Im ersten Teil des Blogs meiner Reise an die Westküste der USA habe ich über meine Erlebnisse aus Portland/Oregon berichtet. Nur einen Tag nach dem Spiel des einheimischen Timbers FC ging es bereits zurück zum Ausgangspunkt der Reise, nach Seattle im Bundesstaat Washington.

Nach Passieren des Grenzflusses Columbia fiel mir ein Detail auf, welches bestimmt schon auf der Hinfahrt präsent war, zu diesem Zeitpunkt von mir aber noch nicht wahrgenommen wurde. Überall entlang des Interstate 5 befinden sich neben den bekannten Schnellrestaurants mit einem goldenen Buchstaben und Filialen einer weltweit agierenden Kaffeehauskette sogenannte Outlet-Center. Jetzt wird sich der ein oder andere fragen, ob ich die letzten Jahre im Schuhkarton gelebt habe, da diese Geschäftsidee für die USA und natürlich auch hierzulande völlig normal ist. Die oft verkehrsgünstig gelegenen Outlet-Center mit Geschäften für die beliebten amerikanischen Sportschuhe mit dem Namen einer griechischen Siegesgöttin oder anderen attraktiven amerikanischen Marken waren mir natürlich auch mehr als bekannt, aber wer von Euch hat schon einmal eine Art Fabrikverkauf von Marihuana gesehen? Hauptsächlich die westlichen Staaten wie Colorado, Alaska, Oregon und eben Washington haben den Verkauf von Cannabis legalisiert und verdienen jetzt sicherlich sehr viel Geld an den zu entrichtenden Steuern. Ein insgesamt skurriler Anblick für rechtskonforme deutsche Augen. Eine übergroße Marihuana-Pflanze als Leuchtreklame sieht man nicht alle Tage.

Auf der Fahrt von Portland nach Seattle kann man aber hauptsächlich die wunderschöne Landschaft des wilden Westens genießen. Wer ein wenig Zeit und dazu noch gutes und wolkenloses Wetter besitzt, der sollte einen Abstecher zum Mount St. Helens machen, einem 2549 Meter hohen aktiven Vulkan. Bereits der Anblick aus der Ferne soll phänomenal sein, mir war er aufgrund einer geschlossenen Wolkendecke nicht vergönnt.

Bevor man sich dann allerdings ganz der Natur und grünen Landschaft ergibt, tauchen in der Ferne die ersten großen Gebäude auf. Eine Großstadt liegt in der Luft, da der Verkehr plötzlich stark zunimmt und die Gebäude am Horizont immer größer werden.

Bei der Großstadt handelte es sich um Seattle, die mit 640.000 Einwohnern größte City im Bundesstaat Washington und so etwas wie der Hotspot des amerikanischen Nordwestens. Obwohl sich diese Einwohnerzahl zunächst einmal nicht nach Skyline, Wolkenkratzern oder Megacity anhört, kann man Seattle guten Gewissens als eine der wichtigsten Städte Nordamerikas bezeichnen. Dies liegt nicht nur daran, dass die Stadt im King County in seiner Gesamtheit als Metropolregion dann doch von knapp 3,5 Millionen Menschen bewohnt wird. In erster Linie verfügt diese Stadt über eine enorme Wirtschaftskraft, ausgehend von Menschen mit innovativen und nachhaltigen Geschäftsideen. Unfassbar viele bekannte  Weltunternehmen haben in Seattle und näherer Umgebung ihren Ursprung und Verwaltungshauptsitz.

In der Riege dieser Weltunternehmen strahlt der Stern des Flugzeugherstellers Boeing sicherlich am hellsten. Überall in der Stadt merkt man den Stolz auf den berühmten Flugzeugbauer, welcher Seattle den Beinamen „The Jet-City“ und natürlich Arbeitsplätze in fünfstelliger Höhe einbrachte. Die Boeing-Werke sind im Großraum Seattle in zwei Bereiche geteilt. Im Süden der Metropole befindet sich der hauseigene Flughafen „Boeing-Airfield“, an welchem die nebenan gebauten Kurz- und Mittelstreckenjets vom Typ 737 direkt vom Käufer entführt werden können. Zudem befindet sich dort das „Museum of Flight“, nicht nur für Flugzeugfans ein Besuch wert. Hier können neben diversen alten Flugzeugen aus dem 1. und 2. Weltkrieg interessante Flugzeuge aus der „Neuzeit“ hautnah besichtigt werden. Bei den Exponaten handelt es sich zum Beispiel um die erste jemals gebaute Boeing 747 (Jumbo-Jet), um den nagelneuen Dreamliner (Boeing 787) oder eines der ersten Flugzeuge für den Präsidenten der USA, die sogenannte Air Force One (Boeing 707). Mit der Ausstellung des Überschallflugzeuges Concorde von British Airways zeigt das Museum übrigens, dass man nicht nur Boeing „kann“. Nur ein Flugzeug des grössten Konkurrenten, dem europäischen Joint Venture Airbus, sucht man vergebens.

Wer nun von Flugzeugen noch nicht die Nase voll hat, der sollte sich von Seattle aus in Richtung Norden bewegen. In dem kleinen Ort Everett, eine knappe halbe Autostunde entfernt, befinden sich weitere Produktionsstätten von Boeing, welche über das „Future of Flight Aviation Center“ besichtigt werden können. Hier werden die Besucher durch die riesengroßen Produktionshallen geführt. Absolut eindrucksvoll, wie zum Beispiel ein Langstreckenjet des Typs 777 entsteht. Zudem ein guter Ort zum Entschleunigen, da man sein Handy oder Smartphone aus Angst vor Industriespionage vor Beginn zurücklassen bzw. einschliessen muss.

Aber auch die folgenden weltbekannten Unternehmen aus Seattle können sich mehr als sehen lassen, auch wenn man als normaler Besucher vor Ort nur zu einer Firma persönlichen „Kontakt“ aufnehmen kann, dies bezieht sich neben dem Software-Hersteller Microsoft, dem Paketdienst UPS, dem Versandhandel „Amazon“ in erster Linie auf den Dienstleister für freies W-Lan, Plastikbecher mit Namen und Kaffee, die Firma Starbucks.

Die besitzt im Umfeld des Pike Place Markets ihre aller-aller-aller-erste Filiale aus dem Jahre 1971. Dies wirkt bei der Fülle der mittlerweile bestehenden abertausenden Filialen rund um den Globus irgendwie unwirklich. Zumindest solange, bis man sich dort für einen Kaffee anstellt. Der schmeckt dann nach einer Wartezeit von knapp 30 Minuten genauso wie in der Filiale in Bochum. Aber scheiss drauf, der erste „Starbucks“ ist nur einmal im Jahr. Nach dem Kaffee sollte man es dann aber auch nicht versäumen, unbedingt noch den Pike-Markt zu besuchen, man wird mit Leckereien aus der ganzen Welt verwöhnt. Sicher nicht billig, aber gucken kostet ja auch nichts.

Das Thema Sightseeing, welches in Seattle recht vielschichtig ist, möchte ich mit dem Besuch des Wahrzeichens der Stadt abschließen. Dabei handelt es sich um die Space Needle („Weltraumnadel“), ein 184 Meter hoher Aussichtsturm, der aus der Skyline der Stadt nicht wegzudenken ist. Der Turm wurde anlässlich der Weltausstellung 1962 erbaut und verschafft dem Besucher einen atemberaubenden Ausblick auf den Lake Washington, den Puget Sound und die übrigen Gebäude der Stadt. Auch hier gilt das alte amerikanische Motto, „Was ist mir der Besuch wert?“. Bei „normalem“ Besuch muss der Aufzug und Eintritt bezahlt werden (ca. 20 Euro). Als Geheimtip gilt der Besuch des Restaurants der Space Needle, oberhalb der Aussichtsplattform. Der separate Aufzug ist kostenlos, dafür gibt es Gerichte ab umgerechnet 30 Euro aufwärts, eine Reservierung ist erforderlich. Der Turm befindet sich im sogenannten „Seattle Center“, einer Art neuem Zentrum mit weiteren Attraktionen wie einem IMAX-Kino und diversen Museen. Ich empfehle vom eigentlichen Stadtzentrum „Downtown“ die kurze Fahrt mit dem „Monorail System“, eine Art Schwebebahn auf Schienen, ebenfalls aus den 60er Jahren und irgendwie nostalgisch.

Kommen wir nun einmal mehr zum Fußball, in Nordamerika auch Soccer genannt. Da denkt man minutenlang über die perfekte Überleitung vom Thema Sightseeing nach und kommt einfach nicht drauf. Dabei war es doch so einfach. Die Space Needle ist natürlich Bestandteil des Wappens des einheimischen Seattle Sounders Football Club!

Der Club, der wie seine kaskadischen Konkurrenten Portland Timbers FC und Vancouver Whitecaps FC bereits in den 70er Jahren Bestandteil des nordamerikanischen Liga-Systems NASL war, wurde als Erster der drei Clubs im Jahre 2009 wiederbelebt und nimmt seitdem an der Western Conference der Major League Soccer teil. Hier war man bislang leider nicht übermäßig erfolgreich. Lediglich zwei Teilnahmen am Halbfinale der Play-Offs, dem sogenannten „Conference Final“, stehen zu Buche. Zuletzt verlor man hier im Jahr 2014 gegen den späteren Meister Los Angeles Galaxy. Weitaus besser lief es bislang im Pokal, wo der US-Open-Cup in den Jahren 2009-2011 und 2014 insgesamt viermal gewonnen werden konnte.

Das gerade in europäischen Breitengraden despektierlich genannte „Franchise“-Team mit den Vereinsfarben Grün und Blau trägt seine Heimspiele im CenturyLink Field-Stadion im Süden der Innenstadt aus. Die doch recht ungewöhnliche Farbkombination mit dem Namen „Sounders Blue“ und „Rave Green“ steht für die Farbe des Wassers und der Wälder in der Region. Die Arena, die sich die Sounders mit dem populären NFL-Team Seattle Seahawks teilen müssen, fasst insgesamt 67.000 Zuschauer. Als Besonderheit für dieses Stadion gilt die doch recht eigenwillige Dachkonstruktion sowie die interessante Bauweise der Nordtribüne. Dadurch bedingt schaukelt sich die Lautstärke in diesem Stadion extrem hoch, das CenturyLink Field gilt als das lauteste Stadion der USA. Natürlich besitzt das Stadion alle Annehmlichkeiten eines modernen Stadions in den Vereinigten Staaten, die in Deutschland sehr beliebte „Pissrinne“ sucht man dort vergebens.

Bekannteste Spieler im aktuellen Kader der Sounders sind der US-amerikanische Nationalspieler Clint Dempsey, der Österreicher Andreas Ivanschitz und der ehemalige Bremer Nelson Valdez. Aber auch gute junge Nachwuchsspieler, wie der in der Bundesliga begehrte Jordan Morris, gehören dem Kader der Sounders an.

Am letzten Spieltag der regulären Saison spielten die Sounders gegen das Team von Real Salt Lake aus dem US-Bundesstaat Utah. Der Spieltag wurde als Tag der Entscheidung („Decision-Day“) ausgerufen, da sich neben den Sounders und Real Salt Lake zwei weitere Teams um drei freie Play-Off-Plätze stritten. Dementsprechend war dann auch der Zuschauerandrang und die Vorfreude rund um das CenturyLink Field zu spüren. Insgesamt knapp 51.000 Zuschauern wohnten dem Spiel letztlich bei!

Bei Ankunft am Stadion war die übliche MLS-Werbemaschinerie wie immer vor Ort. In Zeiten der Diskussionen um Fußballclubs von Getränkeherstellern dürfte dies keine ernsthafte Diskussion mehr wert sein. Wem es nicht gefällt, geht einfach weiter, wer Lust auf Gratis-T-Shirts etc. hat, macht mit. So einfach ist das. Absolute Weltkasse war in jedem Fall die anwesende Sounders-Big-Band, die vor dem Stadion bekannte Pop-Songs eindrucksvoll nachspielte.

Nach Erreichen meines Platzes auf der Haupttribüne ging es auch schon los. Anhand der Aufbauten auf dem Platz (überdimensionale USA- und Sounders-Flaggen, mehrere Podeste, Feuerwerk, „Feuer“-Fontänen) fühlte ich mich zunächst wie beim Champions-League-Endspiel. Dies verstärkte sich dann beim Einlauf der Mannschaften, als alle Zuschauer das von der isländischen Nationalmannschaft bekannte Klatschen imitierten. Auch Dank der stimmungsvollen Sounders-Ultra-Gruppierung „Gorilla FC“ herrschte eine europäische Stimmung. Die endete kurzfristig mit Beginn der live-gesungenen Nationalhymne im Kanon. Auch hier konnte ich einfach nur genießen, ein absolutes Erlebnis und wirklich fantastisch. Dies gibt einem eine gewisse Vorfreude auf das Spiel und suggeriert vielleicht auch, in der Folge etwas ganz Besonderes zu sehen.

Besonders war das Spiel am Ende des Tages dann nicht. Nach fulminantem Beginn und zwei Toren in den ersten vier Spielminuten (Führung der Sounders durch den Uruguayer Fernandez, Ausgleich durch den Engländer Mulholland) stellte Sounders-Mittelfeldspieler Cristian Rodan noch vor der Pause die Weichen auf Sieg. In der zweiten Halbzeit taten sich beide Mannschaften nicht mehr besonders weh, vielleicht auch aufgrund der anderen Zwischenergebnisse, mit denen beide Teams in die Play-Offs einziehen würden.

So blieb es bei dem 2:1-Sieg der Sounders am Decision Day, den die Verlierer aus Utah trotzdem mit ihren knapp 100 mitgereisten Fans aus dem 1400 Kilometer entfernten Salt Lake City feierten. Denn auch sie waren neben den Sounders und Sporting Kansas City in den Play-Offs. Nur die Mannen der Portland Timbers schauten in die Röhre.

Heiss und Kalt wurde mir anschließend im Fanshop der Sounders. Positiv ist sicherlich die unglaubliche Auswahl an Fanartikeln hervorzuheben. Ausrüster Adidas hat sich wirklich selbst übertroffen. Negativ ist dann aber auch der Preis der Kleidung. Wer hat schon Lust, bis zu 100 Euro für ein Trikot ohne Beflockung auszugeben. Absolut grenzwertig.

Für mich ging es abends noch in das Nachtleben der Stadt. Pioneer Square, Belltown, Waterfront, China Town oder auch Downtown sind Stadtteile mit einer Vielzahl von Pubs, Bars, Restaurants und Musikkneipen. Denn Seattle ist auch die Geburtsstadt des Grunge mit Bands wie Nirvana, Pearl Jam oder Soundgarden. Sehr populär sind zur Zeit sogenannte Micro-Brauereien, in welchen man leckeres Bier und Cider trinken kann. Aber auch eine lukullische Spezialität des amerikanischen Nordwestens durfte ich noch probieren: Chowder, eine dickflüssige Fischsuppe mit Kartoffeln, sehr lecker!

Abschließend möchte ich mich wie immer bei meinen Gastgebern bedanken, die den Trip Dank ihrer Gastfreundschaft und Ideen besonders machten. Danke an Bernd Kuerschner, Verlin Judd und seiner Frau Donna! THANK YOU!

Die Seattle Sounders sind auf ihrem Weg durch die Play-Offs bis ins Endspiel um die Meisterschaft vorgedrungen. Hier gehts kommenden Sonntag (02.00 Uhr MEZ) gegen den Sieger der Eastern Conference, das kanadische Teams des Toronto FC. Ich wünsche den Sounders GOOD LUCK!

Danke für Lesen, STAY TUNED!!!