Im November 2014 erfüllte ich mir einen lang gehegten Traum. Eine kleine Rundreise durch Japan. Diese führte mich in 10 Tagen durch die Städte Tokio, Yokohama, Kyoto, Hiroshima und Osaka. Und wenn man dann erstmal durch dieses letztlich wahnsinnige Land tourt, dann verspürt man auch schnell die Lust auf Fußball. Denn Nippon ist absolut fußballverrückt. Diese ausgeprägte Lust auf Fußball entstand in erster Linie durch die englische Premier League, welche als weit entfernte ausländische Liga durch ihr geschicktes Marketing in diesem Land absolut präsent und populär ist. Unzählige Menschen trugen Trikots von Manchester United, Arsenal, Chelsea und Co., an jeder Ecke lauerte praktisch ein japanischer Rooney.

Aber auch die einheimischen Profiligen J1 und J2 sind mittlerweile absolut arriviert und attraktiv. Die Zeiten einer deutschen Entwicklungshilfe mit Spielern wie Pierre Littbarski und Guido Buchwald sind definitiv vorbei. Dies erkennt man ganz gut daran, dass ein Spieler wie der Brasilianer Hulk in ganz jungen Jahren nach Japan transferiert wurde und in der J-League für europäische Clubs reifte. Von Spielern wie Shinji Ono, Shinji Kagawa oder auch Keisuke Honda ganz zu schweigen.

Die sportliche Entwicklung schlägt sich aber auch in den Zuschauerzahlen nieder, welche in Japan recht hoch sind. Spiele des vielleicht populärsten Clubs Urawa Red Diamonds werden regelmäßig von knapp 70.000 Zuschauern besucht. Und deshalb war es gar nicht so einfach, für ein Ligaspiel Karten zu erhalten. Dies lag an erster Linie daran, dass die Saison im November/Dezember bereits weit fortgeschritten war und die heiße Phase der Meisterschaft begann. In Japan wird nämlich im „Kalenderjahr“ gespielt (von März bis Dezember, wie z.B. in Skandinavien).

Nach einem ersten kurzen Besuch des Trainingsgeländes der Yokohama Marinos (mit angegliedertem Fanshop) sorgte eine Sache kurzzeitig für schlechte Laune. Die Firma Adidas muss in Japan definitiv enger nähen oder ich hatte ein Stück Sushi zu viel gegessen. Bei der Anprobe des schicken blauen Shirts mit Nissan-Werbung kam ich mir im gewohnten L-Trikot vor wie die Haut einer Leberwurst. Das nennt man dann wohl „spackig“. Erst zwei Nummern größer war das gewünschte Trikot gefunden und auch das war leider grenzwertig.

Im weiteren Verlauf meiner Reise gelang es dann, für das letzte Heimspiel von Gamba Osaka Karten zu ergattern. Die Mannschaft war zu diesem Zeitpunkt Tabellenzweiter und bei zwei ausbleibenden Spielen lediglich zwei Punkte hinter den Urawa Red Diamonds platziert.

Bei Ankunft am altehrwürdigen Expo ’70 Commemorative Stadium (Anreise mit einem Monorail-System) ging zunächst die Suche nach dem Zugang zu unserem Block los. Dies ist bei einer Eintrittskarte mit japanischen Schriftzeichen gar nicht mal so einfach. Unter Mithilfe eines freundlichen Ordners wurde mir in der Folge sehr schnell klar, wo unsere Plätze waren. Und zwar im Auswärtsblock des Gegners Vissel Kobe. Verständlich bei einem Club, der ein kleines Stadion besitzt und kurz vor der Meisterschaft stand. Festzuhalten ist hier, dass auch dem Gastverein erlaubt wurde, einen netten mobilen Merchandise-Stand aufzubauen.

Nach Betreten des Gästeblocks stellte ich dann fest, dass ich der einzige Mensch war, der kein rotes Trikot der Mannschaft von Vissel Kobe trug. Zudem traf man sich auf Anordnung des „Capo“ ca. 20 Minuten vor Spielbeginn nochmals vor dem Block, um sich einzustimmen und warm zu singen. Ein sehr skurriles Schauspiel, wenn ca. 1000 Menschen nochmals komplett den Block verlassen. Nach Rückkehr ging es dann aber auch los. Damit meine ich in erster Linie die mitgereisten Supporter von Vissel, welche über die gesamte Spielzeit einen nie endenden Support zeigten. Unter Anleitung von insgesamt 4 Capos verstummte der Block nie. Das war absolut eindrucksvoll.

Das Spiel selbst enttäuschte die Erwartungen nicht. Ein technisch hochwertiges Spiel, vielleicht ein wenig langsamer als der gewohnte europäische Fußball aus Deutschland und England. Und da auch die Härte nicht ganz so ausgeprägt war, entwickelte sich ein Spiel mit vielen Torchancen und guten Spielzügen, welches Gamba letztlich mit 3:1 gewann. Überragender Spieler war hierbei der ehemalige Bayern- und Hoffenheim-Spieler Takashi Usami, der zweimal traf.

Und trotz dieser Niederlage sangen und peitschten die Vissel-Fans ihre Mannschaft nach vorne. Diese Begeisterung bzw. Anfeuerung endete pünktlich mit dem Abpfiff. Man merkte, dass die Fans nun nicht mehr „zuständig “ waren. Die vorherige Begeisterung schwenkte in teilweise blanke Wut und Verärgerung um. Dies spürte die Mannschaft von Vissel, die komplett in der Kurve beordert wurde. Nach einer ca. 2 minütigen Beschimpfung der Mannschaft durch die Capos entschuldigte sich das Team mittels tiefer Verbeugung vor den Fans und schlich wie ein begossener Pudel in die Kabine. Das typische Lachen und Frotzeln von europäischen Spielern trotz Niederlage war nicht zu beobachten. Eine absolut beeindruckende Szenerie.

Gamba Osaka wurde eine Woche später übrigens japanischer Meister 2014.