst lebhaften Dolac-Markt, der imposanten Kathedrale oder der Oberstadt „Gornji Grad“ mit der kürzesten Standseilbahn der Welt bietet vor allem der Lotrscak-Turm einen tollen Rundblick über die gesamte Stadt.

Ich hätte mein sonntägliches Sightseeing-Programm vermutlich noch ein wenig ausgedehnt, wenn ich bei Verlassen meines Hotels nicht auf einen roten Reisebus gestoßen wäre. Die dazugehörigen sportlichen jungen Männer vermittelten in ihren roten Trainingsanzügen irgendwie den Eindruck, dass sie recht gut gegen den Ball treten und dies durchaus beruflich ausüben könnten. Der anschließende Blick auf den Spielplan der zweiten kroatischen Liga lieferte schnell eine zufrieden stellende Erklärung, warum die Mannschaft des HNK Orijent 1919 die Nacht in der Hauptstadt verbrachte. Am Nachmittag sollte die Truppe des im Champions-League-Anzug gekleideten Trainers Marinko Koljanin bei der 2. Mannschaft von Rekordmeister GNK Dinamo Zagreb antreten.

Dementsprechend ging es pünktlich um 15.00 Uhr zum Stadion Kranjceviceva, das im westlichen Teil der Innenstadt im Prinzip jedes Profispiel ohne Beteiligung des Rekordmeisters möglich macht. Neben der 2. Dinamo-Mannschaft spielen in diesem Stadion noch die Erstligisten von Lokomotiva Zagreb und NK Hrvatski Dragovoljac sowie Zweitligist NK Rudes.

Im Duell zwischen Dinamo II und den Orijent-Jungs war das Platzangebot im Kranjceviceva trotz freiem Eintritt etwas überdimensioniert. Letztlich fanden sich gut 100 Zuschauer in einem Stadion ein, dass gut 9000 Menschen Platz geboten hätte.

Nach Anpfiff von Schiedsrichter Matasovic fanden beide Teams nur schwer ins Spiel hinein. Das erste Ausrufezeichen setzte der Gast aus Rijeka, der aus den letzten fünf Spielen nur ein mickriges Pünktchen holte. Nach einem Steilpass musste Dinamo-Keeper Cavlina Kopf und Kragen riskieren, um den Ball knapp 20 Meter vor seinem Tor zu klären. Leider zeigte sich in der Folge kein Mitspieler für die eigentlich ordentliche Abwehraktion des eigenen Torhüters verantwortlich. So traf Orijent-Spieler Nino Mohorovicic fast von der Mittellinie per Vollspann-Schuss zur Gäste-Führung ins Tor (8.)! War das der Befreiungsschlag für die kriselnden Orientalen? Nein, im weiteren Spielverlauf zeigte die junge Dinamo-Mannschaft, warum dieser Verein mit seiner überragenden Jugendarbeit immer wieder Spieler wie Luka Modric, Dejan Lovren oder Andrej Kramaric hervorbringt. Die hochtalentierte Mannschaft, die im Gros aus 18- und 19jährigen Akteuren besteht, kann in einer knochenharten 2. Liga bereits in jungen Jahren wichtige Erfahrungen sammeln und mit Verantwortung auf den Schultern reifen.

Am Ende gewann die Dinamo-Zweite mit 3:1 (1:1) und setzte vor allem ihren Zweifach-Torschützen Bartol Barisic (19) ins Schaufenster der Spielervermittler. Die dürften den jungen Mann allerdings auch schon kennen, da er mit einem Marktwert von 500.000 Euro mit Sicherheit kein Geheimtipp mehr ist.

Das Stadion Kranjceviceva in Zagreb

Die vielleicht ungewöhnlichste TV-Kameraperspektive Europas findet der interessierte Fernsehzuschauer im Zagreber Stadion „Maksimir“. Zumindest dann, wenn man auf seiner Wohnzimmercouch keinen gesteigerten Wert auf Bilder von jubelnden Fans, enttäuschten Zuschauern oder eindrucksvollen Choreografien besitzt und wirklich nur den puren Fußball genießen möchte.

Dies liegt in erster Linie an der äußerst eigenwilligen Anordnung der vier Tribünen, die sich nach Rückbau der Leichtathletik-Laufbahn und gleichzeitigen Umwandlung in ein reines Fußballstadion weit entfernt vom Geschehen befinden. So weit entfernt, dass zwischen Nordtribüne und grünem Rasen sogar noch die Flutlichtmasten aufgestellt wurden, um möglichen „Dämmerungs-Fußball“ zu verhindern und eine ausreichende Beleuchtungsstärke zu gewährleisten. Da sich die erste Sitz- oder Stehplatzreihe auf sämtlichen Tribünen zudem in einer Höhe von fünf bis zehn Metern befindet, sieht der Fernsehzuschauer neben dem Spielfeld nur blauen Kunstrasen und eine Mauer mit Werbung.

Das Leid des TV-Fußball-Konsumenten ist zugleich aber auch die Freud des Stadionbesuchers. Das grösste Stadion Kroatiens mit einem Fassungsvermögen von 35.123 Zuschauern war eines der besten Stadien, das ich je besucht habe. Gerade hier merkt man, dass man all diesen neuen Arenen und Einheits-Wellblechpalästen bei all ihrem Komfort etwas überdrüssig geworden ist und sich auf ein abgerocktes, individuelles, heruntergekommenes, unüberdachtes Stadion mit der damit verbundenen Reise in die Vergangenheit freut.

Wie an so vielen Standorten sollen auch die Tage des Stadions Maksimir gezählt sein. Angeblich planen die Stadt Zagreb als Eigentümer und der GNK Dinamo als Hauptnutzer seit 2019 einen Neubau des Stadions an gleicher Stelle. Man kann nur hoffen, dass diese Planung noch etwas verzögert wird.

Im Spitzenspiel des 34. Spieltages der Saison 2021/2022 empfing Dinamo als Tabellenführer den Drittplatzierten NK Osijek. Drei Spieltage vor Ende der Saison war tatsächlich noch richtig Spannung im Oberhaus des kroatischen Fußballs vorhanden.

Während Dinamo in den letzten Jahren seine Meisterschaften eher überlegen im Bayern-München-Stil feierte, benötigte man jetzt unbedingt einen Heimsieg, um die Meisterschaftschance zu erhalten und den direkten Verfolger Hajduk Split nicht auf Schlagdistanz herankommen zu lassen. Selbst Gegner Osijek hätte mit einem Auswärtssieg in Zagreb noch unerwartet gute Chancen auf die Meisterschaft gehabt.

Vor 13.901 Zuschauern fiel zunächst auf, dass Dinamo in seiner Startelf vorrangig auf einheimische Spieler setzte. Lediglich der dänische Innenverteidiger Rasmus Lauritsen kam nicht vom Balkan. Nach einer völlig ereignislosen ersten halben Stunde ging Dinamo fast aus dem Nichts durch Topstar Mislav Orsic in Führung (34.). Nur zehn Minuten später gab es den nächsten Tiefschlag für den Gast von der serbischen Grenze. Der Ukrainer Cheberko verabschiedete sich mit der Gelb-Roten Karte und sorgte damit unfreiwillig für die (Vor-)Entscheidung.

In der zweiten Hälfte gab sich der Serienmeister der vergangenen Jahre (15 Meisterschaften seit 2006) keine Blöße und erhöhte durch Tore von Spikic (60.) und Menalo (81.) auf 3:0. Mit dem Heimsieg war man aufgrund der übrigen Spieltagsergebnisse zwar noch kein Meister, holte dies aber am gestrigen Sonntag mit einem Auswärtssieg in Sibenik nach. Glückwunsch zum Meistertitel 2022!

Wie immer gibts in meinem Social-Media-Bereich bei Instagram und Facebook ein paar nette Schnappschüsse aus Kroatien. Schaut mal rein und lasst ein „LIKE“ da!

STAY TUNED…das war Kroatien…BLEIBT AM BALL!

  • Stadion Maksimir, GNK Dinamo