Zum Ende des Monats September stand einmal mehr ein Spiel der UEFA Europa-League auf dem Programm. Diesmal ging es für den 2. Spieltag der laufenden Gruppenphase in die irische Hauptstadt Dublin. Sicher wird der geneigte Leser und Fußballsachverständige nun die Frage stellen, was „zum Teufel ich hierfür in Dublin suche“. Die Antwort auf  diese möglicherweise berechtigte Frage ist einfach und besteht aus drei Wörtern: Dundalk Football Club!

Bevor ich mich in der Folge ganz dem aktuellen Meister der „SSE Airtricity League“ (FAI National League of Ireland) widme, möchte ich ein paar allgemeine Worte über den irischen Fußball verlieren. Denn bislang definierte sich Fußball „Made in Eire“ fast ausschließlich über die beliebte Nationalmannschaft des Landes. Die „Boys in Green“ schafften es trotz der überschaubaren Anzahl von überdurchschnittlichen Fußballspielern zu jeweils drei Teilnahmen bei Welt- und Europameisterschaften. Gerade die WM-Teilnahmen verliefen für das kleine Land mit dem Erreichen des Viertelfinales 1990 und des Achtelfinales in den Jahren 1994 und 2002 sehr erfolgreich. Bekannte Spieler wie Robbie Keane, John O´Shea, Shay Given, Damien Duff oder auch Roy Keane sind vielen Fussballfans in ganz Europa ein Begriff. Leider spielten die wie so viele andere talentierte irische Spieler von Beginn ihrer Karriere im finanzstarken englischen Fußballsystem. Sicher auch ein Grund, warum die einheimische Fußball-Liga neben den etwas beliebteren Sportarten Gaelic-Football und Rugby bis heute ein Schattendasein fristet.

Die 1. Liga Irlands, die vom irischen Windparkbetreiber Airtricity gesponsert wird, besteht aus insgesamt 12 Mannschaften. Bekannteste Namen sind neben dem Meister Dundalk FC die Teams Shamrock Rovers, St. Patrick´s Athletic und Cork City. Gerade den etwas älteren Fußballfreunden unter uns dürfte der Club aus Cork in Erinnerung geblieben sein, als sie im Jahr 1991 dem FC Bayern München im UEFA-Cup einen harten und unerwarteten Kampf boten. Zudem besitzt die Liga eine „politische“ Besonderheit, da mit der Mannschaft von Derry City auch ein Team aus dem „britischen“ Nordirland teilnehmen darf.

Dass es sich bei der League of Ireland lediglich um eine semi-professionelle Liga handelt, sieht man in erster Linie daran, dass zuletzt kein einheimischer Spieler für die Nationalmannschaft Irlands nominiert wurde. Zudem ist die Liga, in welcher der Spielbetrieb entgegen der europäischen Topligen im „Kalenderjahr“ stattfindet, in der UEFA-Fünfjahreswertung nur auf dem 41. Platz zu finden. Eingebettet von Ländern wie Mazedonien und Lettland, aber noch knapp vor Luxemburg. Der bislang größte Erfolg eines Teams aus Irland im europäischen Fußball datiert aus der Saison 2011/2012, als sich der damalige Meister Shamrock Rovers bis in die Gruppenphase der UEFA Europa-League vorkämpfte, dort aber gegen die schier übermächtigen Gegner Rubin Kazan, PAOK Saloniki und Tottenham Hotspur alle Spiele verlor.

In dieser Saison machte sich eine weitere irische Mannschaft auf den Weg, im europäischen Fußball Geschichte zu schreiben. Dabei handelte es sich um den Meister der Saison 2015, den Dundalk Football Club. Der stieg aufgrund des eher unvorteilhaften UEFA-Koeffizienten bereits Anfang Juli in die 2. Runde der UEFA Champions-League Qualifikation gegen den isländischen Meister mit dem schönen Namen FH Hafnarfjödur ein und erreichte bei zwei Unentschieden nur aufgrund der Auswärtstorregel die nächste Runde. In Runde 3 wartete dann der weißrussische Meister BATE Borisov, ein Stammgast in der Gruppenphase der Champions League. Erwartungsgemäß verlor die Mannschaft der Lilywhites das Auswärtsspiel in Belarus mit 0:1. Im Rückspiel in Irland ereignete sich die erste kleine Sensation der Saison, als man die Mannschaft von BATE mit einem stabilen und glatten 3:0 nach Hause schickte.

Mit diesem Sieg hatte man tatsächlich die entscheidende Runde zu einer möglichen Qualifikation für die Gruppenphase der UEFA Champions League erreicht. Das Spiel gegen den polnischen Meister Legia Warschau wurde eigens vom heimischen Oriel Park in das Nationalstadion Irlands (AVIVA-Stadium) verlegt. Denn dieses Spiel wurde in Irland wie eine Art Länderspiel gesehen, das Spiel war von nationalem Interesse. Zum ersten Mal in der Geschichte der UEFA Champions League hatte eine irische Mannschaft die Möglichkeit, an der Gruppenphase teilzunehmen. Deshalb erhielt die Mannschaft des Dundalk FC zu diesem Spiel die Unterstützung von nahezu allen Anhängern der verschiedenen Vereine der League of Ireland. Leider verlor die Mannschaft das Hinspiel in Irland gegen Legia vor 30.400 Zuschauern mit 0:2. Wer sich jetzt denkt, dass der Zuschauerzuspruch eher mau war, der sollte wissen, dass die Vereine in Irland einen durchschnittlichen Zuschauerzuspruch von 2.500 Besuchern aufweisen. Also insgesamt eine runde Sache, auch wenn das Ergebnis am Ende nicht stimmte. Da auch das Rückspiel in Polen nur 1:1 endete, durfte das Team von KP Legia Warschau in die Gruppenphase der UEFA Champions League einziehen. Für Dundalk blieb „nur“ die Gruppenphase der UEFA Europa-League, in Anbetracht der bisherigen vernichtenden Niederlagen von Legia gegen Dortmund und Sporting Lissabon vielleicht auch die bessere bzw. charmantere Wahl für den Dundalk FC.

In dieser Gruppenphase trifft die Mannschaft auf die arrivierten Teams aus Alkmaar, Tel Aviv und St. Petersburg. Bereits im ersten Auswärtsspiel im AFAS-Stadion von Alkmaar sorgten die Lilywhites für eine faustdicke Überraschung, als sie in Unterzahl ein Unentschieden erreichten. Hierbei fiel der Ausgleichstreffer der Iren in der Nachspielzeit. Bemerkenswert war hierbei sicherlich der Auswärtssupport, da die Mannschaft von gut 700 Fans in die Niederlande begleitet wurde.

Zum Heimspiel gegen die israelische Mannschaft von Maccabi Tel Aviv reiste ich Mittwochs von Bochum über Köln nach Dublin. Wer in unserem Land schon einmal mit der Bahn unterwegs war, der weiss, dass die erste Etappe möglicherweise die Schwierigste wird. Und genau so kam es dann auch. Mein bereits gebuchter Eurocity wurde aufgrund eines Bombenalarms in Essen komplett gestrichen und frühzeitig umgeleitet. Ich musste mit einem Regionalexpress zunächst in Richtung Gelsenkirchen fahren, dann in Duisburg umsteigen und von hier in Richtung Köln Hauptbahnhof fahren. Klingt einfach und schnell? Nicht wirklich. Mit einer einkalkulierten Verspätung von ca. 1 1/2 Stunden erreichte ich den Konrad-Adenauer-Flughafen in Köln-Porz. Dort konnte ich meinen leicht erhöhten Puls aber schnell wieder senken, da mein Flug ebenfalls Verspätung hatte.

Nach Ankunft meines Germanwings-Fluges 4U 396 am Airport Dublin ging es nach einem leckeren Abendessen relativ früh ins Bett, um für den langen Donnerstag -den Matchday- bereit zu sein.

Der startete mit einem Besuch des Guinness-Storehouse, einer gut gemachten Multimedia-Show über die Entstehung des weltweit beliebten schwarzen Guinness-Bieres. Höhepunkt dieser Show ist sicherlich der Besuch der Gravity-Bar, in welcher man bei einem Pint Guinness einen wunderbaren Rundblick über Dublin genießen kann. Aber auch der im Erdgeschoß vorhandene Guinness-Fanshop lässt keinen Wunsch übrig.

Von der Guinness-Brauerei ging es mit einer Hop-On-Hop-Off-Bus-Tour durch Dublin. Hier konnte man bei nahezu allen Sehenswürdigkeiten (u.a. St. Patrick´s Cathedral, O´Connell-Street, River Liffey und Temple Bar) aussteigen und diese besichtigen. Dies ist vor allem zu empfehlen, wenn man ein wenig unter Zeitnot steht.

Abschließend ging es zur Einstimmung auf das Spiel zum Nationalstadion Irlands, dem bereits erwähnten Aviva-Stadium. Die Arena an der DART-Station Lansdowne Road wurde im Jahr 2010 eingeweiht und gilt für die Sportarten Fussball und Rugby als Heimat. Mit einem Fassungsvermögen von 51.700 Zuschauern ist das Aviva-Stadium nach dem für Gaelic-Football erbauten Croke-Park (Fassungsvermögen 80.000 Zuschauer) das zweitgrösste Stadion Irlands. Da ich bereits zum UEFA-Europa-League Finale 2011 zwischen dem FC Porto und Sporting Braga vor Ort sein durfte, war es der perfekte Ort für den Blick hinter die Kulissen.

Apropos Stadion, wer sich ein wenig mit Geografie auskennt, wird gemerkt haben, das Dundalk nur bedingt als Nachbar der Hauptstadt Dublin bezeichnet werden kann. Dundalk ist eine Stadt im Norden der Republik Irland und besitzt ca. 31.000 Einwohner. Die Distanz von der nordirischen Grenze zur Hauptstadt liegt bei ca. 80 Kilometern. Als Heimspielort für den örtlichen Fußballclub fungiert das Stadion Oriel Park. Das Stadion hat eine Kapazität von 4.500 Plätzen (davon 3000 Sitzplätze). Für die erste Qualifikationsrunde gegen die Isländer von Hafnafjördur gab die UEFA das kleine Stadion noch frei.

Doch bereits in der 2. Runde gegen BATE mussten sich die Verantwortlichen des Dundalk FC etwas einfallen lassen. Das eigene Stadion war zu klein und nicht mehr freigegeben, das Aviva-Stadium in der Hauptstadt Dublin zu teuer und viel zu groß. Was nun? Genau, man zieht zwar in die Hauptstadt, nimmt aber einfach das Stadion eines Konkurrenten um die Meisterschaft. Das Tallaght-Stadium der Shamrock Rovers mit einem Fassungsvermögen von knapp 6.000 Zuschauen ist das drittgrößte Stadion des Landes und wurde von der UEFA als 4-Sterne-Stadion klassifiziert. Dies wurde nach dem überraschenden Sieg gegen BATE Borisov aufgrund des nationalen Ereignisses aber auch zu klein. Man entschloß sich für das Spiel der Spiele gegen Legia Warschau zu einer Anmietung des teuren Aviva-Stadiums. Da es nach der Niederlage statt der Champions-League nur die Europa-League wurde, ruderte man zurück und legte sich für alle Spiele in der Gruppenphase auf das Tallaght-Stadium fest. Für die anstehenden „Reisen“ von Dundalk-Anhängern nach Dublin wurden eigens zwei Hashtags für die sozialen Medien erschaffen: #Bethere und #CmonTheTown !

Zum Tallaght-Stadium im Südwesten Dublin startete ich recht frühzeitig, ca. 2 Stunden vor Spielbeginn. Dies war auch dringend notwendig, da die Straßenbahn LUAS (rote Linie) stark frequentiert war und gute 40 Minuten Fahrtzeit zum Stadtteil Tallaght benötigte. Nach Ankunft an der Endstation war es nur ein kurzer Fußweg zum Stadion. Dieser führte letztlich nur über den Parkplatz eines Supermarktes bzw. über ein Tankstellengelände. Da war es also, das UEFA 4-Sterne-Stadion. Mein erster spontaner Gedanke war, dass die UEFA schnellstens nach Wattenscheid kommen sollte, um den 4. Stern an die Tribüne zu heften. Für einen geordneten zweiten Gedanken war gar keine Zeit, da ich plötzlich inmitten einer politischen Demonstration stand. Auf der einen Straßenseite standen ca. 7 israelische Fans aus Tel Aviv, auf der anderen Straßenseite befanden sich ca. 15 Demonstranten mit palästinensischen Flaggen. Dazwischen eine ca. 30köpfige Gruppe der irischen Polizei „Garda“. Es ging um das Übliche, die bösen Israelis, die lieben Palästinenser, oder war es anders herum? Ich bin jedenfalls kein Freund von Politik bei Sportveranstaltungen und begab mich zum Haupteingang des Grounds.

Dort stellte ich fest, dass der Fanshop der heimischen Shamrock Rovers naturgemäß geschlossen war. Wo konnte ich nur einen Dundalk-Fanschal erwerben? Mit dieser Frage resultierte ich einen Offiziellen des Dundalk FC, welcher mit schwarzem Anzug und Schal vor dem Spielereingang stand. Dieser antwortete auf meine Frage, dass ich einen Schal möglicherweise im gegenüberliegenden Hotel erwerben könne. Da er nun für ca. 2 Sekunden einige Fragezeichen in meinen Augen bemerkte, schenkte er mir einfach seinen Schal. Er konnte offensichtlich nicht glauben, dass ein verwirrter Deutscher nur für dieses Spiel nach Dublin reiste.

Aber es wurde noch besser. Bei all den Spielen außerhalb der glamourösen Stadien ist es immer verdächtig, wenn ein junger, mir unbekannter, Mensch im Trainingsanzug vor dem Stadion Fernsehinterviews gibt. Diesmal handelte es sich um den gesperrten Kapitän des Dundalk FC, Stephen O´Donnell. Der 30jährige ehemalige Jugendspieler des Arsenal FC war ein richtig netter Kerl, nahm sich Zeit und zeigte sich am deutschen Fussball sehr interessiert.

Das anschließende Spiel gegen die ausgebuffte Profitruppe von Maccabi Tel Aviv verlief in der Folge vollkommen entgegen meiner Erwartungen. Trotz der vielen erfahrenen Spieler wie Yossi Benayoun (ehemals Liverpool FC, Premier League), Talal Ben Haim (ehemals Chelsea FC/Manchester City FC, Premier League), Gal Alberman (ehemals Borussia Mönchengladbach, Bundesliga) oder dem aktuellen isländischen Nationalspieler Kjartansson kam Maccabi Tel Aviv nie ins Spiel und ließ ihrem Trainer Shota Arveladze recht schnell die Zornesröte ins Gesicht steigen.

Es entwickelte sich ein packendes Spiel der Marke „David gegen Goliath“ in welchem die „Amateure“ des Dundalk FC eine kompakte und spielerisch überzeugende Leistung ablieferten. Lediglich die teilweise haarsträubende Chancenverwertung war stark verbesserungswürdig. Und so mussten die 5.543 Zuschauer im ausverkauften Tallaght-Stadium bis zur 72. Spielminute warten, als der kurz zuvor eingewechselte Stürmer Ciaran Kilduff eine flache Hereingabe des überragenden Daryl Horgan verwertete und das Tor des Tages erzielte. Das Stadion verwandelte sich in ein absolutes Tollhaus und schrie die Mannschaft durch die völlig überzogene Nachspielzeit des insgesamt schwachen lettischen Schiedsrichters Andris Treimanis in Höhe von 4 Minuten.

Am Ende stand der erste Sieg einer irischen Mannschaft in der Gruppenphase der UEFA Europa-League überhaupt. Eine tolle Sache. Für die wenigen mitgereisten Fans aus Tel Aviv war die ca. 4000 Kilometer lange Rückreise bei diesem Endergebnis sicherlich eine Qual. Aber Kopf hoch, eine Rückreise aus Aue oder Cottbus ist bei einer Niederlage auch mehr als unschön.

Auf dieser Reise bleibt hängen, dass die Iren absolut nette, zugängliche und hilfsbereite Menschen sind. Das betrifft insbesondere meine abschließenden Wörter über die private Unterkunft, welche ich zuvor bei AirBNB gebucht habe. Danke an Evelyn Pender und James Anderson für tolle zwei Tage in Dublin und dem netten Stadtteil Castleknock. Ich habe mich wie zu Hause gefühlt!

Von Dublin ging es weiter nach Glasgow. Zu diesem Teil der Reise demnächst mehr. Wie immer, besten Dank fürs Lesen.

Stay Tuned!