Dieses Wochenende sollte eigentlich ganz im Zeichen des alljährlichen Saisonabschlusses und den damit verbundenen großen Emotionen stehen!

Der 34. und damit letzte Spieltag ist in jeder Saison eine Achterbahnfahrt der positiven und negativen Gefühle! 

Während die Übergabe der Meisterschale in der 1. und 2. Bundesliga mit nicht endenden Bierduschen aus überdimensionierten Biergläsern zelebriert wird und speziell bei den Fans auf dem gefluteten Spielfeld pure Freude verursacht, herrscht beim weinenden Absteiger am Ende der Tabelle große Trauer und Betroffenheit! Andere Anhänger verspüren das Gefühl der Erleichterung, da ihr Club dem Abstiegssog am letzten Spieltag entkommen konnte oder hoffen aufgrund der folgenden Relegation weiterhin auf  Klassenerhalt oder Aufstieg!

Leider sieht die Gegenwart im Mai 2020 aufgrund der andauernden Corona-Krise ganz anders aus. Während viele Fußballfans überhaupt keinen Sinn für ihren Sport während der Virus-Pandemie entwickeln können und einen sofortigen Saisonabbruch fordern, wünschen sich andere Fans die Fortsetzung der Saison, auch wenn der Spielbetrieb mit erheblichen Einschränkungen verbunden ist!

Diesbezüglich gab es in der 10wöchigen Zwangspause viele Ansichten, Diskussionen und Strömungen, wie mit dem professionellen Fußballsport in Zeiten von Hygienekonzepten, Tröpfcheninfektionen und der Mundschutzpflicht zu verfahren ist!

Am Ende entschied sich die Deutsche Fußball-Liga in dieser kontrovers diskutieren gesellschaftspolitischen- und sportpolitischen Frage zur Fortsetzung der Spielzeit…aufgrund der geltenden Abstandsregelungen allerdings als Geisterspiel-Serie ohne Zuschauer!

Mit dieser Entscheidung sicherte die DFL ihren Clubs vermutlich das finanzielle Überleben, sorgte aber auch gleichzeitig dafür, dass die Gräben zwischen dem professionellen Fußballgeschäft und Teilen der Anhängerschaft tiefer geworden sind! 

Am gestrigen Samstag gab es mit der Austragung des verschobenen 26. Spieltages die weltweite Premiere dieser Geisterspiel-Restsaison!

In hermetisch abgeriegelten Stadien trafen die Clubs der 1. und 2. Bundesliga erstmals aufeinander….natürlich „Unter Beachtung der Hygieneregeln“! Dieser Hinweis begegnet uns im Alltag mittlerweile überall und dürfte zusammen mit dem Slogan „Made in Germany“ in Zukunft als Synonym für deutsche Gründlichkeit und Qualität stehen!

Auch mein weiterhin abstiegsgefährdeter VfL Bochum 1848 griff wieder ins Geschehen ein und traf im leeren Ruhrstadion auf Aufstiegskandidat 1. FC Heidenheim!

Vor null zahlenden Zuschauern zeigte die Mannschaft von Thomas Reis etwas überraschend ihre vermeintlich beste Saisonleistung und siegte leicht- und locker mit 3:0 (2:0)!

Wichtig war für mich aber nur die Frage, ob sich der (Profi-)Fußball bei Geisterspielen tatsächlich verändert!

Zunächst einmal musste man konstatieren, dass die Spieler nach 10 Wochen Pause etwas eingerostet wirkten! Dementsprechend sah das gesamte Spiel trotz der Bochumer Überlegenheit noch ein wenig nach Testspiel und Saisonvorbereitung aus. Da man mit guter Form auch schnell mal Klasse schlägt, werden wir in den kommenden Wochen vermutlich noch viele überraschende und unerwartete Ergebnisse sehen…also irgendwie eine neue Saison in der alten Saison mit völlig neuer Ausgangslage!

Was also fußballerisch bzw. handwerklich schon recht ordentlich aussah, entpuppte sich auf dem emotionalen Sektor als völlig blutleer! 

Man merkt den Spielern förmlich an, dass ohne die kritischen, feiernden, wütenden oder aufbrausenden Zuschauer die oft spielentscheidenden Faktoren wie Nervosität oder Anspannung völlig abhanden gekommen sind! Dementsprechend blühen manche Akteure spielerisch nun auf, da nach einer Grätsche an der Außenlinie keiner mehr aggressiv aufschreit und dem Spieler unterstellt, von einer Prostituierten auf die Welt gebracht worden zu sein. Andere Spieler, die das Publikum bei einem Eckball stets angestachelt haben, werden aufgrund des nun niedrigen Blutdrucks vermutlich eher in der Masse untergehen!

Zudem gab es auch auf dem Platz überhaupt gar keine Emotionen. Warum auch, schließlich schaut vor Ort ja gar keiner mehr zu. Deshalb macht es vermutlich wenig Sinn, sich theatralisch fallen zu lassen, dem Gegenspieler mit viel Leidenschaft die Meinung zu geigen oder der gegnerischen Fankurve zu zeigen, wie lieb man sie hat! 

Was man also immer schon vermutet hat, ist seit gestern Gewissheit! Spiele werden auch durch die Emotionen der Zuschauer beeinflusst und entschieden! Und das zu größeren Teilen, als wir vielleicht immer angenommen haben! Zudem muss man festhalten, dass die Spieler auch ohne diverse Show- und Entertainmenteinlagen richtig gut Fußball spielen können! 

Deshalb kann man den deutschen Profifußball im Mai 2020 als leckere Hühnersuppe beschreiben, der momentan etwas ganz wichtiges fehlt…die Einlage!

Ich habe große Angst vor einer Fußballzukunft bei Bier und Chips auf der Couch, bei welcher ein Münchener Fernsehsender seine aus der Konserve eingespielten Stadiongeräusche der virtuellen Fans noch perfektioniert! Deshalb darf dieser Notfallmodus nie zu Normalität werden…ich freue mich jedenfalls auf den Tag, an welchem wir Stadiongänger unser altes Leben zurückerhalten! 

Bis dahin kann ich die Argumente der Geisterspielgegner verstehen, nachvollziehen und in Auszügen teilen…sehe aber gleichzeitig auch viele Fans, die sich über dieses erste Stückchen Normalität im Fernsehen gefreut haben! Die kamen übrigens nicht nur aus Deutschland, sondern saßen in unseren teils schwer gebeutelten Nachbarländern vor dem Fernseher! Wer hätte da gedacht, dass die Partie Erzgebirge Aue gegen SV Sandhausen 1916 in England als Gassenhauer durchgeht?!

Aber warum sollte sich der Fußball in dieser existenziellen Frage auch von einer insgesamt zerrissenen Gesellschaft unterscheiden, in welcher es nur noch extreme Meinungen gibt und Begriffe wie „Toleranz“, „Kompromiss“ und „Nachsicht“ auf beiden Seiten wie Fremdwörter wirken!

Auch wenn die oft kritisierte Blase im Milliardengeschäft Fußball nicht abschließend platzen wird, müssen dringende Reformen im Profifussball nach dieser Krise angepackt werden! Nur so kriegt er seine Akzeptanz auf allen Ebenen wieder! 

In diesem Sinne…STAY TUNED und beachtet die Hygieneregeln! Die beachte ich selbstverständlich auch und war gestern nicht unerkannt im Stadion…die Fotos wurden von einer gesunden und akkreditierten Person zur Verfügung gestellt!