Das Halbfinale in der UEFA Europa League 2017/2018 hatte mit den qualifizierten Mannschaften Arsenal Football Club, Olympique de Marseille, Atletico de Madrid und dem FC Salzburg eine Menge Fußball-Prominenz zu bieten. Mit Ausnahme des österreichischen Meisters, der normalerweise unter dem Sponsorennamen Red Bull Salzburg auftritt und nahezu sensationell ins Semifinale einzog, besitzen die übrigen Mannschaften eher den Anspruch auf einen Platz in den Finalrunden der Königsklasse.

Da ich meiner selbst auferlegten Linie treu bleiben und keinen Spielort doppelt besuchen wollte, hatte ich für das Halbfinale nur noch die Wahl zwischen Salzburg und London! Nach einer Phase der inneren Einkehr war diese Frage aber auch verhältnismäßig schnell entschieden. Im Rahmen meiner einjährigen UEFA Europa League Reise durch Litauen, Slowenien, Belgien, Kroatien, Niederlande, Schweiz, Frankreich, das spanische Baskenland, Griechenland, Deutschland, Rumänien, Tschechien, Spanien und Portugal fehlte mit dem Mutterland des Fußballs noch ein elementarer Bestandteil meiner „Road to Lyon“. Selbst bei einer fehlenden Affinität zur britischen Insel musste die Wahl nach einem Quervergleich beider Städte bzw. Stadien auf London fallen.

Bevor mein Blutdruck jetzt noch einmal unnötig steigt, werde ich die Story zum Kartenvorverkauf recht kurz halten. Obwohl die Wahl auf London nach der Auslosung für mich unwiderruflich feststand, muss man immer einen Seitenblick zur anderen Partie richten, falls bei der gewünschten Begegnung etwas schief geht. Dieser Blick konnte aber tatsächlich sehr kurz ausfallen, da das Spiel in Salzburg aufgrund des historischen Erfolges der Alpenländer gar nicht in den freien Verkauf ging. Die insgesamt knapp 30.000 Plätze der Red Bull Arena in Wals-Siezenheim waren bereits beim Sonderverkauf für Mitglieder mit Verkaufshistorie schnell vergriffen.

Ach wie gut, dass ich für den Arsenal Football Club bereit vor der Halbfinal-Auslosung eine einjährige Mitgliedschaft abschloss, irgendwie wusste ich, was auf mich zukommt. Diese sogenannte „Red Membership“ war generell erforderlich, um überhaupt an Karten zu kommen und musste bereits vor der Auslosung bestehen. So verhindert man als gastgebender Verein auch, dass sich Gästefans nach der Auslosung mit Mitgliedschaften und Eintrittskarten versorgen.

Diese „Einkaufs“-Taktik hätte wahrscheinlich auch ohne größere Probleme schnell und effizient funktioniert, wenn nicht ein Ereignis für eine unerwartet hohe Ticketnachfrage bei den bis dahin eher lethargisch wirkenden Arsenal-Fans gesorgt hätte. Bis zum Halbfinale hatte der Arsenal Football Club eine richtig schlechte Saison gespielt und auch in der bei den verwöhnten Fans sehr unbeliebten UEFA Europa League keine großen Bäume ausgerissen. Man hatte sich in das Halbfinale des Europapokal-Wettbewerbs schlichtweg „einfach so durchgerumpelt“.

Das bereits angesprochene Ereignis war der kurz vor dem Halbfinale kommunizierte Rücktritt des langjährigen Arsenal-Trainers Arsène Wenger zum Saisonende. Plötzlich zeigten sich auch die zuvor verprellten Fans wieder zu 100 % elektrisiert. Alle wollten nun unbedingt dabei sein um Wenger den verdienten Tribut zu zollen und ihn zu verabschieden. Schließlich hatte dieser Mann insgesamt 22 Jahre für den Verein gearbeitet und neben sieben Pokalsiegen im FA-Cup auch dreimal die englische Fußball-Meisterschaft gewonnen.

Nachdem das Halbfinalspiel gegen Atletico de Madrid auf der Homepage des Arsenal FC für Mitglieder frei gegeben wurde, landete ich erstmal in einer virtuellen Warteschleife. Die leitete mich nach einer Wartezeit von einer guten halben Stunde auf die Übersicht des Emirates-Stadium weiter und zeigte genau NICHTS! Das Stadion war offensichtlich in Windeseile ausverkauft, ich hatte einfach nur Panik, dass ich auf meiner „Road to Lyon“ im Halbfinale unerwartet scheitern würde. Obwohl mein Körper zu diesem Zeitpunkt nicht genau wusste, ob ihm heiss oder kalt ist, drückte der rechte Zeigefinger nochmals auf den sogenannten „Refresh“-Button. Ups, war da wirklich noch ein ganzer Platz von insgesamt 60.260 Plätzen verfügbar? Na, dann nehm ich den doch, sagte ich mir selbst und war am Ende ganz glücklich und erleichtert.

Nach der Ankunft in meiner absoluten Lieblingsstadt London sollte der Fußball an diesem Tag im absoluten Vordergrund stehen. Ich wollte einfach nur mal so in den Tag reinleben und die Stimmung genießen. Hat im Endeffekt nur so halb funktioniert, da ich irgendwann auf die Idee kam, dass ich zwar schon mehrere Spiele im Wembley Stadion sehen durfte, dies aber noch nie innerhalb einer Stadiontour besichtigt habe.

Also ging es zuerst zum englischen Nationalstadion, welches tatsächlich immer einen Besuch wert ist. Die durchgeführte Stadion-Tour war insgesamt sehr solide gemacht und offenbarte sehr viele Informationen. Natürlich geht es auch hier nie ohne die gute alte englisch-deutsche Rivalität. Bereits bei Begrüßung im Foyer zeigte der Guide seinen Besuchern die originale Latte des Tores von der WM 1966. Ihr wisst schon, Lattentreffer, Wembley-Tor, Tor oder kein Tor, Linienrichter aus Aserbaidschan. Der nette Herr fragte in die Runde, aus welchen Ländern seine Besucher kommen. Er hörte Litauen, Schweden und Spanien und war nicht sonderlich interessiert. Bis ich das Wort „Germany“ nannte. Da huschte ein Lächeln durchs Gesicht, verbunden mit der Frage „Do you think, the ball was in?“. Natürlich könnt ihr Euch vorstellen, dass wir unterschiedlicher Meinung waren und uns am Ende auf Unentschieden einigten. Auch wenn er die historisch besseren Argumente besaß.

Am Abend ging es dann endlich in Richtung Nord-London. Auf zur Tube-Haltestelle „Arsenal“, die bereits zu Zeiten des alten Highbury-Stadions die Fans in einer Wohnsiedlung empfing. Noch heute haben die Anwohner aus der Not eine Tugend gemacht. Da ihre Siedlung dauernd von tausenden Fans geflutet wird, verkaufen viele Anwohner in ihren Vorgärten Speisen und Getränke.

Am Ende wurde es tatsächlich ein erinnerungswürdiges Halbfinalspiel zwischen Arsenal und Atletico de Madrid mit vielen Emotionen, einer tollen Choreografie und einem Spielverlauf, der für die Heimmannschaft wie ein Dolchstoß ins Herz wirkte!

Vor restlos ausverkauftem Haus dauerte es gerade 10 Minuten, bis Atlético-Akteur Vrsaljko nach zwei dummen Fouls vom französischen WM-Schiedsrichter Clement Turpin mit der Ampelkarte des Feldes verwiesen wurde! Dies erzürnte Atlético-Coach Diego Simeone derart, dass er seinem Spieler umgehend folgen musste! Platzverweis, wenigstens durfte er zumindest auf die Tribüne!

In den folgenden 80 Minuten gab es dann Einbahnstraßen-Fußball der Gunners mit dem beliebten Kurzpassspiel (74 % Ballbesitz). Obwohl die Spanier den Verlust ihres kroatischen Mittelfeldspielers gut kompensierten und hinten hervorragend standen, kam Arsenal immer wieder zu guten Chancen.

Die wurden entweder vom überragenden Atlético-Schlussmann Jan Oblak entschärft oder aufgrund des ebenfalls bekannten umständlichen Arsenal-Spiels vergeben. Hier muss man sich immer die Frage stellen, ob 5 Doppelpässe im Strafraum sein müssen. Sieht fantastisch aus, ist aber manchmal auch so ineffektiv!

Trotzdem sorgte Stürmer Alexandre Lacazette nach 61 Minuten für ekstatischen Jubel der Heimfans, als er eine Ramsey-Flanke einnickte! Die überfällige und hochverdiente Führung! Und Arsenal drückte weiter, alle warteten auf das 2:0.

Tja, aus englischer Sicht besitzt Atlético leider aber auch noch Stürmer Antoine Griezmann. Der Superstar nutzte den einzigen gefährlichen Entlastungsangriff in der 81. Minute zum Ausgleich und zelebrierte vor den mitgereisten spanischen Fans seinen beliebt berüchtigten Fortnite-Jubel „Take the L“. Ich blickte in leere und enttäuschte Gesichter um mich herum!

Auch das Rückspiel lief für die Gunners nicht wirklich besser. Obwohl man „nur“ ein Auswärtstor für die Verlängerung benötigte, verlor man durch ein Tor von Diego Costa (45+1) mit 0:1 und überließ Atletico den Finaleinzug.

Ein toller Europapokalabend, ein würdiges letztes Europapokalspiel für Arsène Wenger, auch wenn das Ergebnis aus englischer Sicht nicht stimmte und aus meiner Sicht die 30 Minuten Wartezeit im McDonalds Highbury & Islington nach dem Spiel unnötig waren!

Das war London, im nächsten Reisebericht wird das Finalspiel in Lyon und meine gesamte Reise durch Europa noch einmal beleuchtet. MERCI ARSÈNE und STAY TUNED!

Bleibt auf Empfang, es geht immer weiter!