Wenn man über die Fußballhauptstädte dieser Welt nachdenkt, kommt man am Mutterland des Fußballs nicht vorbei! Die britische Metropole London ist mit Sicherheit das Epizentrum des professionellen Vereinsfußballes in Europa.

Eine (Fußball-)Reise in die Hauptstadt des Vereinigten Königreiches ist mit dem Besuch eines kleinen Kindes in einem perfekt sortierten Süßwarenhandel vergleichbar! Es ist nämlich alles da, was das Herz begehrt! Vom finanzstarken und erfolgreichen Traditionsverein über den Newcomer aus der Vorstadt bis zum chronisch erfolglosen Stadtteilclub hat man die freie Auswahl! Dazu existiert ein Spielplan, der gerade in England nahezu täglich Fußball in verschiedenen Wettbewerben anbietet!

Die UEFA Champions League mit dem Chelsea FC oder Tottenham Hotspur FC, die UEFA Europa League mit dem Arsenal FC, die Premier League mit Teams wie Crystal Palace oder West Ham United, die weiteren drei Profiligen mit Clubs wie Fulham FC, Queens Park Rangers FC oder Wimbledon AFC. Allein diese kleine aber feine Auswahl zeigt, dass vieles möglich ist. Dazu kommen diverse Pokalwettbewerbe wie der traditionsreiche FA-Cup, der Liga-Pokal und die vielen „unterklassigen“ Pokalwettbewerbe (FA Trophy und FA Vase), die ihr „Ende“ zumeist im Nationalstadion des Landes, dem unfassbaren Wembley-Stadion finden. Wem das immer noch nicht reicht, der kann sich zum Ende jeder Saison die landesweiten Play-Off-Spiele um den Aufstieg in die nächst höhere Profiliga anschauen. Ein sehr stimmungsvolles Ereignis mit vielen Zuschauern und einer tollen Atmosphäre.

Insgesamt tummeln sich 16 Vereine aus dem Großraum London in den ersten vier Profiligen des englischen Fußballsystems. Genau das erleichtert die Planungen einer Fußballreise nach London am Ende ungemein. Natürlich hängt das auch mit den hervorragenden Reisewegen zusammen. Die Stadt verfügt über insgesamt fünf Flughäfen und kann Dank der großen Konkurrenz ganzjährig recht günstig angeflogen werden. Weiterhin gibts es mit Hilfe des 1994 eröffneten Eurotunnels eine recht effektive Zugverbindung aus Deutschland, nicht immer günstig, mit 4 1/2 Stunden aber sehr fix. Selbst die Anreise mit dem Auto/Fähre kann ich empfehlen. Gute 6 Stunden mit dem Auto durch die Benelux-Länder und „über“ den „Kanal“ sind in jedem Fall ein richtiges Abenteuer.

Natürlich darf hier auch nicht verschwiegen werden, dass London trotz der ganzen Probleme unserer Zeit eine überragende Stadt in Sachen Lifestyle und Sightseeing darstellt. Hier gibts wirklich alles was es eigentlich gar nicht gibt! Es gibt immer etwas Neues zu entdecken, die Stadt wächst und verändert sich fortlaufend! Eine wirklich spannende Angelegenheit, wenn man in regelmäßigen Abständen vor Ort ist und die Veränderungen erlebt!

All die vorgenannten Aspekte verleiten mich mindestens ein- bis zweimal im Jahr zu einer Reise ins „Capital“, getreu dem guten alten Songtext „London Calling“ der Gruppe „The Clash“. Eine Zigarette an der Themse, ein Costa-Kaffee am Piccadilly Circus, ein Pint Guinness im Pub am Spitalfields Market und ein indisches Curry in den unzähligen Restaurants der Brick Lane! Dazu ein englisches Fußballspiel, besser gehts nicht! London ist für mich eine Art Rückzugsort, wenn ich kurzfristig einfach mal schnell und unkompliziert „raus“ möchte. Denn das ist aufgrund der vielen günstigen Anreisemöglichkeiten und des umfangreichen Spielplans ganzjährig (mit Ausnahme der zwei Sommermonate Juli und August) auch kurzfristig zu machen!

Zum Anfang des Monats November ging es einmal mehr sehr spontan über den Ärmelkanal. Diesmal mit Schwerpunkt „East London“. Der bei Touristen nicht übermäßig beliebte und eher raue Ostteil der Stadt steht aber auch für eine ganz besondere Rivalität im englischen Fußball, die es sogar schon in einen Hollywood-Blockbuster schaffte.

Im 2005 erschienenen Film „Hooligans“ mit Herr der Ringe-Schauspieler Elijah Wood wird die extreme Feindschaft der East-London-Clubs West Ham United und Millwall Football Club thematisiert. Auch wenn die Geschichte des Films frei erfunden ist, die Feindschaft innerhalb der Anhängerschaft beider Clubs ist nach wie vor existent und fast so etwas wie die Mutter aller „Fußballrivalitäten“.

Leider muss man zur Zeit aber auch festhalten, dass beide Clubs nicht mehr auf einer Wellenlänge funken! Während sich der Club West Ham United mittlerweile in der milliardenschweren Premier League etabliert hat und erst vor kurzem in das mondäne Londoner Olympiastadion umzog, fristet der alte Rivale ein absolutes Schattendasein! Dies bezieht sich nicht nur auf den sportlichen Erfolg, sondern auch auf die öffentliche Wahrnehmung. Hier besitzt der Verein das Image eines völlig unbeliebten und erfolglosen Arbeiterclubs aus dem rauen Südosten der englischen Hauptstadt! Das wissen Verantwortliche und Fans der Lions nur zu gut, nicht umsonst pflegt der Verein sein Motto „No one likes us, we don’t care“ auch auf Fanartikeln!

Nach Jahren in der völligen Bedeutungslosigkeit (EFL League One, dritte englische Liga) konnte man zum Ende der Saison 2016/2017 wenigstens mal die Rückkehr in die Championship (zweite englische Liga) klar machen. Im Vergleich zum großen Rivalen sicherlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, für die Supporter des Millwall FC aber ein ganz wichtiger Erfolg in Bezug auf die Wahrnehmung des Vereines!

Nach meinem Besuch des Spiels Millwall Football Club gegen Burton Albion Football Club kann ich bestätigen, dass der Südosten Londons für Touristen kein unbedingtes Muss darstellt! Ansonsten überwiegen bei mir ganz klar die positiven Aspekte nach dem Besuch des Stadions The Den!

Ein wirklich sehr traditioneller und typisch englischer Ground mit einer leidensfähigen und vor allem leidenschaftlichen Anhängerschaft! Allein die Lage des Stadions in einer Art Gleisdreieck im Nirgendwo, weit entfernt von der nächsten „Tube“-Haltestelle, war schon speziell. Zum Glück gibt es wenigstens eine Anbindung an die Londoner Zivilisation. Der Bahnhalt South Bermondsey, knapp 10 Minuten Fußweg vom Stadion entfernt, bietet eine direkte Verbindung zum Bahnhof London Bridge!

Beim Spiel zwischen den Lions und den Brewers deutete aber auch so gar nichts auf einen Fußball-Leckerbissen hin. Schließlich spielte der Tabellen-17. gegen den 23. der zweiten englischen Liga! Leider bestätigte sich diese Ahnung im anschließenden Match!

Beide Teams boten Kick and Rush in Reinkultur mit viel Einsatz, aber auch wenig Torchancen an! Für Zuschauer in der ersten Reihe nicht immer einfach, die Genickstarre lässt grüßen.

Als sich alle Beteiligten so langsam auf ein torloses Unentschieden einstellten, legte Schiedsrichter Tony Harrington los. Nach einem Foul an Flanagan schickte er den verdutzten Lions-Akteur Wallace mit Rot vom Platz! Das nutzten die Gäste in der Folge äußerst effizient aus, mit dem einzigen Torschuss erzielte Sordell (70.) den Siegtreffer. Die knapp 100 mitgereisten Zuschauer aus den Midlands waren aus dem Häuschen.

Für den unglücklich pfeifenden Schiedsrichter gab es von dem Großteil der 11507 Zuschauer deutliche Worte. Gesänge wie „One null for the referee“ oder „Referee is a wanker“ waren noch die netten Unmutsäußerungen! Zudem war der Fußballgott am „Rememberance Day“ nicht auf Seiten der Gastgeber. Dies belegte der Lattentreffer von Gregory in der 5. Minute der Nachspielzeit!!

Nur einen Tag später war es Zeit für die Gegensätze, eine Stadiontour beim Rivalen West Ham United stand an! Die spielen, wie bereits angerissen, mittlerweile im mondänen Londoner Olympiastadion mit 60.000 Plätzen. Dies wurde nach Beendigung der Olympischen Sommerspiele von 2012 aufwendig umgebaut und für den dauerhaften „Fußball-Betrieb“ umgerüstet. Bereits beim ersten Blick auf das Stadion der Hammers kann man den Unterscheid erkennen. Eine ultramoderne Superarena innerhalb einer weitläufigen Parkanlage mit der riesigen Westfield-Shoppingmall in der Nachbarschaft! Im Stadion wirkt alles sehr edel, neu- und vor allem hochwertig. Allein der angeschlossene Fan-Shop erinnert eher an eine Superfiliale von Karstadt Sport. Mit Sicherheit eine absolut eindrucksvolle Arena, aber hat das noch Tradition und Charme? Was ist mit dem Geruch von Bier und Pie im guten alten Boleyn Ground? Nun, letztendlich liegt das im Auge des Betrachters. Sicher muss man seine Vereinsanlagen und Stadien modernisieren und erneuern. Aber nicht jedem Club gelingt es, den „Vereinsgeist“ mit rüber zu holen. Ob das bei den Hammers gelingt, bleibt abzuwarten!

Zum Abschluss des Wochenendes in London ging es noch ein Stück weiter in Richtung Osten. Diesmal in den Stadtteil Greenwich, der eher für seine Sternwarte und den dortigen Nullmeridian („Hälfte der Welt“) bekannt ist! Aber auch hier wird Fußball gespielt!

Für ein Spiel in der ersten Hauptrunde des „The Emirates FA Cup​“ ging es in das Stadion The Valley! Hier spielte der ehemalige Premier-League-Club Charlton Athletic FC​ (EFL​ League One, dritte englische Liga) gegen den Truro City Football Club​ aus der sechstklassigen National League South! Die Truppe aus dem 19.000-Einwohner-Städtchen Truro war die erste Mannschaft aus der Grafschaft Cornwall, die seit 1969 die erste Hauptrunde überhaupt erreichte. Zuvor wurden Brocken wie Falmouth Town, AFC Portchester und AFC Sudbury aus dem Weg geräumt.

Im Mutterland des runden Leders existiert naturgemäß der älteste Wettbewerb im weltweiten Vereinsfußball! Der FA-Cup wurde erstmalig im Jahr 1871 ausgespielt und ist so etwas wie das Pendant zum deutschen DFB-Vereinspokal!

Obwohl sich beide Wettbewerbe auf den ersten Blick ähneln, so sind sie bei näherer Betrachtung äußerst unterschiedlich!

Im FA-Cup darf letztlich jede Mannschaft teilnehmen, die ein „gewisses Niveau“ vorweisen und ein vernünftiges Spielfeld anbieten kann! Diese Mindestanforderung ist vom englischen Fußballverband natürlich recht schwammig umschrieben, sorgt aber ab Juli für einen Monsterwettbewerb! In zwei „Extra“-Vorbereitungsrunden und vier Qualifikationsrunden spielen die Amateurclubs (5. englische Liga und abwärts) um die im November beginnende Hauptrunde! Die Hauptrunde besteht dann aus weiteren sechs Runden, dem Halbfinale und Finale im Wembley-Stadion von London! Hierbei werden die Proficlubs erst nach und nach in den Pokal eingebunden. Die Teams aus den Profiligen 3 und 4 starten im November in den ersten beiden Runden gegen die Gewinner der Qualifikation, die Clubs der zweiten Liga und Premier League kommen im Januar in Runde 3 dazu!

Im Vergleich zum deutschen DFB-Pokal ist zu beachten, dass ein unterklassiger Amateurclub nie automatisch Heimrecht genießt, bei Unentschieden zunächst ein Wiederholungsspiel mit Wechsel der Gastgeberrolle stattfindet und auch das Halbfinale auf neutralem Platz ausgetragen wird! Noch Fragen?

Trotz einer absolut sehenswerten Leistung mit viel Herz und noch mehr Mut gelang es Truro City nicht, für die Sensation im Kampf zwischen David und Goliath zu sorgen.

Der drei Klassen höher eingestufte Favorit siegte durch Tore von Reeves (10., 70.) und Marshall (53.) vor 4494 Zuschauern recht seriös mit 3:1 (1:0)! Die mitgereisten 994 Truro-Fans zeigten sich durchgehend stimmgewaltig und feierten den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer des agilen Stürmers Harvey wie das entscheidende Tor im Champions-League Finale!

Abschließend möchte ich noch den ultimativen Gourmet-Tip für einen kalten Nachmittag in einem englischen Stadion geben! Der „Fleischdrink“ Bovril, eine Art kräftige Fleischbrühe, gibt dem Körper wieder Kraft, immer und immer wieder!

Das war London zum Ende des Jahres 2017, Thank you for your interest! Stay tuned!